Als Ducati Danilo Petrucci als Ersatz für Jorge Lorenzo zur MotoGP-Saison 2019 holte, war schnell klar, welchen Plan man damit in Borgo Panigale verfolgt. Nach vier Jahren, in denen sich Andrea Dovizioso und zunächst Andrea Iannone sowie dann Lorenzo auf, aber auch durch Wortgefechte abseits der Strecke das Leben schwer machten, hatte man genug von stallinternen Streitereien.

Mit Petrucci holte man einen Mann ins Team, dessen bisherige Erfolgsbilanz deutlich bescheidener ausfällt als die von Doviziosos vorherigem Teamkollegen Lorenzo. Der Spanier kam mit 65 Grand-Prix-Siegen und fünf Weltmeistertiteln zu Ducati. Das Ziel war, sein Titelkonto auf der Desmosedici noch einmal aufzustocken. Petrucci hingegen hat noch kein einziges Rennen in der Motorrad-WM gewonnen, von einem Titel ganz zu schweigen.

Er war somit der perfekte Adjutant für Dovizioso. Keine wirkliche Gefahr, aber doch schnell genug, um der Konkurrenz das eine oder andere Mal wertvolle Punkte zu stehlen. In den ersten vier Saisonrennen ordnete sich Petrucci seinem Teamkollegen durch mangelnden Speed dann auch direkt unter und lag nie auch nur in der Nähe von Dovizioso.

Petrucci fordert Dovizioso in Le Mans

Am Sonntag in Le Mans änderte sich das aber. Petrucci hatte sich nach mehreren Fehlern in der Startphase wieder nach vorne gekämpft und machte im letzten Renndrittel Jagd auf seinen zweitplatzierten Teamkollegen Dovizioso. Zwei Mal konnte Petrucci auch Rang zwei übernommen, musste die Position aber beide Male sofort wieder abgeben. Am Ende trennten die Stallgefährten nicht einmal zwei Zehntelsekunden.

Kein böses Blut: Dovizioso und Petrucci im Parc ferme, Foto: Ducati
Kein böses Blut: Dovizioso und Petrucci im Parc ferme, Foto: Ducati

Ein Schauspiel, das man in der Ducati-Box wohl nicht gerade entspannt mitverfolgte. Denn die Verhältnisse am Sonntag in Le Mans waren schwierig, gleich sechs Stürze im MotoGP-Rennen beweisen das. Doch Dovizioso und Petrucci lieferten sich ein hartes, aber faires und schlussendlich auch sicheres Duell. "Ich freue mich über solche Kämpfe. Danilo hat es versucht, auch wenn es schwierig für ihn war. Er hat aber nichts verrücktes probiert. Das finde ich gut", lobte Dovizioso das Verhalten seines Kollegen.

Der wusste über die Wichtigkeit eines sauberen Zweikampfes. "Ich habe es nur dort probiert, wo ich wirklich sicher war. Ich wollte nicht, dass es in einem Desaster für meinen Teamkollegen und mich endet, schließlich kämpft Dovi ja um die Weltmeisterschaft. So einen Vorfall wie vor ein paar Jahren in Argentinien wollte ich nicht produzieren", erinnert Petrucci mit einem Seitenhieb an Argentinien 2016, als Iannone in der vorletzten Kurve des Rennens Dovizioso abräumte und Ducati somit ein Doppelpodium raubte.

Dovizioso will keine Ducati-Stallorder

Dennoch gab es Stimmen im MotoGP-Paddock, die der Meinung waren, bei Ducati sollte man in derartigen Kämpfen zwischen Dovizioso und Petrucci eingreifen. Vor allem auch, weil für Dovizioso im WM-Fight gegen den derzeit offensichtlich überlegenen Marc Marquez jeder Punkt kostbar sein kann. "Wenn wir hier in der Formel 1 wären, dann ja", erteilte Dovizioso diesen Vorschlägen eine klare Abfuhr. "In unserer Meisterschaft brauchen wir so etwas nicht, schon gar nicht zu Beginn der Saison. Vielleicht holt man so nicht immer das Maximum heraus, aber ich denke, dass es so gut ist. Danilo ist ein starker Fahrer und in der Weltmeisterschaft gut platziert, da muss auch er das bestmögliche Ergebnis holen."

Jorge Lorenzo musste Ducati einst einbremsen, Foto: Ducati
Jorge Lorenzo musste Ducati einst einbremsen, Foto: Ducati

Worte, in denen sich der große gegenseitige Respekt der Ducati-Teamkollegen widerspiegelt. "Dovi ist ein sehr guter Freund von mir", fügte Petrucci hinzu. "Ich habe großen Respekt für ihn. Er hat mir in vielen Lebensbereichen geholfen und einen großen Anteil an diesem Podium."