Großbritannien ist eine Motorsport-Großmacht und auch aus der Motorrad-WM nicht wegzudenken. Mit 382 GP-Siegen und 44 WM-Titeln für seine Fahrer ist die Nation in den Ewigen Bestenlisten die klare Nummer drei hinter Italien und Spanien. Auch im Rennkalender hat Großbritannien seit jeher seinen Fixplatz.

MotoGP-Debakel in Silverstone: Was sind die Folgen? (17:20 Min.)

In den vergangenen zehn Jahren wurde der "British Grand Prix" aber zum Sorgenkind und taumelte von einer Panne in die nächste. Der Totalausfall des vergangenen Renn-Sonntags in Silverstone war der bisherige Tiefpunkt und aktuell ist ungewiss, wie es mit dem MotoGP-Rennen auf der britischen Insel weitergeht. Motorsport-Magazin.com mit einem kurzen Überblick über die Querelen und Skandale der vergangenen zehn Jahre:

Donington wollte zu hoch hinaus

Es gab Zeiten, da war die Motorrad-WM in Großbritannien glücklich. Mit Donington hatte man mehr als zwei Jahrzehnte lang eine Heimat und einen Kurs, der allseits beliebt war. Klar, es gab Probleme mit den schlechten An- und Abfahrtswegen und das Fahrerlager war am Ende eigentlich schon zu klein für den gewachsenen WM-Zirkus. Doch bis Mitte des vergangenen Jahrzehnts war alles in Butter.

Dann stieg allerdings über einen auf 150 Jahre ausgelegten Leasingvertrag die "Donington Ventures Leisure Ltd" in das bislang als Familienbetrieb geführte Geschäft ein und begann hoch zu pokern. Plötzlich war die Motorrad-WM alleine nicht mehr genug und man wollte dem Erzrivalen Silverstone die Formel 1 abspenstig machen.

2008 gab es eine Zusage durch Bernie Ecclestone, der das Formel-1-Rennen ab 2010 für 17 Jahre an Donington vergeben wollte. Das führte dazu, dass sich die Dorna von ihrem Traditionskurs abwandte und im Gegenzug ab 2010 in Silverstone fuhr. Im Zuge der Finanzkrise ging den Investoren in Donington das Geld für den F1-Umbau aus, sodass sich Ecclestone ebenfalls wieder Silverstone zuwandte. Donington hatte somit durch den F1-Poker die MotoGP vertrieben, die bis heute nicht mehr zurückkommen sollte.

Silverstone als Notnagel

Silverstone war nach dem Donington-Aus von der Dorna mit einem Vertrag über fünf Jahre ausgestattet worden, der 2014 auslief. So richtig warm wurde die MotoGP nie mit der klassischen Formel-1-Strecke. Mehrfach zog man zwischen dem Fahrerlager hinter dem beeindruckenden Wing, das auch die Formel 1 nutzt, und dem kleineren "National Paddock" hin und her. Silverstones Vertrag wurde am Ende der Laufzeit nicht verlängert, stattdessen wollte man einem gewagten Projekt aus Wales eine Chance geben.

Ein Luftschloss namens Circuit of Wales

So unterzeichnete die Dorna 2014 einen Fünf-Jahres-Vertrag mit einer Gesellschaft, die zu diesem Zeitpunkt noch nicht einmal über eine Strecke für die Austragung verfügte. Das Luftschloss des "Circuit of Wales" war geboren. Früh musste man sich darauf einigen, 2015 zu einem Kurz-Gastspiel nach Donington zurückzukehren, ehe die Strecke fertiggestellt würde und endlich die MotoGP empfangen dürfte.

Doch dann wurde es kompliziert. Von Beginn an waren öffentliche Gelder für die Entwicklung des Projekts vorgesehen, das rund 6.000 Arbeitsplätze in der Region schaffen sollte. Da die Unternehmung aber einigen walisischen Politikern von Beginn an suspekt erschien, wurden diverse Zusagen immer wieder hinausgezögert. Nicht zu Unrecht, wie sich später anhand von Ermittlungen gegen Personen der Betreibergesellschaft wegen Veruntreuung zeigen sollte.

Als für 2015 auch Wales-Ersatz Donington passen musste, begab sich die Motorrad-WM doch wieder nach Silverstone - für zwei Jahre, weil dann ja endlich der neue Kurs in Wales fertig wäre. Als dort immer noch nicht gebaut wurde, gab die Dorna das Rennen zunächst für 2017 erneut nach Silverstone und erklärte im August den Fünf-Jahres-Vertrag mit dem "Circuit of Wales" für nichtig. Die Strecke wird nun wohl niemals errichtet.

Das Debakel von Silverstone

Beim Saisonfinale 2017 in Valencia einigten sich Dorna und Silverstone auf einen ordentlichen Vertrag, der die Austragung der Rennen bis 2020 regelte. Eine Bedingung dieser Abmachung war, dass der wellige Asphalt durch einen neuen Streckenbelag ersetzt werden sollte. Die Bauarbeiten waren Ende Februar abgeschlossen und die Strecke wurde nach kleinen Änderungswünschen bei einem zweiten Besuch von FIM-Homologationschef Franco Uncini abgenommen.

Doch schon die Formel 1 hatte im Juli Probleme mit dem neuen Asphalt und beschwerte sich, dass die Bodenwellen schlimmer als je zuvor waren. Am MotoGP-Wochenende kam es zum Supergau: Da auf dem neuen Asphalt das Wasser nicht ausreichend ablief, konnte am Sonntag kein einziges Rennen gefahren werden.

Nach dem Debakel fanden die Offiziellen der MotoGP klare Worte: Will man 2019 im Rennkalender bleiben, müsse man eine neuerliche Neuasphaltierung vornehmen. Eine Hiobsbotschaft für die finanziell nicht allzu stark aufgestellte Betreibergesellschaft.