Der Schrecken war Andrea Dovizioso deutlich anzusehen. Gerade eben hatte er Marc Marquez in einem genialen Showdown in der letzten Kurve des MotoGP-Rennens von Katar geschlagen, nun wurde er durch eine Frage in der Podiums-Pressekonferenz darauf hingewiesen, dass er seinen Erfolg nachträglich verlieren könnte. "Ich weiß davon gar nichts", meinte ein verdutzter Sieger.

Was war passiert? Honda, Suzuki, Aprilia und KTM - also alle anderen Hersteller außer Yamaha - hatten nach dem Rennen Protest gegen Ducati eingelegt. Die Desmosedici GP19 sei in der Version, wie sie Dovizioso und auch Danilo Petrucci sowie Jack Miller im Rennen fuhren, nicht legal. Stein des Anstoßes waren ein kleiner Flügel vor dem Hinterrad und Leitbleche im Bereich des Vorderrades der Ducati, die in der ursprünglich homologierten Aerodynamikversion der Maschine nicht vorhanden waren.

In der MotoGP-Saison 2019 ist nur ein Update am 'Aero Body' erlaubt, das ausdrücklich als solches gemeldet werden muss. Ducati meldete die diversen Aerodynamikelemente, die Dovizioso erst am Sonntag in Katar erstmals verwendete, tatsächlich nicht bei den Regelhütern an. Das war aber auch nicht nötig, da Konstrukteur Gigi Dall'Igna wieder einmal eine Lücke im Reglement gefunden hatte.

Ducatis Flügel nicht Teil des 'Aero Body'

Denn unter Paragraph 2.4.4.7.10 des technischen Reglements der MotoGP ist angegeben, dass der 'Aero Body' - also der Teil des Motorrads, an dem nur ein Update pro Saison erlaubt ist und welches dementsprechend homologiert werden muss - aus der eigentlichen Verkleidung und dem vorderen Kotflügel besteht. Ducatis Leitbleche am Vorderrad sind aber am unteren Ende der Gabel montiert, der Spoiler am Heck befindet sich unterhalb der Schwinge. Beide Elemente sind nicht Teil des 'Aero Body'.

Gut zu sehen: Leitbleche am Gabelende und Spoiler an der Schwinge, hier bei Petrucci , Foto: LAT Images
Gut zu sehen: Leitbleche am Gabelende und Spoiler an der Schwinge, hier bei Petrucci , Foto: LAT Images
Zum Vergleich: Die Elemente, die laut Reglement Teil des 'Aero Body' sind, Foto: FIM
Zum Vergleich: Die Elemente, die laut Reglement Teil des 'Aero Body' sind, Foto: FIM

Somit war die Entscheidung für die Regelhüter rund um den Technischen Direktor Danny Aldridge klar: Die Ducati Desmosedici entspricht dem Reglement, Andrea Dovizioso und Danilo Petrucci bleiben als Sieger und Sechster in der Wertung. Die vier protestierenden Hersteller haben aber das Recht auf einen Einspruch und machten über vier Stunden nach Rennende in Katar davon Gebrauch.

Das Berufungsverfahren wandert nun vor den 'Court of Appeals' des Motorradweltverbandes FIM. Ducati und die protestierenden Hersteller können sämtliche Beweise und Dokumente einreichen, die Kommissäre treffen dann eine endgültige Entscheidung. Wann diese fallen wird, steht noch nicht fest. Auf jeden Fall soll das Katar-Ergebnis aber vor dem nächsten Grand Prix in Argentinien in drei Wochen final werden.

Bei Ducati zeigt man wenig Verständnis für das Verhalten der Konkurrenz. Sportdirektor Paolo Ciabatti verwies gegenüber Journalisten in Katar darauf, dass die neuen Teile vor acht Tagen im Rahmen einer Regelklarstellung abgesegnet wurden. Auch Petrucci konnte sich eine Spitze gegen die Konkurrenz nicht verkneifen: "Wenn Ducati eine Neuerung bringt, dann beschweren sich erstmal alle. Dann versuchen sie es zu kopieren und wenn sie es nicht kopieren können, dann wollen sie es verbieten."

Was bringt Ducatis Update?

Doch was sollen die neuartigen Aerodynamikteile an der Ducati überhaupt bringen? Darüber gibt es bislang nur Spekulationen, die Fahrer haben aus der Chefetage einen Maulkorb erhalten. Es gibt zwei Erklärungsmöglichkeiten. Beide haben gemein, dass die vorderen Leitbleche an der Gabel dazu dienen, vom Vorderrad erzeugte Luftverwirbelungen zu kanalisieren und geregelt zum Spoiler an der hinteren Schwinge zu leiten.

In Katar sah die Konkurrenz meist nur das Heck von Doviziosos Ducati, Foto: Ducati
In Katar sah die Konkurrenz meist nur das Heck von Doviziosos Ducati, Foto: Ducati

Über den Zweck dieses Spoilers gibt es aber unterschiedliche Meinungen. Er könnte zum einen dazu dienen, die Luftströmung gezielt auf den Hinterreifen zu leiten und diesen so zu kühlen. Kühlere Oberflächentemperaturen bedeuten im Normalfall geringeren Reifenverschleiß und der ist in der modernen MotoGP regelmäßig der Schlüssel zum Sieg.

Die zweite Variante geht davon aus, dass der Spoiler lediglich ein weiteres aerodynamisches Element ist, das den Zweck hat, das Motorrad möglichst gut am Boden zu halten. Im Gegensatz zu den bislang üblichen Winglets verfolgt der Spoiler dieses Ziel aber nicht an der Front, sondern am Heck des Motorrads. Für diese Version spricht, dass Ducati bei den Wintertests auch mit Flügeln im Bereich des Höckers hinter dem Sitz experimentierte, welche eine ähnliche Wirkung haben sollten. Derartiger Anpressdruck wäre in der MotoGP vor allem beim Anbremsen willkommen, wo die Piloten durch die extreme Bremswirkung der Carbonscheiben permanent darum kämpfen, ihr Hinterrad am Boden zu halten.