Die Rennleitung geriet beim MotoGP-Rennen in Argentinien mehrfach in die Kritik. Chaotische Zustände am Start, eine fragwürdige Entscheidung zugunsten Jack Millers und keine konstante Linie bei vielen harten Manövern im weiteren Rennverlauf.

MotoGP Argentinien: Das Chaos-Rennen in der Analyse: (25:04 Min.)

MotoGP-Experte Alex Hofmann tat schon während der Live-Übertragung aus Servus TV seinem Unmut über die eine oder andere Entscheidung kund. Da das aber nur Motorrad-Fans in Österreich vorbehalten war, bat Motorsport-Magazin.com am Tag danach Hofmann zur ausführlichen Manöverkritik der Rennleitung.

War der Abbruch in der Startaufstellung plausibel?

Der Sachverhalt: Alle Fahrer bis auf Pole-Mann Jack Miller begaben sich auf Regenreifen auf die Sichtungsrunde in die Startaufstellung. Einige Piloten entschieden sich dort aber zu einem Wechsel des Motorrads und wurden wieder an ihre Boxen geschoben. Immer mehr Fahrer schlossen sich an, bis Jack Miller plötzlich alleine im Grid stand.

Die Rennleitung brach sofort ab mit der Begründung "due to safety conditions". Dabei hatte es aber nicht etwa zu regnen begonnen, sondern es hatte aufgehört. Ohne Abbruch wären allerdings 23 Fahrer aus der Boxengasse gestartet. Das hätte zu kritischen Situationen am Boxenausgang führen können, weshalb man lieber abbrach.

Hofmanns Analyse: "Schon die Begründung 'due to safety conditions' war nicht wirklich durchsichtig. Das Reglement lässt so einen Move (das Zurückschieben an die Box) zu, obwohl die Mechaniker ja noch im Grid am Motorrad arbeiten dürfen und dort Reifen umstecken und das Setup umbauen könnten. Warum sollte also jemand, der die Sighting Lap genutzt hat, um sich über die Bedingungen klar zu werden, einfach die Startaufstellung verlassen dürfen?"

"Da wurde eine Lücke im Regelwerk genutzt, die es zu schließen gilt. Man hätte auch aus der Vergangenheit lernen können, denn am Sachsenring gab es schon einmal eine ähnliche Situation. Schön anzusehen war das am Sonntag nicht und am Ende wurde Jack Miller dem Einzigen, der alles richtig gemacht hat, sein Vorteil genommen."

War Jack Millers Vorsprung im Grid notgedrungen die richtige Entscheidung?

Der Sachverhalt: Während Miller im Grid ausharrte, berieten sich die Teamchefs mit der Rennleitung. Nach mehr als einer Viertelstunde Wartezeit beschloss man, alle Fahrer außer Miller zurückzuversetzen. Man räumte dem Australier also mehrere Startreihen Vorsprung ein. Allerdings zum Preis, dass er seinen Reifenvorteil (Slicks) verloren hatte.

Hofmanns Analyse: "Das war eigentlich lächerlich. In der Kürze musste man halt irgendeine Zwitterlösung finden, die Miller nicht komplett vor den Kopf stößt. Hoffentlich sehen wir so ein Bild nie wieder, denn es war ja wirklich lächerlich, wie der Mann auf Pole 50 Meter vor allem anderen steht. Was sind den 50 Meter bitte für ein Vorsprung? Das war Miller sicherlich keine Hilfe, aber wohl die einzige Lösung, die alle halbwegs zufrieden stellte."

Verhielt sich Marc Marquez am Start falsch?

Der Sachverhalt: MotoGP-Weltmeister Marc Marquez würgte seine Honda in der Startaufstellung ab. Er brachte sie zwar wieder ans Laufen, stand aber plötzlich mehrere Meter vor seiner eigenen Startposition. Ihm wurde von einem Offiziellen signalisiert, dass er wieder auf seinen Startplatz dürfe, also setzte sich Marquez auf seine Honda und fuhr entgegen der Fahrtrichtung zurück auf seinen Startplatz. Wenige Runden später wurde er von der Rennleitung mit einer Durchfahrtsstrafe belegt.

