KTM befindet sich in der schwierigsten Phase seit dem MotoGP-Einstieg im Vorjahr. Zum ersten Mal geht es für die Österreicher eher rückwärts als vorwärts. Nun droht man im Saisonfinale in der Konstrukteurs-WM sogar auf den letzten Platz abzurutschen. Und die Probleme werden nicht gerade weniger.

Seit Sommer ist der Wurm drin: Alles begann mit der Verletzung von Mika Kallio bei seinem Wildcard-Einsatz am Sachsenring. Dabei zog sich der Finne so schwere Knieverletzungen zu, dass er bis heute nicht wieder auf seiner KTM Platz nehmen konnte. Drei Wochen später verlor man in Brünn auch noch Einsatzpilot Pol Espargaro.

Erst Kallio out, dann Espargaro

Der Katalane zog sich bei einem Crash in Warmup neben einem Schlüsselbeinbruch auch eine Nackenverletzung samt temporärem Nervenschaden zu, die ihn für einen Monat außer Gefecht setzte. "Tagelang hat jede kleine Berührung auf der Haut gebrannt wie Feuer, weil meine Nervenbahnen derart in Mitleidenschaft gezogen wurden", gestand Espargaro beim Comeback in Misano.

Nach Espargaros Aus in Brünn fiel Bradley Smith im Rennen aus und KTM brachte beim 28. Start seit dem MotoGP-Einstieg zum ersten Mal keines seiner Motorräder ins Ziel. "Vermutlich war heute der schlimmste Tag seit dem Start unseres Projekts", gab Teamchef Mike Leitner in Tschechien zu.

Kein Personal für MotoGP-Tests

Was aber deutlich schlimmer wog: In Brünn hatte man für einen Test nach dem Grand Prix einen neuen Motor im Gepäck, den Espargaro und Smith für das darauffolgende Heimrennen in Spielberg ausgiebig hätten testen sollen. So musste Smith alleine seine Runden abspulen und verzichtete in Österreich auf den Einsatz des Aggregats.

Zu riskant, lautete die Einschätzung von KTM. Denn die orange Renntruppe wollte beim Heimrennen eine weitere Nullnummer vermeiden. Denn statt der geplanten drei Fahrer (Kallio hätte ursprünglich auch starten sollen) war Smith in Spielberg Alleinunterhalter - und den wollte man nicht per Defekt ausbremsen.

KTM wird langsamer

Doch auch so kam es schlimm genug: Smiths Rennzeit am Sonntag war mehr als sechs Sekunden langsamer wie jene von Kallio im Vorjahr und weil das Rennen um fast drei Sekunden schneller war als im Jahr zuvor, hatte KTM seinen Rückstand auf die Siegerzeit von 19,7 auf 29,1 Sekunden "ausgebaut". Der erste Rückschritt in der laufenden Saison.

Entwicklung: Rückstand von KTM auf die Siegerzeit*

Rennen20172018Differenz
Katar+33,601+31,704-1,897
Argentinien+43,085+31,022-12,063
Austin+1:22,09+37,264-44,826
Jerez+47,964+19,405-28,559
Le Mans+52,661+32,304-20,357
Mugello+50,897+20,256-30,641
Barcelona+48,993+36,560-12,433
Assen+1:09,384+15,876-53,508
Sachsenring+32,179+21,474-10,705
Spielberg+19,766+29,168+9,402
Misano+57,964+46,500-11,464
Aragon+14,075+28,821+14,746

* - Kein Vergleich möglich für Silverstone (Absage), Brünn (keine KTM im Ziel) und Thailand (2017 nicht im Kalender)

Bis zur Sommerpause war KTM eigentlich auf dem richtigen Weg. Bei jedem der ersten neun Saisonrennen hatte man seinen Rückstand auf die Siegerzeit im Vergleich zum Vorjahr verkürzen können: In Katar um lediglich 1,8 Sekunden, bei anderen Rennen aber massiv - so etwa in Assen um 53 Sekunden, in Austin um 44 Sekunden und in Mugello um 30 Sekunden.

In der ersten Saisonhälfte kam die jeweils schnellste KTM in keinem Rennen mit mehr als 37 Sekunden Rückstand ins Ziel, im Vorjahr hatte man diese Marke im gleichen Zeitraum nur zweimal (Katar und Sachsenring) gebrochen. Erst mit der Sommerpause erfolgte eine Trendwende.

Denn nach Spielberg und der Absage in Silverstone ging es in Misano mäßig weiter: Keine Punkte für Smith und Espargaro und mit 46,5 Sekunden den mit Abstand größten Rückstand auf die Siegerzeit in der laufenden Saison. In Aragon schließlich verdoppelte man den Rückstand vom Vorjahr von 14 auf satte 28,8 Sekunden, auch wenn man mit Rang 13 durch Smith immerhin das bislang beste Ergebnis der zweiten Saisonhälfte holte.

Aprilia wird KTM gefährlich

Das eröffnete auch Aprilia wieder Chancen auf den vorletzten Platz in der Konstrukteurs-WM. Denn Aleix Espargaro holte mit Rang 6 im Motorland Aragon das beste Saisonergebnis für Aprilia und da der italienische Hersteller in Thailand erneut zwei Punkte mehr als KTM machte, beträgt der Vorsprung der Österreicher nur noch drei Zähler.

2017 hatte man im Duell um die Rote Laterne noch mit 69:64 Punkten die Oberhand. An diesen Punktewert wird man 2018 wohl nicht mehr herankommen, denn aktuell steht es 45:42. Um den Wert des Vorjahres noch zu knacken, müsste eine KTM in jedem der letzten vier Rennen auf dem 10. Platz landen - etwas, das in der laufenden Saison überhaupt erst zweimal gelang.

Mittlerweile ist auch die Vorbereitung auf 2019 in Mitleidenschaft gezogen. Denn im August und September organisierte KTM mehrere Testfahrten, an denen der routinierte Kallio und der nächstjährige Stammfahrer Espargaro nicht teilnehmen konnten. Aufgrund dieser Personalnot reaktivierte man Randy de Puniet und ließ sogar Alex Hofmann zum Abspulen von Testkilometern wieder ran.

Auch Smith trug seinen Teil bei, doch der Brite wird 2019 nicht mehr für KTM tätig sein. Pol Espargaro und Johann Zarco werden somit in Valencia ein Motorrad bekommen, dessen letzte Entwicklung sie nicht mit ihrem Feedback in die ihnen genehme Richtung lenken konnten. Ein Ausbau des Kontingents auf vier Motorräder kommt da gerade recht. Denn mit Tech3 hat KTM 2019 erstmals ein Kundenteam am Start, dem Motorsportchef Pit Beirer volle Werksunterstützung zugesichert hat. Zudem buhlt man heftig um Dani Pedrosa, der zweiter Testfahrer neben Kallio werden soll. Damit wäre eine Materialschlacht eröffnet.

KTM hat bislang noch jede Serie, in der man mit einem Werksteam an den Start ging, gewonnen. In der MotoGP könnte der österreichische Hersteller an seine Grenzen stoßen.