Cal Crutchlow hält mit seiner Meinung nie hinter den Berg. So aufgebracht wie nach dem Argentinien-Rennen der MotoGP am Sonntag hat man den Briten aber selten gesehen. Wutentbrannt stürmte er in den Kontrollturm des Autodromo Termas de Rio Hondo, um die für Bestrafungen verantwortlichen Stewards zur Rede zu stellen.

Was war passiert? Crutchlow erwischte einen guten Start in den Argentinien-GP und machte von Platz acht aus im ersten Umlauf direkt zwei Ränge gut. Es sah so aus, als könnte der LCR-Honda-Pilot seine über das gesamte Wochenende sehr starke Pace trotz eines verpatzten Qualifyings doch noch in ein Spitzenresultat verwandeln.

Doch in Runde drei setzte es für Crutchlow einen schweren Dämpfer. Die FIM Stewards, seit dieser Saison unter der Führung von MotoGP-Legende Freddie Spencer, hatten bei ihm einen Frühstart erkannt und brummten ihm die einzige dafür im Reglement vorgesehene Strafe auf - eine Ride-Through-Penalty. Crutchlow verlor dadurch etwa 25 Sekunden und fiel ans Ende des Feldes zurück.

Cal Crutchlow ist sich keiner Schuld bewusst

In den TV-Bildern war der Fehlstart praktisch nicht zu erkennen. Den Stewards stehen allerdings eigens für den Start positionierte Zeitlupenkameras zur Verfügung, deren Bilder Crutchlow im Anschluss auch vorgelegt wurden. Doch selbst diese konnten den Vorjahressieger von Argentinien nicht von seiner Schuld überzeugen, wie er gegenüber 'BTSport' erklärte: "Ich habe in der Startaufstellung eben auf einem Bein balanciert und bin dabei über den Fuß abgerollt. Ich habe das Bike aber nicht nach vorne geschoben."

Rückendeckung erhält er von seinem Crewchief Christophe Bourguignon. "Cal hat die Kupplung nicht losgelassen und daher meiner Meinung nach keinen Frühstart begangen. Das zeigen unsere Daten. Man sieht auch ganz klar, dass sich nicht einmal die Vorderradgabel streckt", so der Techniker. Teamchef Lucio Cecchinello hätte sich etwas Milde von den Stewards erhofft: "Ich bin sehr enttäuscht. Cal hat sich vielleicht zwei oder drei Zentimeter bewegt. Da würde ich mir etwas mehr Hausverstand erwarten."

Causa Crutchlow: Reglement gibt Stewards recht

Die Stewards handelten aber nicht nach Hausverstand, sondern streng nach dem Reglement. Dort steht unter Absatz 1.18.14 geschrieben: "Das Motorrad muss stillstehen, wenn die roten Lichter ausgehen. Ein Frühstart liegt vor, wenn sich das Motorrad zu diesem Zeitpunkt vorwärts bewegt. Im Fall einer geringen Bewegung und einem darauf folgenden Anhalten obliegt es den Offiziellen, zu bestimmen, ob ein Vorteil gewonnen wurde."

Freddie Spencer steht im zweiten Rennen als Chef-Steward erstmals in der Kritik, Foto: MotoGP
Freddie Spencer steht im zweiten Rennen als Chef-Steward erstmals in der Kritik, Foto: MotoGP

Ein Vorteil lag nach Meinung der Stewards anscheinend vor und das treibt Crutchlow auf die Palme. "Meine Meinung über Freddie als Steward hat sich damit extrem verschlechtert", attackiert er Chef-Steward Spencer. "Ich dachte, durch seine Ankunft werden wir bessere Entscheidungen sehen, weil er ein besseres Verständnis für den Sport hat. Das ist aber anscheinend nicht der Fall. Ich will nicht respektlos sein, denn was er als Fahrer geleistet hat ist fantastisch. Hier kann ich ihm aber nicht rechtgeben. Ich frage mich auch, ob er Marquez, Rossi oder Dovizioso dieselbe Strafe gegeben hätte."

Am Ende reichte es für Crutchlow trotz der Ride-Through-Penalty und 25 Sekunden Zeitverlust noch zu Platz 13 - mit nur 31 Sekunden Rückstand auf Sieger Marquez. "Ich denke, dass ich heute auf dem Podium gelandet wäre, wahrscheinlich in der Lücke zwischen Marc und Valentino. Die Enttäuschung ist natürlich dementsprechend groß", so Crutchlow.