Sie kommen selten, diese magischen Tage. Der 1. Juli 2018 war so einer für die MotoGP. Ausverkauftes Haus mit 105.000 Zusehern am TT Circuit von Assen, perfektes Sommerwetter und eines der besten Rennen in der Geschichte der Motorrad-Weltmeisterschaft machten diesen Sonntag unvergesslich.

MotoGP Assen 2018: Das Wahnsinnsrennen in der Analyse (23:38 Min.)

Es war vielleicht der spektakulärste Grand Prix überhaupt in der fast sieben Jahrzehnte langen Geschichte der Königsklasse. Zahlen untermauern das: Die Spitzengruppe war lange Zeit neun Fahrer groß, bis zur letzten Runde hatten sechs Piloten Chancen auf das Podium. Nur 16,043 Sekunden trennten Sieger Marc Marquez und den letzten Punktefahrer Dani Pedrosa - weniger waren es noch nie. Die beeindruckendste aller Statistiken betrifft aber die Überholmanöver. Nicht weniger als 126 gab es zwischen den ersten sechs Fahrern.

Bei all den perfekt getimten Überholmanövern wurde es auch ein paar Mal richtig wild. Die heftigsten Szenen:

Runde 6, Lorenzo vs. Rossi: Lorenzo führt das Rennen vor Rossi an, kommt aber am Ausgang von Kurve zwölf etwas zu weit raus und verliert um ein Haar die Kontrolle über das Vorderrad. Dementsprechend nimmt der Ducati-Pilot Speed heraus, während Rossi mit vollem Tempo von hinten angeschossen kommt. Er kracht mit seiner Yamaha bei hohem Tempo ins Heck der Desmosedici. Beide Bikes tragen massive Kampfspuren davon, doch Lorenzo und Rossi können einen Sturz verhindern. "Das war ein furchteinflößender Moment", gestand Lorenzo. Valentino rechnete Valentino nicht damit, dass ich Tempo rausnehmen musste. Wir hatten großes Glück. Ein Sturz direkt vor dieser großen Gruppe wäre sehr gefährlich gewesen." Auch Rossi war froh, dass die Kollision glimpflich ausging: "Wir hatten sehr viel Glück, denn ich habe ihn 'optimal' getroffen. Wirklich perfekt. Nur deshalb sind wir nicht gestürzt."

Runde 12, Marquez vs. Rins: Marquez war im Rennen von Assen in der engen Linkskurve fünf, Strubben, überragend. Unzählige Überholmanöver gelangen ihm dort. In Runde zwölf entschied sich Alex Rins dennoch dafür, genau dort Marquez zu attackieren. Und der Angriff gelang, doch Marquez versuchte, an der Außenseite gegenzuhalten. Dabei berührte er Rins und wäre um ein Haar von seiner Honda gerissen worden. Marquez hing auf der Geraden praktisch völlig neben dem Motorrad und zog sich doch noch hoch. Eine unfassbare Rettung in höchster Not. "Ich weiß selbst nicht wie ich das gemacht habe", lachte Marquez. "Meine Hand und mein Bein wurden vom Bike gerissen und auch der Kupplungshebel weggebogen. Den musste ich erst wieder einrichten." Die Schuld für die Kollision übernahm Marquez: "Es war mein Fehler. Ich war außen und der Fahrer auf der Innenlinie gibt vor, wo es lang geht."

Runde 21, Vinales vs. Marquez: Marquez führte zu diesem Zeitpunkt das Rennen an, Vinales hatte sich durch die Gruppe nach vorne gekämpft und griff den Leader an. In Kurve wollte er sich vorbei drücken, keiner der beiden gab nach, sie berührten sich an den Knien und mussten in die asphaltierte Auslaufzone, wodurch Rossi und Dovizioso vorbeigingen. "Mir hat es auch das komplett die Hand von der Bremse gerissen", erklärte Marquez.

Runde 25, Rossi vs. Dovizioso: In der vorletzten Runde duellieren sich Rossi und Dovizioso um Platz zwei. Der Ducati-Pilot versucht sich in Kurve eins an Rossi vorbeizubremsen, ist aber sehr schnell. Für Rossi bleibt auf der Außenbahn kein Platz mehr, er muss in die Auslaufzone und wird auf P6 durchgereicht. Rossi zeigte kein Verständnis für das Manöver: "Aus strategischer Sicht war diese Aktion von ihm nicht besonders clever. Wir beide hatten das Potenzial auf dem Podium zu landen, durch dieses Manöver haben wir aber alles verloren und wurden nur Vierter und Fünfter. Das ist wirklich schade." Dovizioso wollte diese Kritik aber nicht auf sich sitzen lassen und spielte den Schwarzen Peter für die strittige Szene Rossi zu: "Ich kann seinen Ärger zwar verstehen, weil er einige Positionen verloren hat. Aber er war es, der eine falsche Entscheidung getroffen hat. Er war aber und daher kontrollierte ich die Situation."

Wie kam es zum unglaublichen Assen-Rennen?

Um eine derartige Schlacht wie am Sonntag in Assen zu ermöglichen, müssen viele Faktoren zusammentreffen. Zum einen müssen ausreichend viele Piloten eine ähnliche Pace haben. Das war bereits das gesamte Wochenende der Fall. Marquez hat dazu eine Theorie: "Hier ist das Motorrad nicht so wichtig, der Fahrer dafür entscheidender. Das macht es für uns extrem hart, aber es ist gleichzeitig das Allerschönste an unserem Sport.

Die Streckencharakteristik von Assen spielte ebenfalls eine Rolle. Schnelle, flüssige Strecken wie Mugello, Phillip Island oder eben Assen produzieren im Normalfall immer die besten Rennen, weil es durch den Windschatten extrem schwierig ist, sich abzusetzen. Das wurde am Sonntag durch starken Wind aus der passenden Richtung zusätzlich verstärkt. "Wir hatten Gegenwind in all den schnellen Sektoren. Da ist es unmöglich, eine Lücke aufzumachen. Man konnte mit Halbgas gleich schnell fahren wie der Pilot vorne."

Ein Danke gebührt also den Streckendesignern in Assen, dem Wettergott, wenn man einen solchen glaubt und all den MotoGP-Spitzenpiloten, die uns am Sonntag dieses Spektakel der Extraklasse boten.