KTM hat ein großes Aufgebot für die Motorrad-WM präsentiert. Wie stolz seid ihr, dass es binnen weniger Jahre eine derart große Armada geworden ist?

Pit Beirer: Ich bin heute wirklich stolz. Es war ein Aufbau über Jahre, in denen wir versucht haben, ein Puzzleteilchen nach dem anderen zusammenzufügen. Und jetzt haben wir eine geniale Struktur und es ist etwas geschaffen, was einzigartig in der Rennsportszene ist: Aus dem Rookies Cup kann man über alle drei Klassen direkt mit uns zusammenarbeiten. Wir können die jungen Fahrer damit von klein auf bis in die MotoGP betreuen. So eine Power Force und solche Teammanager zu haben - das Thema KTM-Family hat nie besser gepasst als heute, weil die Familie ist jetzt ganz schön groß und damit können wir ganz schön attackieren.

Im Vorjahr habt ihr mit der Ankündigung aufhorchen lassen, dem MotoGP-Kundenteam Tech3 vollwertiges Factory-Material zur Verfügung stellen zu wollen. Könnt ihr dieses Versprechen halten?

Pit Beirer: Das können wir, wollen wir und müssen wir halten. Fairerweise muss man sagen: Wir kämpfen selber erstmal um eine gewisse Position in dieser Liga. Somit haben wir nicht sehr viel Lust, das Motorrad, das letztes Jahr vielleicht noch nicht ganz konkurrenzfähig war, unserem Kundenteam zu geben und die jungen Fahrer am langen Arm verhungern zu lassen. Wir sind mit Vollgas bei der Entwicklung. Es wird aber sicherlich Momente geben, da bekommt Pol oder Johann ein Teil zuerst, wenn wir es nur einmal zur Verfügung haben. Aber wir werden sofort nachproduzieren und das andere Team sofort beliefern lassen. Da gehen wir momentan einen einzigartigen Weg in dieser Liga.

Wir wollen Tech3 als unsere Erweiterung des Werksteams sehen. Mir gefällt daher auch die Bezeichnung Kunden- oder Satellitenteam nicht, denn es ist ein Werksauftritt allererster Sahne. Wir werden das als Werksteam mit vier Fahrern ansehen und genauso betreuen. Irgendwann wird sich sicher ein gewisses Ranking der Fahrer ergeben und wenn man zu Jahresmitte sieht, dass einer der Fahrer die Nase vorne hat, dann bekommt derjenige die Teile natürlich schneller. Hier werden wir aber nach dem Leistungsprinzip verfahren und nicht danach ob einer im Werks- oder Satelittenteam fährt.

Wie sehr hilft euch diese doppelte Power im Hinblick auf Tests und Daten?

Pit Beirer: Wir hatten 2018 ein schwieriges Jahr: Mika war sehr früh verletzt und Pol war in der zweiten Jahreshälfte fast dauerverletzt. Das ganze tolle Material lag da, aber wir konnten es gar nicht testen. Jetzt muss zwar unser neuer Testfahrer Dani auch eine kleine Verletzung verdauen, aber dafür ist Mika zurück. Jetzt haben wir fünf Rennfahrer, das ist ein ganz anderes Feedback an Daten und Informationen und du bringst viel mehr Teile durch. Wir konnten in Sepang an fünf Tagen Dinge durchtesten, für die wir zuletzt ein halbes Jahr gebraucht hätten. Wir können daher jetzt schon für Katar ganz entscheidende neue Schritte setzen. Die Entwicklungsgeschwindigkeit wird jetzt richtig Fahrt aufnehmen.

Dani Pedrosa wurde bereits kurz angesprochen: Mit ihm habt ihr euch einen sehr erfahrenen Mann geangelt. Was erhofft man sich von ihm, sobald er wieder fit ist?

Pit Beirer: Von ihm erhoffen wir uns, dass er sehr viel Erfahrung auf MotoGP-Bikes mitbringt. Er hat viele Entwicklungsschritte mitgemacht und hat nicht den Druck, dass er nächste Woche ein Rennen fahren muss. Er kann in Ruhe über Teile nachdenken und will nicht nur das Bike für das nächste Rennen schnell machen. Wir hatten ja schon zwei Testtage mit ihm und da kamen schon Aussagen, die wir in dieser Qualität bisher nicht kannten. Junge Fahrer sind oft ein bisschen ungestüm und drücken sich nicht so genau aus. Pedrosa aber kann die technischen Wünsche eines Fahrers so präzise formulieren, dass wir auch sehr präzise unsere Teile produzieren können. Wir brauchen niemanden, der das Bike oder das Projekt schönredet, wir brauchen klare Ansagen.

Die Speerspitze des MotoGP-Teams ist Johann Zarco. Ein Mann, der bewiesen hat, dass er im Kampf Ellbogen an Ellbogen und Rad an Rad mit Kalibern wie Marquez oder Rossi bestehen kann. Was erwartet ihr von ihm?

Pit Beirer: Durch die Verletzungen im vergangenen Jahr haben wir Pol Espargaro nie ganz auf seinem Höhepunkt gesehen - außer beim allerletzten Rennen. Somit wird er das Feld sicher nicht kampflos für Johann Zarco räumen. Johann hat aber schon ein paar Mal in der ersten Reihe der Startaufstellung geparkt und war auch einige Male auf dem Podium. Er ist ein beinharter Kämpfer. Wir glauben, dass er das fahrerische Niveau im Team hebt. Ich denke, unsere Fahrer werden sich gegenseitig pushen und wir hoffen schon, dass wir mit beiden einen Schritt nach vorne machen. Unser Anspruch ist jetzt, dass wir unser Motorrad verbessern und an Johanns Leistungslevel angleichen, damit nicht er einen Schritt zurückgehen muss wegen der KTM.

Wir hatten einen holprigen Start, denn in Valencia war es bei weitem nicht so, dass er uns in die Arme gefallen ist und gesagt hat: Das Motorrad ist fantastisch, damit werde ich Rennen gewinnen. Er war erstmal eine ordentliche Ecke langsamer als auf seinem bisherigen Bike. Wir haben aber die Kurve bekommen und in Sepang sind wir Rundenzeiten im Bereich seiner bisherigen Bestzeiten gefahren. Wir sind also schon jetzt auf dem Niveau, wo er letztes Jahr ausgestiegen ist und das ist schon mal gar nicht so schlecht.

Wenn wir jetzt nochmal alle drei Klassen durchgehen: Was müsste passieren, damit KTM am Ende des Jahres zufrieden ist in der Moto3, Moto2 und MotoGP?

Pit Beirer: Ich kann und will jetzt hier nicht tiefstapeln. In der Moto3 und Moto2 wollen wir ganz klar um den Titel kämpfen. Ob du die WM am Ende des Jahres tatsächlich gewinnst, hängt von vielen kleinen Faktoren ab. Aber ich möchte schon, dass wir unsere Haut so teuer wie möglich verkaufen und der Titel über uns führt. Wir haben in beiden Klassen die richtigen Speerspitzen dabei und sind auch materialmäßig vorbereitet. In der MotoGP ist das große Ziel, einstellige Rennresultate an jedem Wochenende zu wiederholen. Und zwar ohne dass vor uns drei bis vier Fahrer stürzen. Das ist unser Anspruch und das Ziel und sollte zu erreichen sein.