Tom, mit welchen Ambitionen gehst du in deine erste MotoGP-Saison?
Tom Lüthi: Ich bin aktuell in einer Phase, in der ich extrem viel lernen muss. Es ist daher zu früh, sich konkrete Resultate als Ziel zu stecken. Ein positiver Trend war im Zuge der Wintertests zu erkennen, den würde ich gerne in die ersten Rennen mitnehmen.

Du hast deinen erfahrenen Crewchief Gilles Bigot (einst u.a. mit Alex Criville 500cc-Weltmeister) aus der Moto2 mitgenommen. Musstest du mit deinem Teamchef Michael Bartholemy lange über diesen Schachzug verhandeln?
Eigentlich war es so, dass Michael Bartholemy Gilles schon vor einigen Jahren holen wollte, das damals aber nicht geklappt hat. Nun hat er sowohl Gilles, als auch mich auf einen Streich bekommen. Daher mussten wir uns gar nicht lange über diesen Punkt unterhalten, das war von Anfang an klar.

Konntest du bei deinem MotoGP-Einstieg von der Erfahrung deines Crewchiefs und des Marc VDS Teams profitieren?
Nicht so wirklich. Ich wusste zwar vom Team in der Theorie, wie ich dieses Motorrad fahren muss. Aber das war alles sehr theoretisch. Ich musste selbst raufsteigen und anfangen zu arbeiten. Das hat sich nun eingependelt und jetzt müssen wir alle im Team zusammenwachsen um besser und schneller zu werden.

Wie wohl fühlst du dich bereits in deinem neuen Team?
Das ganze Team agiert auf sehr hohem Niveau. Das habe ich schon im ersten Moment gespürt, als ich mit Krücken in Valencia zum ersten Mal an der Box von Marc VDS aufgetaucht bin. Dieser Eindruck hat sich im Zuge der Wintertests bestätigt, auch wenn wir uns noch alle ein wenig aufeinander einarbeiten müssen. Denn neben mir und Gilles sind auch noch ein Mechaniker und ein Mann für das Mapping neu im Team. Die Zusammenarbeit funktioniert aber schon ganz gut.

2018 haben einige Piloten den Sprung aus der Moto2 in die MotoGP geschafft. Du fährst im Kampf um den Titel des "Rookie des Jahres" nun gegen die viele der Leute, gegen die du schon jahrelang an der Spitze der Moto2 gekämpft hast. Wie stark schätzt du deine Gegner ein?
Nakagami war bei den Tests erstaunlich schnell und hat einen super Job gemacht. Er dürfte auf diesem Motorrad aber schon einiges mehr an Erfahrung haben als ich oder Franco Morbidelli. Für mich ist Nakagami eine gute Referenz, weil ich daran sehe, was in der MotoGP als Rookie mit diesem Bike möglich ist. Noch besser kann ich mich natürlich an Morbidelli orientieren, denn wir legen im Team alle Daten offen und haben daher auch vollen Zugriff auf die Daten des jeweils anderen. Davon profitieren wir im Endeffekt beide. Bei den ersten Tests musste ich mich aber ohnehin nur auf mich konzentrieren - da gab es kein nach links oder rechts schauen.

In der Moto2 war immer klar: Tom Lüthi hat das Potenzial zu siegen und kann - so alles glatt läuft - auch um den WM-Titel kämpfen. In der MotoGP wirst du nicht um Podestplätze kämpfen. Verändert das deine grundsätzliche Einstellung zum Rennsport?
Klar ist: Ich muss meine Ziele runterschrauben und an die aktuellen Voraussetzungen anpassen. Ich werde hier nicht um Siege fahren und darauf muss ich mich mental einstellen und meine Vorstellungen entsprechend anpassen.

Bist du nach deiner überstandenen Verletzung wieder hundertprozentig fit?
Körperlich fühle ich mich zu einhundert Prozent fit. Trotz der Verletzung in der Reha-Phase zu Winterbeginn konnte ich viel an mir arbeiten.

Du hast zwei Schrauben im Knöchel. Droht dir deswegen eine zweite Operation, im Zuge derer die Schrauben entfernt werden müssen?
Es ist geplant, die Schrauben drin zu behalten. Wenn sie im Fuß nicht stören - und aktuell sieht es gut aus - dann gibt es keinen Grund für einen Eingriff. So lange ich die nötige Bewegungsfreiheit habe, müssen die Schrauben nicht raus.


Ein ausführliches Interview mit Tom Lüthi über seine Wintertests und die Erwartungen für seine erste MotoGP-Saison gibt es in der kommenden Print-Ausgabe unseres Motorsport-Magazin.