Ja, Jorge Lorenzos Manöver in Barcelona war unnötig. In der zweiten Runde gewinnt man kein MotoGP-Rennen, das muss ein Pilot mit einem derartigen Erfahrungsschatz wissen und sich stets daran erinnern. Es war ein Fehler. Ein Fehler, den man auch bestrafen kann, immerhin hat Lorenzo ohne jegliche Not das Rennen von drei anderen Fahrern zerstört.

MotoGP Barcelona: Was ist in Lorenzo gefahren? Analyse-Talk: (32:19 Min.)

Damit sollte das Thema aber auch erledigt sein. Denn derartige Fehler sind den besten MotoGP-Piloten immer wieder passiert. Man erinnere sich nur an Valentino Rossi, der 2011 in Jerez Casey Stoner abräumte. Oder an Dani Pedrosa, der 2016 in Austin Andrea Dovizioso torpedierte. Fehler, die diesen Fahrern nicht passieren sollten. Aber sie passieren. Denn auch wenn sie uns mit ihren teils außerirdisch wirkenden Einlagen auf dem Motorrad oft etwas anderes zu vermitteln scheinen: Valentino Rossi ist ein Mensch. Dani Pedrosa ist ein Mensch. Jorge Lorenzo ist ein Mensch. Und Menschen machen Fehler.

Wer kann von sich behaupten, in seinem gesamten Berufsleben keinen groben Fehler gemacht zu haben? Wohl niemand. Eine Tatsache, für die es im MotoGP-Paddock ein starkes Bewusstsein zu geben scheint. Denn bei aller Kritik an Lorenzo, konnte ich am Sonntag in keinem Gespräch übertrieben negative Äußerungen vernehmen. Es ist mir daher unverständlich, wieso gewisse Personen - das Wort 'Fan' soll hier bewusst vermieden sein - sich vor allem in den Sozialen Medien bemüßigt fühlen, Lorenzo auf übelste Art und Weise zu beschimpfen. Der Tiefpunkt dieser Beschimpfungen in den Kommentaren auf der Facebook-Seite von Motorsport-Magazin.com war folgende Aussage: "Der Trottel gehört doch erschlagen."

Denken wir einmal darüber nach, was diese Worte bedeuten. Hier wird behauptet, dass Lorenzo für seine Aktion den Tod verdient hätte! Denn genau das ist laut Duden die Definition von "erschlagen": "durch einen oder mehrere Schläge, Hiebe töten; totschlagen". Weil Lorenzo einen Fehler gemacht hat. In einem Motorradrennen. Wie daneben diese Aussage ist, sollte für jeden klar sein. Weshalb wir sie - wie unzählige andere unangebrachte Kommentare - von unserer Facebook-Seite entfernt haben.

Niemand wird gezwungen, Jorge Lorenzo zu mögen. Ich kann sogar verstehen, dass so mancher MotoGP-Interessierte den Mallorquiner für arrogant hält, auch wenn ich diesen Eindruck aus dem persönlichen Umgang nicht bestätigen kann. Wie auch immer man zu einem Fahrer steht: Nichts gibt einem das Recht, ihn zu diffamieren, öffentlich zu beleidigen oder sich gar Gewaltverbrechen an ihm herbeizusehnen.

Auch Verschwörungstheorien, Lorenzo hätte die Kollision bewusst ausgelöst, um seinem Teamkollegen Marc Marquez in der WM zu helfen, kursieren bereits. Diese möchte ich hier nicht einmal kommentieren. Wir wollen ja auch nicht darüber diskutieren, ob die Erde nicht doch eine Scheibe ist. So bitter Jorge Lorenzos Aktion für Andrea Dovizioso, Maverick Vinales und Valentino Rossi sowie für deren Fans auch gewesen sein mag: Man möge die Kirche bitte im Dorf lassen.