Die MotoGP begibt sich nach Fernost. Für Marc Marquez, Andrea Dovizioso und Maverick Vinales geht es an den kommenden drei Wochen in Motegi, Phillip Island und Sepang um die mögliche Entscheidung im Titelkampf. Drei Sonntage, drei Rennen: Wer hat die besten Karten im MotoGP-Poker? Indizien-Suche im WM-Check:

Marc Marquez: Der Favorit

Die Formkurve: Seit der Sommerpause hat kein MotoGP-Fahrer mehr WM-Punkte geholt als Marc Marquez. Mit satten 95 Zählern in den letzten fünf Rennen baute er seinen Vorsprung von 5 auf 16 Punkte aus, zuletzt gewann er zwei Rennen in Folge. Der technisch bedingte Ausfall in Silverstone machte Marquez einen Strich durch die Rechnung und war das einzige der letzten acht Rennen, in denen er es nicht auf das Podest schaffte.

Das Motorrad: Einen Motor musste Honda nach Silverstone aus dem Kontingent bereits verabschieden. Marquez steht in den letzten vier Rennen somit nur noch ein komplett unbenutztes Aggregat zur Verfügung. Ein zweiter Motor ist aber ebenfalls noch rennfrei: Die Nummer 6 aus Hondas Kontingent kam bislang nur in den Trainings in Aragon sowie in den Trainings und im Qualifying von Misano zum Einsatz. Die davor eingesetzten Motoren haben jeweils schon dreieinhalb Rennen auf dem Buckel.

Die Historie: Die Fernost-Tour zählt traditionell nicht zu den Stärken von Marquez. In den vergangenen sechs Jahren, schreib er stets eine Null in einem der drei GP-Events an. Vor allem Phillip Island ist so etwas wie die Schicksalsstrecke des Katalanen: Bei vier Starts in der MotoGP-Klasse stürzte er zweimal, wurde einmal disqualifiziert. Einzig 2015 siegte er. Motegi hingegen scheint ihm zu liegen: In den vergangenen sieben Jahren belegte er jeweils dreimal den 1. und den 2. Platz. Zudem krönte er sich 2014 und 2016 vorzeitig auf dem japanischen Kurs zum Weltmeister. Das kann diesmal mit Sicherheit nicht passieren.

Andrea Dovizioso: Der Verfolger

Die Formkurve: Andrea Dovizioso ist wieder zum Höchstmaß an Konstanz geworden. Seit seinem Ausfall in Argentinien sah er zwölfmal in Folge die Zielflagge. In der MotoGP kommt aktuell nur Johann Zarco (13) auf bessere Serie. Im Unterschied zum Franzosen lag "Desmo-Dovi" dabei aber jedes Mal in den Top-8. Seit der Sommerpause feierte er Siege in Spielberg und Silverstone und ein Podest in Misano. Allerdings belegte er in Brünn und Aragon nur die Plätze 6 und 7. Bislang schaffte es Dovizioso nicht, auch an schlechten Tagen um das Podest zu kämpfen.

Das Motorrad: Von Defekten blieb Dovizioso bislang verschont. Ducati musste von der aktuellen Motoren-Generation zwar schon zwei Einheiten aus dem Kontingent zurückziehen, doch die Defekte betrafen Jorge Lorenzo und Danilo Petrucci. Für Dovizioso hingegen öffnete Ducati erst im 3. Training von Aragon den vorletzten Motor, der dann auch im Rennen seinen ersten Einsatz hatte. Aggregat Nr. 7 ist bislang noch unberührt.

Die Historie: Seit er für Ducati fährt, fiel er bei insgesamt zwölf Rennen der Fernost-Tour nur ein einziges Mal aus (Sepang 2015). Vor allem die Performance aus dem Vorjahr dürfte Dovizioso Hoffnung geben: Mit Platz zwei in Japan, P4 in Australien und dem Sieg in Malaysia verbuchte der Italiener 2016 die höchste Punkteausbeute aller MotoGP-Fahrer im Fernen Osten. Gelingt ihm das erneut, hält Dovizioso seine Chancen bis zum Finale in Valencia offen.

Maverick Vinales: Der Außenseiter

Die Formkurve: Seit der Sommerpause fährt Maverick Vinales in der MotoGP meist nur um Schadensbegrenzung. Nach neun Rennen nur fünf Punkte zurück, steht er nun mit 28 Zählern Rückstand auf Marquez in Fernost unter Zugzwang. Holt er in den kommenden drei Rennen nicht mindestens drei Punkte auf den WM-Leader auf, lösen sich seine Titelchancen schon vor dem Finale in Valencia in Luft auf. Die aktuelle Leistungskurve spricht nicht für Vinales: In den fünf Rennen seit der Sommerpause lag er zwar immer in den Top-6, davon war allerdings nur zweimal auf dem Podest. Sein letzter Sieg liegt bereits zehn Rennen zurück.

Das Motorrad: Vinales' Yamaha blieb von Totalschäden des Motors bislang zwar verschont, doch das jüngste seiner sechs bisher verwendeten Aggregate hat bereits zwei volle Renndistanzen auf dem Kasten. Das Vorgängermodell steht bei zweieinhalb Rennen, der davor eingesetzt Motor sogar bei viereinhalb. Wie Dovizioso und Marquez hat Vinales noch einen jungfräulichen Motor in der Box. Ein grüner Zweig beim Chassis wurde immer noch nicht gefunden, vor allem bei Regen fühlt sich Vinales auf dem aktuellen Rahmen nicht hundertprozentig wohl.

Die Historie: Im Vorjahr konnte Vinales auf der Fernost-Tour auf seiner Suzuki ganz vorne mitmischen. Dritte Plätze in Motegi und Phillip Island und P6 in Sepang waren die stattliche Ausbeute. Schon zuvor erwies sich der Katalane als starker MotoGP-Tourist: 2014 schrammte er in den drei Moto2-Rennen mit 70 Punkten nur knapp am Maximum vorbei, aus der kleinsten Klasse hat er einen Sieg und drei zweite Plätze binnen drei Jahren auf dem Konto.

Rossi & Pedrosa: Die letzte Chance

Valentino Rossi und Dani Pedrosa werden im Laufe der kommenden Wochen wohl ihre Titelchancen begraben müssen. Mathematisch sind die beiden MotoGP-Routiniers noch im Rennen, wenn auch mit 54 (Pedrosa) bzw. 56 (Rossi) Punkten Rückstand. In Motegi sollten beide ihre theoretischen Chancen noch am Leben halten.

Denn nur wenn Marquez seinem Teamkollegen Pedrosa 21 Punkte in Japan abnimmt, ist dieser aus dem Titelrennen. Dabei hat Pedrosa mit drei Siegen in seinen letzten vier Versuchen in Motegi eine eindrucksvolle Bilanz. Schon P11 würde seine WM-Chancen zumindest mathematisch am Leben halten.

Valentino Rossi darf in Motegi maximal 18 Punkte auf Marquez verlieren, womit Platz 9 in jedem Fall reicht. Auf eine allzu große Aufholjagd in der WM sollten Rossis Fans in Japan nicht hoffen. Erstens ist der MotoGP-Großmeister nach seinem Beinbruch noch angeschlagen, zweitens hat er in Motegi seit 2008 nicht mehr gewonnen.