Ducati hat gewonnen. Nicht nur beim MotoGP-Auftakt in Katar, sondern auch am Grünen Tisch. Der Protest der Gegner scheiterte auch vor der letzten Instanz der FIM, der Spoiler an der Schwinge der Desmosedici GP19 wurde damit zum wiederholten Male für regelkonform erklärt. Ein gutes Urteil für den MotoGP-Sport!

Denn was wäre die Alternative gewesen? Eine Disqualifikation von Sieger Andrea Dovizioso (zwingend falls das Motorrad für nicht regelkonform erklärt worden wäre), eine daraus resultierende Totalverzerrung der sportlichen Ausgangslage dieser WM-Saison und eine komplette Entwertung sämtlicher Ansagen von MotoGP-Technikchef Danny Aldridge. Danke liebe FIM, dass uns dieses Chaos erspart wurde.

Zur Erinnerung: Der Spoiler an der Schwinge von Ducati wurde von Aldridge bereits vor dem Katar-GP für legal erklärt. Auch die Stewards vor Ort gaben dem Protest von Honda, KTM, Suzuki und Aprilia gegen den neuen Flügel Sonntagnacht nach dem Rennen nicht statt. Das FIM-Berufungsgericht war somit bereits die dritte Instanz, vor der die Protestierenden scheiterten.

Regellücken sind nicht Ducatis Schuld

Nutzt Gigi Dall'Igna mit der in Katar gezeigten Ducati eine Grauzone im Reglement aus? Natürlich. Muss man die Rote Rennfraktion aus Bologna dafür bestrafen? Nein. Es ist die Aufgabe von GP-Kommission und FIM ein möglichst engmaschiges Regelkorsett zu entwerfen und derartige Schlupflöcher zu beseitigen. Wer eine Lücke offen lässt, riskiert ein Durchschlüpfen des Gegners. Das gilt nicht nur für die Piloten auf der Strecke, sondern auch im Duell Regelhüter vs. Ingenieure.

Zuletzt etablierte sich Danny Aldridge als alleiniger Exekutor des Regelwerks an der Strecke. Im Zuge der Winglet-Debatte wurde er im Paragrafen 2.4.4.7.8 sogar zum "sole judge" über Legalität und Illegalität einiger Regelunterpunkte erhoben. Dieses autoritäre "Daumen nach oben, Daumen nach unten"-Prinzip muss man nicht unbedingt gut finden, doch es hat sich bewährt. Aldridges Wort muss - insofern es nicht klar dem Reglement widerspricht - im Hinblick auf die Planungssicherheit aller Teams Gesetz bleiben.

F1-Streitkultur nun auch in der MotoGP?

Doch werfen wir einmal einen Blick auf die Protestparteien: Wie gut akkordiert der Einspruch war, zeigte das FIM-Schreiben vom Dienstag, in dem der exakte Prozess geschildert wurde. Demnach legte Suzuki Protest gegen Jack Millers Motorrad ein, während Honda Andrea Doviziosos Ducati beeinspruchte und KTM sowie Aprilia rechtliche Schritte gegen Danilo Petruccis Bike einleiteten.

Der Protest gegen Ducati war also von langer Hand geplant. Hut ab vor Yamaha, die sich an diesem Putschversuch gegen Sieger Dovizioso nicht beteiligten. Dass ausgerechnet Aprilia in den Medien am lautesten polterte, legt den Schluss nahe, dass die Italiener die Protestaktion hinter den Kulissen maßgeblich vorantrieben.

Und hier kommt ein neuer Mann ins Spiel: Neo-Rennchef Massimo Rivola, der als einstiger Sportdirektor der Scuderia Ferrari die sportpolitische Intrige aus der Formel 1 perfekt beherrscht. Dort stehen Proteste, Berufungen und Einsprüche an der Tagesordnung. Hat der Italiener die "Streitkultur" der F1 nun also auch in die MotoGP verschleppt? Es scheint so.

Man muss aus dieser Causa lernen

Immerhin wurde diesem Vorgehen nun vom FIM-Berufungsgericht ein Riegel vorgeschoben. Dass ich den Richtspruch als gut für den MotoGP-Sport erachte, heißt aber nicht, dass man aus dieser Causa nichts lernen kann oder muss.

GP-Kommission und FIM-Funktionäre müssen das Regelkorsett in Anbetracht von sechs konkurrierenden Herstellern womöglich etwas enger ziehen. Zudem könnte man das aktuelle System rund um Danny Aldridge organisatorisch anders gestalten und dem Technischen Direktor mehr Unterstützung zur Seite stellen.

Keinesfalls sollte man aber den sportlichen Wettbewerb aufgrund von existierenden Grauzonen im Regelwerk verzerren. Denn genau das würde dem MotoGP-Sport in seinem weltweit wachsenden Ansehen schaden. Und daran sollte niemand in der Szene Interesse haben.

PS: Die Protestparteien haben bis Sonntag Zeit, die Entscheidung des FIM-Berufungsgerichts vor dem Internationalen Sportgerichtshof CAS zu beeinspruchen. Aktuell ist unklar, ob sie zu diesem finalen rechtlichen Schritt greifen.