Hofmanns Analyse: "Die IRTA hat ihm angezeigt, dass er wieder auf seinen Startplatz darf, aber als Rennfahrer sollte man wissen, dass man in so einem Fall sein Bike rückwärts zu seiner Position schiebt. Diese paar Sekunden mehr hätten wir auch noch gehabt. Ich habe in meinem Leben noch nie auf einer Rennstrecke jemanden rückwärts fahren sehen. Das macht man nie - zu keinem Zeitpunkt und das sollte Marquez eigentlich wissen. Dass er danach die IRTA angeschwärzt hat, finde ich nicht korrekt. Die Durchfahrtsstrafe war die erste weise Entscheidung der Rennleitung an diesem Tag."

Geht die Strafe für Marquez wegen des Manövers gegen Espargaro in Ordnung?

Der Sachverhalt: In der neunten Runde ging Marc Marquez an Aleix Espargaro vorbei. Zwischen Turn 12 und Turn 13 krachte es zwischen den beiden bei über 200 km/h. Marquez drängte sich mit Kontakt innen vorbei, während Espargaro durch den Rempler die Linie verlor und die nächste Kurve weit außen auf nassem Asphalt nehmen musste. Marquez wurde bestraft und musste sich eine Position nach hinten fallen lassen.

Hofmanns Analyse: "Dieses Manöver war zu hart. Er war um einiges schneller (in der vorangegangenen Runde um 3,6 Sekunden) als Aleix und hat ihn ja nicht erst in letzter Sekunde gesehen. Diese Brechstange war hier völlig übertrieben und es war ein Glück, dass beide Piloten sitzengeblieben sind."

War die Strafe gegen Marquez nach dem Rossi-Crash zu mild?

Der Sachverhalt: In der 20. Runde fand Marquez sein nächstes Opfer: Valentino Rossi. In Kurve 13 stach Marquez mit zu hoher Geschwindigkeit innen hinein, rempelte Rossi an und drückte ihn auf die Außenbahn. Der kam bis auf die Rasenfläche ab, wo er mit seiner Yamaha schließlich stürzte. Marquez fuhr zunächst unbehelligt weiter, bekam nachträglich aber eine Zeitstrafe von 30 Sekunden, die ihn von Rang fünf aus den Punkterängen katapultierte.

Hofmanns Analyse: "Während der Liveübertragung auf Servus TV habe ich geschrien: 'Der darf heute keine Punkte kriegen!' Und ich bin froh, dass die Rennleitung dafür gesorgt hat, den Zieleinlauf abgewartet hat und dann die Strafe so angepasst hat, dass er definitiv keine Punkte holt. Allerdings bleibt die Frage: Wieviel hat er dadurch tatsächlich gelernt?"

"Hartes Fahren? Da bin ich ein absoluter Fan davon! Aber es muss fair bleiben. Klar hat sein Vorderrad blockiert, wie er gesagt hat. Aber doch nur deshalb, weil er viel zu spät gebremst hat. Es wird immer Rennunfälle geben, aber es darf nicht so weit kommen, dass wir hier eine Art Boxkampf geboten bekommen. Er sollte überdenken, was er da vorlebt, denn er ist das Vorbild für die nächste Generation an Rennfahrern."

Hätte Johann Zarco für seine Aktion gegen Pedrosa eine Strafe verdient?

Der Sachverhalt: Wir Marquez gegen Rossi, drückte sich auch Zarco gegen Pedrosa in Kurve 13 innen vorbei. Da sich dieser Zwischenfall schon in der ersten Runde ereignete, war es aber noch deutlich feuchter. Pedrosa wurde von der Linie abgedrängt und musste auf den nassen Stellen abseits der Ideallinie einen Highsider verkraften. Er klagte danach über große Schmerzen im Handgelenk. Zarco kam ohne eine Bestrafung davon.

Hofmanns Analyse: "Er war zu spät auf der Bremse und hat entschieden, sich noch irgendwie reinzuquetschen. Die Konsequenz war der Sturz von Pedrosa, aus dem vielleicht eine Verletzung resultierte. Dass Zarco dafür nicht bestraft wurde, fand ich nicht gut. Es war zwar nicht so brutal wie das Manöver von Marquez gegen Rossi, aber auch Zarco hat eine gewisse Vorgeschichte."

"Er hat schon öfters seinen Vorderreifen auf fremden Lederkombis verewigt. Irgendwann musste dem ihm zeigen: So geht das nicht! Auch ein Zarco lernt mehr für die Zukunft, wenn er eine Strafe bekommt und eben nicht auf dem Podest steht. Jetzt kam er damit durch und fliegt mit 20 Punkten nach Austin. Man kann bei den Jungs nur einen Lerneffekt erzielen, wenn man knallhart durchgreift und vor allem nicht mit zweierlei Maß misst."