KTM will in der MotoGP 2019 All-in gehen. Das verkündete Konzernchef Stefan Pierer vollmundig im Rahmen der offiziellen Teampräsentation in Mattighofen im Februar. Satte 40 Millionen investiert der österreichische Hersteller nach eigenen Angaben in diesem Jahr in das MotoGP-Projekt. Aus zwei Motorrädern wurden vier und im dritten Jahr will man sich endlich in den Top-10 festkrallen. Ob das gelingt?

MotoGP-Saisonvorschau 2019: KTM: (08:05 Min.)

Fahrer & Teams für 2019

Team Nr. Fahrer MotoGP-Erfahrung
Red Bull KTM Factory5 Johann Zarco 36 Starts - 0 Siege - 6 Podien
44 Pol Espargaro 86 Starts - 0 Siege - 1 Podium
Red Bull KTM Tech355 Hafizh Syahrin 18 Starts - 0 Siege - 0 Podien
88 Miguel Oliveira Rookie

Die einzige Konstante bei KTM im Vergleich zum Vorjahr ist Pol Espargaro. Der Spanier überzeugte die KTM-Bosse in den vergangenen beiden Jahren und geht 2019 in seine dritte Saison mit den Orangen. Ansonsten ist alles neu bei KTM: Mit Tech3 konnte man zum ersten Mal ein Kundenteam an Land ziehen, das aber weit mehr sein soll als eine Sammelstelle für verwertbares Altmaterial.

"Wir wollen Tech3 als unsere Erweiterung des Werksteams sehen", erklärte Sportchef Pit Beirer unlängst im Interview mit Motorsport-Magazin.com. "Mir gefällt daher auch die Bezeichnung Kunden- oder Satellitenteam nicht, denn es ist ein Werksauftritt allererster Sahne. Wir werden das als Werksteam mit vier Fahrern ansehen und genauso betreuen."

Der erste Beweis dafür ist der Aufstieg von KTMs letztjährigem Moto2-Vizeweltmeister Miguel Oliveira, der sich bei Tech3 seine ersten Sporen in der MotoGP verdienen darf. Die Box teilt er sich mit Hafizh Syahrin, der Teamchef Herve Poncharal von einem Verbleib überzeugen konnte.

Auch KTMs Königstransfer hatte mit Tech3 zu tun: die Österreicher sicherten sich mit Johann Zarco einen Top-Piloten, der in seinen ersten beiden Jahren bereits sechs Podestplätze einfahren konnte. "Er ist ein beinharter Kämpfer. Wir glauben, dass er das fahrerische Niveau im Team hebt. Ich denke, unsere Fahrer werden sich gegenseitig pushen und wir hoffen schon, dass wir mit beiden einen Schritt nach vorne machen", so Beirer.

Das Motorrad

Die RC16 ist nach wie vor "work in progress", die wohl an jedem Rennwochenende mit kleinen Neuerungen aufwarten wird. Die Verletzungsserie aus dem Vorjahr verhagelte KTM den Testplan im Spätsommer, im Zuge dessen viele Teile für 2019 vorbereitet hätten werden sollen. Diesen Rückstand bei den gekürzten Wintertests (nur sechs statt neun Tage im Februar) aufzuholen, war unmöglich.

Daher steht für die beiden Testfahrer Mika Kallio und Dani Pedrosa (er ist allerdings noch bis Ende April außer Gefecht) jede Menge Arbeit auf dem Programm. Aus diesem Grund verzichtet KTM in dieser Saison auch auf Wildcard-Einsätze seiner beiden Testpiloten. "Unser Test-Plan ist prall gefüllt, sodass Mika und Dani damit bereits ausgelastet sind", versicherte Teamchef Mike Leitner.

KTM profitiert aufgrund des ausbleibenden Podesterfolgs nach wie vor von den Zugeständnissen im MotoGP-Reglement und darf den Motor der RC16 während der Saison frei entwickeln. Pro Fahrer ist der Einsatz von neun Motoren erlaubt, weshalb mit mehreren Weiterentwicklungen zu rechnen ist.

Im Hinblick auf Winglets glich sich KTM dem allgemeinen Trend an und war bei den Testfahrten fast durchgängig mit einer klassischen Ein-Flügel-Konstruktion unterwegs. Im Vorjahr hatte man auf derartige Konstruktionen verzichtet. In anderen Bereichen behält KTM allerdings seine Alleinstellungsmerkmale. Als einziges Bike im MotoGP-Grid verfügt die RC16 über einen Stahlrrohrrahmen und über Dämpfer von WP.

