Was war das für ein verrückter Grand Prix von Argentinien! Verzögerungen am Start, eine abgewürgte Honda von Marc Marquez und zahlreiche kontroversielle Manöver. Viel Material also für eine Analyse. Motorsport-Magazin.com arbeitet die Geschehnisse auf.

Crutchlow liefert taktisches MotoGP-Meisterstück

Beginnen wir mit dem Rennsieger Cal Crutchlow. Der 32-jährige Routinier von der Isle of Man spielte in Argentinien seine gesamte Erfahrung aus. Gegen die deutlich jüngeren und weniger erfahrenen Johann Zarco, Alex Rins und Jack Miller fuhr er ein stets kontrolliertes Rennen und behielt somit am Ende die Oberhand. Im Gegensatz zu seinen drei Gegnern um den Sieg leistete sich Crutchlow keine Fehler, blieb stets innerhalb des von den Streckenbedingungen eng gesetzten Limits an diesem Sonntagnachmittag und achtete auf seinen Reifenverschleiß.

In den ersten beiden Renndritteln beobachtete Crutchlow das Geschehen an der Spitze aus Position vier, erst in Runde 17 griff er wirklich aktiv in den Kampf um den Sieg ein. "Ich wusste, dass ich die Pace für den Sieg hatte und am Ende darum kämpfen konnte. Ich war schneller als die anderen drei und wusste, wo ich überholen kann", erklärte Crutchlow anschließend. "Deshalb bin ich lange möglichst geringes Risiko eingegangen, habe die Reifen gemanagt und unterschiedliche Linien gewählt, um nicht von den anderen Fahrern abgeräumt zu werden."

Auf der langen Gegengeraden war Crutchlow konstant wesentlich schneller als seine Konkurrenten und konnte dort eine Lücke öffnen, die groß genug war, um sie im letzten Sektor zu verteidigen. "Ich wusste, dass Johann für einen Angriff in den letzten Kurven im letzten Sektor etwa 0,4 Sekunden schneller sein müsste als ich und das war nicht möglich", erläuterte Crutchlow seine Taktik.

MotoGP Argentinien: Das Chaos-Rennen in der Analyse: (25:04 Min.)

Marquez im Argentinien-GP in einer eigenen Liga

Bei allem Respekt für Crutchlows Leistung zeigt die Analyse aber ganz klar, dass bei einem normalen Rennverlauf am Sonntag der Sieger nur Marc Marquez heißen hätte können. Er transportiere seine überragende Pace aus den Trainingssitzungen direkt in das Rennen. Rechnet man die Runden sechs und sieben, die durch Marquez' Ride-Through-Penalty aufgrund seines Fehlverhaltens am Start (Marquez war ja nach dem Abwürgen seiner Honda gegen die Fahrtrichtung in die Startaufstellung zurückgefahren) beeinflusst wurden, aus dem Rennen des Repsol-Honda-Piloten heraus, kam er inklusive Startrunde auf eine durchschnittliche Zeit von 1:41.085 Minuten. Damit war er um 0,428 Sekunden pro Umlauf schneller als Rennsieger Cal Crutchlow, der Marquez Zeiten nur dann unterbieten konnte, wenn dem beim Überholen einer seiner an diesem Sonntag zahlreichen Fehler unterlief.

Marquez' sorgte in 1:39.902 auch für die mit Abstand schnellste Rennrunde des Argentinien-Grand-Prix. Auch hier kam ihm Crutchlow noch am nähesten, war aber dennoch um 0,484 Sekunden langsamer als Marquez. All das sind Zahlen, die in der Katar noch so ausgeglichenen MotoGP einer Deklassierung des restlichen Feldes gleichkommen. Dort lagen, was die durchschnittliche Rundenzeit angeht, die Top-Acht enger zusammen als Marquez und Sieger Crutchlow in Argentinien.

Marquez' Speed in Argentinien sollte der Konkurrenz als Warnung dienen. Andrea Dovizioso, praktisch vom gesamten MotoGP-Paddock als härtester Konkurrent im Kampf um den Weltmeistertitel gehandelt, war im Rennen von Termas de Rio Hondo fast 1,4 Sekunden pro Runde langsamer als sein Rivale. Und nun geht es nach Austin an den Circuit of the Americas und somit an Marquez absoluter Lieblingsstrecke im Kalender, auf der seit Aufnahme des Kurses in den Kalender 2013 ungeschlagen ist. Die Konkurrenz muss sich dort also wohl auf eine Machtdemonstration des Weltmeisters einstellen, wenn er seine Temperament dann besser im Griff hat und gefährliche Manöver wie gegen Aleix Espargaro und Valentino Rossi in Argentinien unterlässt.

Miller wird in Argentinien um MotoGP-Podium beraubt

Zur tragischen Figur des Grand Prix von Argentinien wurde Jack Miller. Sein beeindruckender Mut blieb unbelohnt. Im Qualifying holte er sich als einziger Fahrer mit Slicks auf feuchter Strecke eine sensationelle Pole Position und wollte auch im Rennen bei ähnlichen Verhältnissen als einziger Pilot nicht auf Regen-Setup in den GP starten.

Millers Mut wurde nich belohnt, Foto: MotoGP
Millers Mut wurde nich belohnt, Foto: MotoGP

Seine Taktik ging aber nicht auf. Denn die restlichen 23 Piloten erkannten in der Startaufstellung ihre Fehlentscheidung, ließen ihre Motorräder wieder in die Boxengasse bringen und hätten deshalb auch von dort aus starten müssen. Praktisch das gesamte Feld aus der engen Boxengasse starten zu lassen, erschien der Rennleitung aber zu gefährlich, weshalb der Start verschoben wurde, die Fahrer wieder in den Grid zurückkehren durften und Miller lediglich fünf Reihen Vorsprung erhielt.

Hätten die anderen Piloten wie im Reglement eigentlich vorgesehen aus der Box starten müssen, hätten sie warten müssen, bis Miller das Ende der Boxengasse erreicht hätte. Dann wäre sein Vorsprung in etwa bei zehn bis 15 Sekunden gelegen. Millers Rückstand auf den späteren Sieger Crutchlow betrug am Ende nur 4,390 Sekunden. Außer dem an diesem Wochenende in einer eigenen Liga fahrenden Marc Marquez hätte ihn somit wohl kein Fahrer mehr abfangen können. Platz zwei wäre ihm somit so gut wie sicher gewesen.

Diese Podiumsplatzierung wurde ihm somit von der Rennleitung und den Regelmachern, die hier eine Lücke im Reglement offen ließen, genommen.