Das MotoGP-Transferkarussell nimmt im Spätsommer noch einmal Fahrt auf. Das vorzeitige Aus von Sam Lowes bei Aprilia setzte eine Fahrer-Rochade in Gang, die plötzlich auch zwei heimische Piloten (zurück) in die MotoGP befördern könnte. Lowes wurde durch Scott Redding ersetzt, dessen Platz bei Pramac Ducati 2018 Jack Miller bekommt. Dessen Honda bei Marc VDS könnte entweder an den Schweizer Tom Lüthi gehen oder an den Deutschen Stefan Bradl. Das Transfergeflüster der vergangenen Tage kompakt:

Kandidat 1: Stefan Bradl

Eigentlich sollte er für Servus TV ja nur als Experte beim Heimrennen des österreichischen Fernsehsenders arbeiten. Doch dann wurde er selbst zum Mittelpunkt von unzähligen Interviews. Der Grund: Bradl spricht mit Marc VDS über eine Rückkehr in die MotoGP. Im Gespräch mit Motorsport-Magazin.com sagte er am Donnerstag: "Interesse an der MotoGP ist von meiner Seite aus natürlich vorhanden und die Möglichkeit zu einem Wechsel besteht. Es liegt aber noch absolut kein konkretes Angebot auf dem Tisch." Denn noch hat der belgische Rennstall die Kandidaten nicht vorselektiert.

Bradl hat im Vorjahr zwar für zwei Jahre in der Superbike-WM unterschrieben, doch wurde der Vertrag nicht mit seinem WSBK-Rennstall geschlossen, sondern mit Honda Motor Europe. Für den Euro-Ableger des japanischen Konzerns ist Bradl seit jeher das Zugpferd für den deutschen Absatzmarkt. Will man Bradl wieder in die MotoGP verhelfen, müsste nicht einmal der Vertrag gebrochen werden. Die Unterstützung von Honda Europe könnte Bradls entscheidende Trumpfkarte im Poker sein. Denn Jack Miller war in den vergangenen beiden Jahren eine kostenlose Leihgabe für Marc VDS von HRC. Den zweiten Fahrer muss man - da HRC ab 2018 Crutchlow unter Vertrag hat, der aber für LCR fährt - in der kommenden Saison selber finanzieren. Außer Honda Motor Europe übernimmt die Kosten.

Kandidat 2: Tom Lüthi

Marc VDS nagt dank der Millionen des Teambesitzers Marc Van der Straten nicht unbedingt am Hungertuch. Daher ist finanzielle Mitgift oder prominente Unterstützung aus dem Hintergrund kein Muss, um in dem belgischen MotoGP-Team unterzukommen. Daher unterhält man sich auch mit Tom Lüthi, wie am Rennwochenende in Spielberg durchsickerte.

Der Schweizer ist in der Form seines Lebens und steht nach den ersten elf Moto2-Rennen bereits bei neun Podestplätzen. Das ist mehr als in den vollen 16 Rennen seines Titelgewinn-Jahres 2005 und somit neuer persönlicher Rekord. Obwohl er Anfang September bereits 31 Jahre alt wird, gehört Lüthi damit zu den attraktivsten Aktien der Moto2. Im Vorjahr Vizeweltmeister, ist er auch in dieser Saison in den Titelkampf involviert. Bereits bei LCR Honda soll Lüthi im Gespräch gewesen sein, dort schied er aber wegen zu geringer Sponsorengelder aus. Nun würde sich bei Marc VDS die vielleicht letzte Gelegenheit zu einem MotoGP-Aufstieg bieten. Im Gegensatz zu Bradl hatte Lüthi bislang noch keine Chance dazu.

Kandidat 3: Mika Kallio

Schnellster KTM-Fahrer beim Heimrennen in Spielberg und mit Rang 10 das bislang zweitbeste Einzelergebnis der Österreicher eingefahren: Wildcard Mika Kallio stellte eindrucksvoll unter Beweis, dass er es noch immer drauf hat. Schon zuvor verlieh er seinen Ambitionen Audruck, zurück auf ein Stamm-Motorrad zu wollen: "Natürlich sind nicht mehr so viele Plätze verfügbar, aber es kann immer noch eine Chance kommen. Ich bin zuversichtlich, dass ich - sollte ich einen Stammplatz bekommen - gute Leistungen abliefern kann."

Deutliche Worte eines Mannes, der bei KTM eigentlich nur noch als Testfahrer vorgesehen war. Natürlich werden die Österreicher erster Ansprechpartner von Kallio sein, doch sollte man sich dort nicht einig werden, ist auch der Weg zu Marc VDS nicht weit: Der Finne fuhr zwischen 2011 und 2014 für das Team in der Moto2 und wurde in seinem letzten Jahr für die Belgier Vizeweltmeister. Mit bald 34 Jahren ist Kallio allerdings noch älter als Lüthi.

Kandidat 4: Sam Lowes

Bei Sam Lowes schien vertraglich eigentlich alles in Ordnung: Schon vor zwei Jahren hatte er seinen Kontrakt bei Aprilia bis Ende 2018 in der Tasche. Doch in Spielberg zogen die Italiener die Reißleine und werden sich des sturzanfälligen Briten mit Saisonende entledigen. Das wirft den Rookie zurück auf die Straße und somit automatisch in das Rennen um den freien Platz bei Marc VDS.

Manager Roger Burnett macht keinen Hehl aus den Ambitionen: "Marc VDS hat für uns Priorität, denn uns gefällt, wie Michael Bartholemy dieses Team führt. Es vereint familiäre Atmosphäre mit nordeuropäischer Struktur", schmiert der Berater dem belgischen Rennstall Honig ums Maul. Als aktueller MotoGP-Fahrer hat Lowes gegenüber seinen Mitstreitern einen Vorteil. Allerdings ist der Brite jener Fahrer, der am häufigsten stürzt. Mit einer Verpflichtung von Lowes' kommen also zusätzliche Materialkosten auf Marc VDS zu.

Kandidat 5: Tito Rabat

Miller ist weg, Morbidelli kommt. Indirekt geht es somit also eigentlich um das Motorrad von Tito Rabat, oder nicht? Nur bedingt, denn der 28-jährige Katalane galt schon vor der Verpflichtung von Morbidelli und somit weit vor dem Abgang von Miller als Transferkandidat. Zwei Top-10-Plätze in eineinhalb Jahren MotoGP (keiner davon 2017) sind einfach zu wenig. Rabat selbst soll daher schon mit dem spanischen Avintia-Rennstall über ein Engagement für 2018 sprechen. Es ist zwar unrealistisch, dass Rabat bei Marc VDS bleibt, aber nicht ausgeschlossen.