2017 kam Jorge Lorenzo als großer Heilsbringer zu Ducati. Er sollte die italienische Traditionsmarke zum ersten MotoGP-Titel seit 2007 führen. Doch daraus wurde nichts. Lorenzo gewann in seiner ersten Saison auf der Desmosedici GP kein einziges Rennen, während Teamkollege Andrea Dovizioso bis zum Finale in Valencia gegen Marc Marquez um die Weltmeisterschaft kämpfte.

Gegen Saisonende 2017 kam Lorenzo aber auf Touren, einem deutlich besseren Jahr 2018 schien nichts im Wege zu stehen. Diesen Trend untermauerte Lorenzo mit einer sagenhaften Rekordbestzeit bei den Wintertests in Sepang. Doch die Anfangsphase der Saison wurde für den dreifachen MotoGP-Champion zum völligen Debakel. In den ersten fünf Grands Prix des Jahres holte Lorenzo lediglich 16 Punkte - der schlechteste Saisonstart seiner MotoGP-Karriere.

Ducati war dementsprechend wenig angetan von Lorenzo, der bei der Marke aus Borgo Panigale mit kolportierten 12,5 Millionen Euro pro Jahr zum Spitzenverdiener der MotoGP wurde. Mit Stallgefährte Dovizioso trat man früh in Verhandlungen über eine Vertragsverlängerung und konnte diese schließlich bereits am 18. Mai offiziell bekanntgeben. Lorenzo hingegen wurde vertröstet, Ducati richtete kein Angebot an ihn.

Jorge Lorenzo vor dem Karriereende

So wurde dem Mallorquiner selbst klar, dass er bei Ducati nicht mehr erwünscht war. Er musste sich nach Alternativen umsehen, aber wer würde schon einen Jorge Lorenzo in derart desaströser Form haben wollen? Das neue Yamaha-Kundenteam mit Unterstützung von Petronas und dem Sepang International Circuit bewarb sich um die Dienste des Superstars, doch der lehnte dankend ab. "Ich hatte die Möglichkeit, in dieses Team zu wechseln", verrät Lorenzo gegenüber 'BTSport'. "Das war eine gute Option, aber nicht das, was ich wollte."

Lorenzo konnte zu Saisonbeginn nicht um Spitzenpositionen kämpfen, Foto: Pramac
Lorenzo konnte zu Saisonbeginn nicht um Spitzenpositionen kämpfen, Foto: Pramac

Lorenzo wollte in ein Werksteam, doch es schien kein interessanter Platz verfügbar. Mit zweitklassigem Material wollte sich der stolze Mann mit der Nummer 99 nicht begnügen. Die einzige Alternative zu einem konkurrenzfähigen Paket in einem Factory-Team war somit der Rücktritt. "Meine Karriere war in Gefahr. Konnte ich den Sport im Alter von 31 Jahren mit all meinen Erfolgen verlassen? Die Antwort war: Ja!", stellt Lorenzo klar. "Ich habe einige Tage mit dem Gedanken an ein Karriereende gespielt, aber die Vorstellung, diesen Sport zu verlassen, hat mich nur noch trauriger gemacht. Ich hatte beinahe eine kleine Depression. Es war noch nicht die richtige Zeit dafür. Ich wollte zeigen, dass ich wieder gewinnen kann."

Erlösung für Jorge Lorenzo in Mugello

Und das gelang Lorenzo schließlich beim sechsten Saisonrennen 2018 in Mugello. Mit einigen neuen Teilen an seinem Motorrad, darunter einem ergonomischen Aufsatz am Tank, war er plötzlich wieder der Alte. Nun hatte auch Ducati wieder Interesse an ihm. Als nach dem Sieg die Führungsebene auf Lorenzo und dessen Manager zukam, um zu Vertragsverhandlungen einzuladen, teilte man ihnen mit, dass für 2019 bereits ein Vertrag bei Repsol Honda unterschrieben wurde. Drei Tage später wurde dieser auch offiziell verkündet.

In Mugello konnte Lorenzo endlich wieder gewinnen, Foto: gp-photo.de/Ronny Lekl
In Mugello konnte Lorenzo endlich wieder gewinnen, Foto: gp-photo.de/Ronny Lekl

Repsol Honda und vor allem der dortige Teamchef Alberto Puig hatten auch in seiner größten sportlichen Krise Vertrauen in Lorenzo. Etwas, dass dieser bei Ducati vermisste. "Das Team hat in diesem Moment wohl nicht mehr an Jorge Lorenzo geglaubt", meint er. So geht Lorenzo für Repsol Honda in die MotoGP-Saison 2019. Die ersten Testfahrten verliefen trotz der noch nicht völlig ausgeheilten Handgelenksverletzung positiv. Ein erneutes Debakel inklusive Gedanken an ein Karriereende drohen Lorenzo in seinem neuen Abenteuer wohl nicht.