Was war das für eine Galavorstellung von Maverick Vinales im MotoGP-Qualifying von Katar? Er fuhr in 1:53.546 nicht nur einen neuen Pole-Position-Rekord am Losail International Circuit und brachte so fast zwei Zehntelsekunden zwischen sich und die Konkurrenz. Er konnte diesen Speed auch wiederholt abrufen. Seine zweitbeste und drittbeste Runde waren ebenfalls schneller als die jeweiligen Pendants seiner Konkurrenten.

Maverick Vinales also als großer Favorit auf den Rennsieg in Katar am Sonntag? Mitnichten. Zum einen wurden im dreitägigen Wintertest und auch am GP-Wochenende selbst kaum aussagekräftige Longruns gefahren. Was in der zweiten Rennhälfte passieren wird, lässt sich aktuell also kaum abschätzen, wie die MotoGP-Piloten bestätigen. Die Yamaha M1 könnte also auch 2019 zum Reifenfresser werden und Vinales bislang starke Leistungen somit innerhalb der 22 Rennrunden zunichtemachen.

Das ist im Moment freilich reine Spekulation. Definitiv keine Spekulation ist die Topspeed-Schwäche der M1 - und die sollte Vinales für das sonntägliche Rennen mächtig Sorgen bereiten. Die Start-Ziel-Gerade in Katar ist 1068 Meter lang und somit der drittlängste Vollgasabschnitt im Kalender, nach der Start-Ziel-Passage von Mugello und der Gegengeraden von Austin.

Topspeed ist in der Wüste von Katar also trumpf und da steht Yamaha generell, vor allem aber Vinales an diesem Wochenende ganz schlecht da. Die Höchstgeschwindigkeitstabellen sind immer mit Vorsicht zu genießen, ein guter Windschatten für einen oder mehrere Piloten kann diese Listen oft massiv verfälschen. Berechnet man aber den Mittelwert aus den fünf bisher gefahrenen Sessions FP1, FP2, FP3, FP4 und Qualifying, ergibt sich doch ein sehr eindeutiges Bild.

Vinales Kollegen aus Reihe eins sind auf der Geraden deutlich schneller, Foto: LAT Images
Vinales Kollegen aus Reihe eins sind auf der Geraden deutlich schneller, Foto: LAT Images

Vinales wahrscheinlich größte Gegner am Sonntag werden die Werks-Ducatis mit Andrea Dovizioso und Danilo Petrucci sowie Weltmeister Marc Marquez werden. Diese liegen im Topspeed fast gleichauf und kamen im Mittelwert der fünf Sessions auf 341,6 (Petrucci), 344,0 (Dovizioso) und 345,4 km/h (Marquez). Mit 351,7 Stundenkilometern in FP2 stellte Marquez übrigens auch den bis dato besten Wert des Wochenendes auf.

Genau am anderen Ende der Topspeed-Liste findet man Maverick Vinales. In FP2 und Q2 war er absolut Letzter, seine beste Platzierung in dieser Wertung erreichte er in FP1 als Drittletzter. Im Schnitt kommt Vinales auf eine Höchstgeschwindigkeit von 331,9 km/h und ist damit satte 13,5 Stundenkilometer langsamer als Marquez. In der 2019 so eng zusammengerückten MotoGP eine Welt. "Wir konnten unseren mechanischen Grip etwas verbessern und haben dadurch im Vergleich zu den Testfahrten etwas Speed gewonnen. Was die Elektronik betrifft, sind die anderen Hersteller aber immer noch voraus. Da müssen wir nachlegen", erklärt Vinales den Grund für die Topspeed-Schwäche.

MotoGP-Topspeeds in Katar

SessionMarquezDoviziosoPetrucciVinales
FP1341,9342,3341,8332,9
FP2351,7349,1343,8337,1
FP3343,4341,7338,6328,4
FP4344,2344,7345,1331,6
QP346,0342,0338,7329,3
Schnitt:345,4344,0341,6331,9

Der Katar-GP ist traditionell ein enges Rennen, in dem sich nur sehr selten ein Fahrer absetzen kann. "Wir werden am Sonntag in einer Gruppe unterwegs sein", meinte Vinales selbst nach seiner Pole am Samstag. Und da wird der Katar-Sieger von 2017 für die Konkurrenz von Ducati und Honda auf Start und Ziel wohl gefundenes Fressen werden. Denn dass Vinales in einer Runde eine derart große Lücke auf die Konkurrenz herausfahren kann, dass Marquez und Co. mit Geschwindigkeitsüberschüssen von zehn und mehr Stundenkilometern im Windschatten diese nicht schließen können, ist mehr als unwahrscheinlich.

Dass Vinales trotz dieser eklatanten Topspeed-Schwäche - auch in ihren besten Quali-Runden trennten Vinales und Marquez über 14 km/h - die Pole Position in Losail holen konnte zeigt, wie gut die Yamaha im kurvigen Streckenteil abseits der langen Geraden ist. Vinales wird diese Stärke aber wohl nur schwer ausspielen können, wenn die Ducatis und Hondas auf Start und Ziel Runde um Runde an ihm vorbeifliegen und dann vor der Front seiner M1 herumtanzen.