Die Superbike-WM ist in den vergangenen Jahren zu einer One-Man-Show mutiert. Startaufstellungen wurden auf den Kopf gestellt und dubiose Drehzahllimits eingeführt, alles wegen nur einem Mann: Jonathan Rea. Geändert hat das am Kräfteverhältnis der WSBK allerdings nichts. Rea dominiert weiterhin nach Belieben und eilt von Rekord zu Rekord.

2018 krönte er sich zum vierten Mal in Serie zum Weltmeister und das so überlegen wie nur möglich. Schon nach dem sechstletzten Rennen des Jahres in Magny-Cours stand Reas Titelverteidigung fest. Am vergangenen Wochenende in Argentinien holte der Kawasaki-Pilot in Lauf zwei seinen zehnten Sieg in Folge - auch das gab es noch nie in der Superbike-WM.

Jonathan Rea ist schlicht und ergreifend zu gut für die WSBK. Zugegeben, ihm steht mit der Kawasaki ZX-10RR das beste Motorrad im Feld zur Verfügung. Doch ein Blick auf die Leistungen seiner Markenkollegen zeigt, dass die Maschine wohl auch nicht so überlegen ist, wie es Rea vermittelt. Stallgefährte Tom Sykes ist nur WM-Vierter, liegt in der Gesamtwertung 226 Punkte zurück und konnte 2018 lediglich ein Rennen gewinnen. Man darf nicht vergessen, dass dieser Mann 2013 selbst Superbike-Weltmeister war. Von den weiteren Kawasaki-Piloten schaffte nur noch Toprak Razgatlioglu den Sprung auf das Podium.

Jonathan Rea - Können ist nicht sein Problem

An der Klasse von Jonathan Rea besteht also kein Zweifel. Wieso aber fährt er bis 2020 - seinen Vertrag mit Kawasaki hat er in diesem Jahr verlängert - in der Superbike-WM Kreise um die Konkurrenz, anstatt sich mit den besten Piloten der Welt in der Königsklasse MotoGP zu messen?

Eine Frage, auf die es keine einfache Antwort geht. Zum einen war Rea in gewisser Weise ein sportlicher Spätzünder. Seinen ersten WSBK-Titel holte er 2015. Damals war er bereits 28 Jahre alt. Für einen Wechsel in die MotoGP ein relativ hohes Alter. Erfolgreiche Umsteiger wie Cal Crutchlow oder Ben Spies waren damals einige Jahre jünger.

Cal Crutchlow kam aus der WSBK in die MotoGP und gewann seither drei Rennen, Foto: LCR Honda
Cal Crutchlow kam aus der WSBK in die MotoGP und gewann seither drei Rennen, Foto: LCR Honda

Das soll aber nicht bedeuten, dass Rea nicht schon zuvor herausragende Leistungen gezeigt hätte. Sie wurden lediglich nicht richtig eingeordnet. In seinen sechs vollen Saisons für Honda in der Superbike-WM gewann er in jedem Jahr mindestens ein Rennen, insgesamt holte er für den Hersteller 15 Siege. Im selben Zeitraum gewann keiner seiner Markenkollegen auch nur einen einzigen WSBK-Lauf. Seit dem Ende von Reas Honda-Ära gelang dem japanischen Giganten noch genau ein Erfolg: Nicky Hayden siegte 2016 im Regen von Sepang. Rea zeigte also schon in frühen Jahren herausragende Leistungen auf einem unterlegenen Motorrad. Es fiel nur niemandem wirklich auf.

Fahrerlagerpolitik blockiert Rea

Und damit kommen wir zu Reas Hauptproblem, der mangelnden Aufmerksamkeit, die die Superbike-WM aus dem MotoGP-Paddock erhält. Dort konzentrieren sich die Teammanager fast ausschließlich auf hoffnungsvolle Nachwuchsfahrer aus der Moto3 und Moto2. Das hat zum einen praktische Gründe, tourt man doch zusammen von März bis November rund um den Erdball. Zum anderen haben Rea die letzten WSBK-Umsteiger mit ihren in der MotoGP gezeigten Leistungen nicht gerade geholfen. Loris Baz und Eugene Laverty kamen als Siegfahrer der Superbike-WM in die MotoGP, Laverty war 2013 sogar Vizeweltmeister. In der Königsklasse kamen sie nicht einmal in die Nähe der Top-Ten in der Gesamtwertung. Kein Renommee für die Superbike-WM!

Rea ist also in gewisser Weise ein Opfer der Politik im Motorradsport geworden. Einen Vorwurf muss er sich aber auch selbst gefallen lassen. Angebote aus der MotoGP an den mittlerweile 31-jährigen Nordiren gab es bereits, doch er lehnte dankend ab. "Für mich kommt nur ein konkurrenzfähiges Paket in Frage", so seine Worte. Natürlich, als Dominator der WSBK auf ein zweitklassiges MotoGP-Bike zu wechseln, ist ein harter Schlag. Es wäre aber wohl einer gewesen, den Rea für eine Chance in der Königsklasse hinnehmen hätte müssen.

Rea will sich nicht mit mittelmäßigem Material begnügen, Foto: Kawasaki
Rea will sich nicht mit mittelmäßigem Material begnügen, Foto: Kawasaki

Weil wir gerade bei Vorwürfen sind: Ein solcher könnte an dieser Stelle auch an die Dorna gerichtet werden. Das spanische Unternehmen agiert als Promoter sowohl für die Superbike-WM als auch die MotoGP und ist bekannt dafür, seine Macht hin und wieder zu nützen, um Entscheidungen zu Gunsten ihrer Serien durchzuboxen. Nicht unbedingt die feine Klinge, manchmal aber für den Sport doch hilfreich. Ein Wechsel Reas in die MotoGP hätte beide Serien aufgewertet. Die Königsklasse hätte einen spannenden Rookie bekommen und die Superbike-WM wäre wieder spannend. Warum das nie passiert ist, wissen wohl nur Carmelo Ezpeleta und Co.