Der schwere Unfall von Michele Pirro am Freitag ließ keinen MotoGP-Fahrer im Paddock von Mugello kalt. Der Abflug des Italieners beim Anbremsen der ersten Kurve (San Donato) ließ in den ersten Sekunden das Schlimmste befürchten. Mittlerweile gab es Entwarnung: Pirro kam mit kleineren Blessuren davon und zog sich nur Prellungen und eine mittlerweile wieder eingerenkte Schulter zu. "Im Grunde hat er sich kaum verletzt", freute sich Teammanager Davide Tardozzi.

Dennoch trieben die Bilder des bewusstlos durch den Kies geschleuderten Pirro nicht nur den MotoGP-Fans einen Schauer über den Rücken. "Das war ein schwieriger Moment für uns alle. Denn wir wissen, mit welch hohen Geschwindigkeiten wir dort ankommen", sagte Marc Marquez, der in seinem ersten Jahr in der MotoGP an der gleichen Stelle abgeflogen war.

Wenige Minuten vor dem Pirro-Crash hatte sein Teamkollege Andrea Dovizioso an dieser Stelle einen neuen Topspeed-Rekord für MotoGP-Bikes aufgestellt. Er war mit 356,4 km/h geblitzt worden. Danach gab der neue Rekordhalter aber offen zu: "Man hat jedes Mal ein bisschen Angst, wenn man an diese Stelle kommt."

Gefährlichste Stelle in Mugello

"Unsere Power wird immer mehr und der kleine Sprung ist zwar nicht gefährlich, aber grenzwertig", so Dovizioso. Marc Marquez meinte über die Anfahrt zur ersten Kurve sogar: "Das ist eine der schwierigsten Stellen im gesamten Kalender. Das eine oder andere Mal kann man dort ganz schön Angst bekommen."

Maverick Vinales führte die Schwierigkeit dieses Bremsmanövers genauer aus: "Im ersten Teil der Bremszone bist du eigentlich noch ein bisschen in Schräglage. Je nachdem, wann du die Bremse antippst, kann das Vorderrad blockieren. Du musst dort höllisch aufpassen, sonst bezahlst du."

Pirro musste dafür bezahlen, auch wenn noch unklar ist, inwiefern er selbst Schuld an diesem Abflug hatte. Denn ein technisches Gebrechen der Bremsen könnte zu dem Unfall geführt haben. Das Video vom Unfall zeigt deutlich, dass Pirros Ducatis zunächst zwar stark ins Schlingern gerät, Pirro sein Motorrad aber wieder beruhigen kann.

Bremsdefekt bei Pirro?

Im Anschluss bremst das Vorderrad so stark ab, dass das Heck ausgehebelt wird und der Italiener einen spektakulären Stoppie hinlegt. Als das Hinterrad versetzt wieder auf den Asphalt auftrifft, hat es sofort Grip und wirft Pirro per Highsider in einem hohen Bogen aus dem Sattel.

Valentino Rossi hatte deshalb eine Theorie: "Über die Bodenwelle wurde seine Front durchgeschüttelt und damit gingen die Bremsklötze ein wenig auf. Sowas fühlt sich dann an, als hätte man gar keine Bremse mehr und daher bremst du noch stärker. Plötzlich kommt aber wieder die volle Bremskraft zurück." Etwas, dass bereits Casey Stoner in der Saison 2011 in Motegi passierte. Eine erste Untersuchung durch Bremsenhersteller Brembo habe aber keinen Defekt erkennen lassen, schreibt das italienische Fachportal "GPone".

Zumindest hatte Pirro Glück im Unglück und überstand seinen Horror-Crash ohne schlimmere Verletzungen. Einige Fahrer nutzten den Unfall aber, um auf eine Sicherheitslücke hinzuweisen, die vielen schon lange ein Dorn im Auge ist: Die Mauer auf der Außenbahn in der Anfahrt zur ersten Kurve.

Ärger über Mauer

"Das heute hatte zwar nichts mit der Mauer zu tun, aber es war ziemlich knapp. Wenn Michele in diese Wand eingeschlagen wäre... Es hat vielleicht ein Meter gefehlt, dann hätte es eine ganz große Tragödie gegeben", verlieh Aleix Espargaro seiner Wut auf die Offiziellen Ausdruck.

Denn einige Fahrer fordern schon seit Jahren eine Versetzung der Mauer nach außen. "Uns wurde aber stets gesagt, dass das hier in Mugello nicht möglich wäre", so Espargaro. Am Freitagabend war diese Stelle daher auch Thema in der Safety Commission.