Mit Danilo Petrucci hat Ducati-Hauptakteur Andrea Dovizioso in der Saison 2019 einen Teamkollegen zur Seite gestellt bekommen, mit dem es scheinbar keine Probleme geben wird. Mit Jorge Lorenzo und Andrea Iannone lief es nicht so glimpflich. Die neue Entwicklung hebt jedoch nicht nur die Stimmung im Team, sondern führt auch zu ganz neuen Arbeitswegen. So ungewöhnlich testeten Dovizioso und Petrucci an Tag zwei in Sepang.

Auch wenn zwei Piloten in einer Box "Teamkollegen" sind, ist der Konkurrenzkampf innerhalb eines MotoGP-Teams in der Regel hoch. Am Ende kämpft jeder auf der Strecke für sich allein und der Pilot nebenan gilt als erster Rivale. In der Ducati-Box verfolgt man seit Beginn der Vorsaison einen etwas anderen Weg. Ducati-Urgestein Dovizioso ist der unumstrittene Nummer-1-Fahrer bei den Roten, Petrucci damit auf Rang zwei degradiert. Doch sich diese Position zu Kopf steigen zu lassen, so ein Typ ist Dovizioso nicht. Stattdessen hilft er dem Neuzugang im Werksteam.

Dovizioso und Petrucci: Gemeinsame Rennsimulation in Sepang

So zeigten die beiden Ducati-Piloten an Tag zwei in Sepang ein seltsames Schauspiel. Für eine Rennsimulation gingen Dovizioso und Petrucci gemeinsam auf die Strecke - und tauschten nach zehn Runden die Führung. "Wir haben uns die Runden aufgeteilt. Die ersten zehn Runden ist Dovi vorgefahren, die anderen zehn ich", erklärt Petrucci am Ende von Testtag zwei. Hinter Ducatis Titelanwärter zu fahren, hat dem Italiener einige Dinge aufgezeigt. Aber es ging vor allem um eine spezielle Lektion, die er von Dovizioso zu lernen hatte.

Petruccis dringendstes Problem ist der Reifenabbau am Hinterrad. Der Italiener ist einer der größten und schwersten Fahrer im Feld, dementsprechend schnell ist der Pneu hinüber. Aber mit Doviziosos Hilfe hat Petrucci erkannt, wie er diesem Problem trotzdem entgegenwirken kann. "Dovi ist sehr gut darin, schnell zu fahren ohne den Reifen zu beanspruchen", findet der Ducati-Neuzugang. Sein Geheimnis hat Dovizioso jetzt mit ihm geteilt: Ruhig am Gas bleiben. "In der Kurvenmitte öffne ich das Gas zu früh. Dovi hat mir gesagt, ich soll ruhiger bleiben und abwarten", erläutert Petrucci. Und das Ergebnis? "Im zweiten Teil meines Runs waren die Reifen noch fast wie neu. Das ist mir vorher noch nie passiert."

Andrea Dovizioso ist Ducatis Nummer-1-Fahrer, Foto: LAT Images
Andrea Dovizioso ist Ducatis Nummer-1-Fahrer, Foto: LAT Images

Ducati-Teamwork: Auf der Strecke und daneben

Die Zusammenarbeit der beiden Fahrer trägt also bereits Früchte. Denn nicht nur auf der Strecke, sondern auch außerhalb arbeiten die beiden Italiener zusammen. Das Verhältnis zwischen ihnen ist freundschaftlich, was die Zusammenarbeit erleichtert. Petrucci ist sogar in die Nähe seines Teamkollegen gezogen, um mit ihm beim Motocross oder im Fitnessstudio trainieren zu können. Auch Personen, die ihm in den letzten Jahren geholfen haben, hat Dovizioso an Petrucci weitervermittelt.

Doch warum? Weil Dovizioso glaubt, dass beide Seiten davon profitieren können. Petrucci steht noch am Anfang seiner Karriere im Ducati-Werksteam, aber sein Teamkollege sagt ihm eine große Zukunft voraus. "Ich glaube, er hat ein größeres Potenzial, als die meisten Leute denken", erklärt Dovizioso nach dem zweiten Testtag in Malaysia. Auch wenn Petrucci am Anfang eine größere Hilfestellung von ihm brauchen wird, so kann Dovizioso auch jetzt schon etwas von ihm lernen. Von späteren Zeiten gar nicht erst zu sprechen. "Menschen sind unterschiedlich und niemand ist in allem besser als jemand anderes", glaubt Dovizioso.

Dovizioso: Was wir tun ist ungewöhnlich

Das dieses gegenseitige Unterstützen funktioniert, haben die beiden Ducati-Piloten in Sepang bereits bewiesen. Nicht nur half Dovizioso Petrucci mit seinen Reifen-Problemen, sondern trieb den Italiener auch zu Bestleistungen an, als er im zweiten Teil der Rennsimulation hinter ihm fuhr. "Ich habe ihm gesagt, er soll vorbeifahren, wenn ich nicht schnell genug bin", sagt Petrucci. "Aber ich bin immer schneller geworden und habe meine beste Zeit in den letzten zwei Runden gesetzt. Das ist für mich ziemlich gut."

Doch auch wenn das System für sie funktioniert, sind sich alle Beteiligten bewusst, wie seltsam diese Regelung in der MotoGP-Welt ist. "Was wir jetzt tun ist ungewöhnlich", stellt Dovizioso klar. "Dabei geht es nicht um Feedback bezüglich des Bikes, sondern darum, zu verstehen. Was wir heute im Longrun gelernt haben, hätte ich alleine nicht geschafft. Darum geht es." Zwei Jahre hat Dovizioso bisher alleine versucht, der Übermacht Marc Marquez standzuhalten. Geschafft hat er es noch nicht. Vielleicht braucht es ja Teamwork, um den Titel wieder nach Bologna zu holen.