Die MotoGP hat in Silverstone am Freitag zum ersten Mal ein mögliches neues Format für den Motorrad-Wechsel während der Rennen erprobt. Dieser neue Modus könnte künftig bei Flag-to-Flag-Rennen angewendet werden, nachdem es zuletzt beim Rennen in Brünn zu mehreren gefährlichen Situationen gekommen war. Nach Ende des 2. Trainings zum Großbritannien-GP konnten sich Valentino Rossi, Marc Marquez und Co. zum ersten Mal ein Bild davon machen.

Wie sieht das neue Wechsel-Format aus?

Jeder MotoGP-Fahrer bekommt seinen eigenen Lollipop-Mann verpasst. Dieser ist künftig dafür zuständig, dass ein Fahrer bei der Ausfahrt mit dem neuen Motorrad nicht die Linie eines Kontrahenten kreuzt, der gerade seine Box anfährt. So eine Situation führte in Brünn zuletzt zu einem Unfall zwischen Aleix Espargaro und Andrea Iannone.

So könnte der Motorrad-Wechsel künftig aussehen:

Aber auch bei der Einfahrt zum Wechsel gibt es Neuerungen: Jeder Fahrer hat nur einen gewissen Bereich, innerhalb dessen er in eine Box einschwenken darf. Zudem stehen die beiden Motorräder künftig im rechten Winkel zueinander. Abgestellt wird im 45-Grad-Winkel zur Box, wo das Zweit-Bike bereits ebenfalls im 45-Grad auf den Fahrer zur Abfahrt wartet.

Was ist im Vergleich zum alten System anders?

Bislang gab es unter Flag-to-Flag-Bedingungen kaum Regeln. Das zweite Motorrad stand parallel zur Pitlane vor der Box, sodass möglichst schnell abgefahren werden konnte. Marc Marquez hatte in einigen Sessions sogar den Bike-Tausch durch einen direkten Sprung von einem Sattel in den anderen geübt - um so wenig Zeit wie möglich zu verlieren. Durch die neue Motorrad-Stellung ist ein Absteigen unumgänglich.

Die bisherige Parallel-Stellung sorgte dafür, dass die Fahrer von hinten herankommende Motorräder nur dann sehen konnten, wenn sie sich umdrehten. Zudem gab es niemanden, der dem Piloten einen von hinten heranrasenden Konkurrenten signalisierte. Das ändert sich nun durch den Lollipopmann. Die dritte Änderung betrifft die Einfahrtsschneisen, denn bislang konnte man bei der Anfahrt zur Box einen beliebigen Winkel wählen und auch andere Boxen kreuzen. Das ist nun nicht mehr möglich.

Ist das neue System bereits beschlossene Sache?

Nein, der Test nach dem 2. Training in Silverstone war ein erster Versuch. Gemeinsam mit den beiden Sicherheitsberatern Franco Uncini und Loris Capirossi werden die Fahrer in der Safety Commission am Freitagabend über eine Einführung diskutieren. Spricht sich ein Großteil der MotoGP-Asse dafür aus, so könnte die GP-Kommission eine Abänderung des Sportlichen Reglements beschließen und den neuen Paragrafen aufnehmen. Erst dann wäre das Prozedere künftig Vorschrift. Die GP-Kommission hat sich in der Vergangenheit als rasch entscheidendes Gremium etabliert, sodass die Änderungen schon in Misano gelten könnten.

Was sagen die Fahrer dazu?

Nach dem ersten Test fielen die Reaktionen im Fahrerlager gemischt aus. Jonas Folger bezeichnete die neue Regelung als "vernünftige Lösung", während Valentino Rossi meinte: "Falls das eingeführt wurde, um so etwas wie zwischen Iannone und Espagaro (in Brünn) zu verhindern, dann ändert die neue Reglung daran gar nichts. Ich sehe die anderen Bikes noch immer nicht, daher löst das unser Problem nicht."

Andrea Dovizioso konnte Teilen des neuen Systems etwas abgewinnen: "Der Einfahrtskorridor, das Umsteigen selbst und die Ausfahrt aus der Box sind nun sicherer. Aber keineswegs sicherer ist es, dass wir nun direkt auf die Box zu bremsen. Meistens kommt man unter Flag to Flag mit Slicks rein und muss dann mit Karbon auf nassem Asphalt bremsen. Das ist wohl nicht sicherer."