So liefen die Tests

KTM karrte viele neue Teile nach Sepang, aus denen Espargaro und Zarco erst die richtigen herausfiltern mussten. Mit den Top-10 des Zeitentableaus hatten beide Werksfahrer in Malaysia daher nichts zu tun. Zarco, Espargaro und Rookie Oliveira reihten sich auf den Plätzen 17 bis 19 ein. In der Rundenbilanz landete das KTM-Trio im Mittelfeld, zudem stürzte Pol Espargaro in Sepang mehrfach.

In Katar lief es für den Spanier besser und er konnte klar seine Nummer-1-Position im Team behaupten. Im Gesamtklassement landete er auf dem 8. Rang, weil er es am Schlusstag mit einem Qualifying-Run auf die persönliche Bestzeit anlegte. Im Hinblick auf die Pace lief es deutlich schlechter, da Espargaros zweitschnellste Runde am Schlusstag um eine satte Sekunde langsamer war als seine beste.

Teamkollege Jophann Zarco hatte in Katar krasse Anpassungsprobleme und crashte zudem am Schlusstag. "Ich bin nicht schnell genug", gab er nach Ende der Tests zu Protokoll. "Ich habe Probleme in den Kurven. Als ich zum ersten Mal auf die KTM gesprungen bin, hatte ich Schwierigkeiten am Kurveneingang, aber jetzt bin ich in den Kurven zu langsam." Immerhin spulte Zarco in Katar die drittmeisten Runden aller MotoGP-Fahrer ab.

Verheerend verlief der Februar für Hafizh Syahrin. Der Malaysier war in Sepang und Katar langsamster aller MotoGP-Stammfahrer und landete auch in der Rundenbilanz lediglich vor den angeschlagenen Stars Marc Marquez und Jorge Lorenzo sowie Andrea Iannone.

Was trauen wir KTM zu?

Michael Höller: KTM geht mit seinem Engagement 2019 tatsächlich All-in, wird in dieser Saison aber noch keine Früchte ernten. Als Ziel hat man regelmäßige Top-10-Platzierungen ausgegeben - das sind zu Saisonbeginn selbst für den KTM-erfahrenen Pol Espargaro hoch hängende Trauben. Johann Zarco hat ohnehin massive Umstellungsprobleme und wird die Vorgaben frühestens in der zweiten Saisonhälfte erfüllen können.

Die RC16 muss ein rundum kompletteres MotoGP-Bike werden, damit sich Mattighofen sein Abonnement in den Top-10 sichern kann. Ich habe keine Zweifel, dass KTM diese Entwicklung gelingt. Alleine schon das hochkarätige Testteam mit Kallio und Pedrosa spricht klar dafür. Nur gelingt dieser Schritt eben noch nicht 2019, da die neu formierte Truppe in den kommenden Monaten erst eine einheitliche Entwicklungslinie finden muss, die auch auf Zarcos Wünschen und Pedrosas Input basieren muss.

Markus Zörweg: Ich sehe KTM 2019 als Stammgast in den Top-Ten - zumindest mit Pol Espargaro. Er ist nach vielen Verletzungen nun endlich wieder topfit und kann sein volles Potenzial abrufen, der Podestplatz in Valencia hat ihm sicher viel Auftrieb gegeben. Zudem scheint die RC16 im Vergleich zu 2018 deutlich schneller geworden zu sein. Espargaro scheint aktuell aber der einzige KTM-Pilot zu sein, der davon profitiert. Zarco, Oliveira und Syahrin brauchen noch mehr Zeit, um sich an das neue Motorrad anzupassen. Gleiches gilt freilich für die gesamte Crew des Tech-3-Teams.

Sophie Riga: Nach seinen Startschwierigkeiten mit der KTM denke ich, dass es für Johann Zarco in der Saison 2019 schwierig werden wird, um Top-10-Ergebnisse mitzufahren. Diese Chance sehe ich bei Pol Espargaro schon eher. Ob er diese Leistungen konstant erreichen kann, ist schwer zu sagen. Aber nach seinem ersten Podium beim letzten Saisonfinale bin ich zumindest sicher, dass Espargaro des öfteren um Top-Platzierungen kämpfen wird. Zarco scheint hingegen noch eine Weile zu brauchen, um endgültig auf der RC16 anzukommen, genauso wie Crew und Fahrer des Tech3-Teams.