Eines muss man Jorge Lorenzo lassen: Mut hat er! Denn sein Wechsel zu Repsol Honda ist gewagter, als das auf den ersten Blick den Anschein haben mag. Man könnte sich fragen: Was soll schon schief gehen, wenn ein Motorrad übernimmt, das in den vergangenen beiden Jahren fünf von sechs möglichen WM-Titeln (Fahrer, Konstrukteur, Team) geholt hat?

Diese Frage würde aber nicht weit genug greifen. Denn die Honda ist alles andere als einfach zu fahren. So wirklich in jedem Rennen beherrschbar, ist sie aktuell nur für Marc Marquez. Und selbst der stürzt damit regelmäßig - wie auch seine Markenkollegen Cal Crutchlow und Dani Pedrosa.

Lorenzo benötigt auf der RC213V einen völlig neuen Fahrstil und muss sich nach nur zwei Jahren auf Ducati erneut vollkommen umgewöhnen. Im Alter von 31 Jahren ein - wie gesagt - gewagter Schritt. Vor allem, wenn man um Lorenzos Umstellungsprobleme von Yamaha auf seine aktuelle Desmosedici weiß.

Mutiges Antreten gegen Marquez

Es gibt aber auch ein zweites Argument, dass Lorenzo Mut attestiert: Mit den gleichen Waffen wie Marc Marquez ausgestattet, kann man gegen den aktuellen MotoGP-Überflieger eigentlich nur alt aussehen. Das sprach Vizeweltmeister Andrea Dovizioso - der ebenfalls mit Honda über einen Wechsel redete - offen aus. Das könnte auch ein Grund gewesen sein, warum nach Dovizioso und Johann Zarco auch Joan Mir sich letztlich gegen einen Wechsel zu Honda entschieden hat. Ein Dani Pedrosa kann davon ein Lied singen.

Denn auch wenn er nie Weltmeister wurde - die Nummer eins im Team war Pedrosa in seinen 13 Jahren bei Repsol Honda immer wieder. Er bügelte 2007 den amtierenden Champion Nicky Hayden und sprang für Honda 2012 mit einer Siegesserie in die Bresche, als Weltmeister Casey Stoner wegen gesundheitlicher Probleme zunächst nicht mehr voll fit, dann überhaupt nicht mehr einsatzfähig war. Pedrosas Stallduell-Bilanz in der MotoGP mit Saisonende 2012 trotz Verletzungen: 5:2. Seit Marc Marquez sein Teamkollege ist, steht es 0:5 mit der hohen Wahrscheinlichkeit auf ein 0:6 in der laufenden Saison.

"Achse des Bösen" für Rossi-Fans

Das neue MotoGP-Dreamteam (nichts anderes ist eine Kombination aus 130 Siegen, die sieben der letzten acht WM-Titel auf sich vereint) muss sich aber auf starken Gegenwind von den Zuschauerrängen gefasst machen. Denn für viele Rossi-Fans kommt der Zusammenschluss von Marquez und Lorenzo der finalen Verschmelzung der "Achse des Bösen" gleich. Pfiffe sind programmiert.

Hass in Mugello: Rossi-Fans beerdigen Marc Marquez (04:05 Min.)

Für Anhänger der Verschwörungstheorie der Saison 2015 könnte sich der Transfer so darstellen, dass nun zusammen ist, was auch im damaligen Finale bereits zusammen gegen Rossi gearbeitet haben soll. Leicht wird es 2019 für Lorenzo nicht, daher muss man vor diesem mutigen Wechsel den Hut ziehen.