Sie waren der Zankapfel der MotoGP vor dem Saisonstart 2017: Die neuen Verkleidungen von Honda, Yamaha, Ducati, Suzuki und Aprilia mit den innenliegenden Winglets. Damit versuchte man das Verbot der abstehenden Flügel zu umgehen. Am Ende war all die Aufregung nahezu umsonst, denn letztlich startete nur Suzuki beim ersten Rennen in Katar mit seiner neuen Wingletverkleidung. Medienberichten zufolge sollen Honda und Ducati ihre Lösungen gar nicht erst homologiert haben.

Dabei war es besonders die radikale Lösung von Ducati, die vor Saisonstart für hochgezogene Augenbrauen und Ärger bei der Konkurrenz sorgte. Doch die Verkleidung wurde vom Technischen MotoGP-Direktor Danny Aldridge abgesegnet - andernfalls wären die neuen Winglets niemals zum Einsatz gekommen, auch beim Katar-Test nicht. Welche Vor- und Nachteile bringen die neuen Varianten also? Motorsport-Magazin.com hat in dieser Hinsicht die Ohren gespitzt.

Neue Wingletverkleidungen in der MotoGP: Die Vorteile

Beim Herausbeschleunigen aus Kurven helfen die Flügel, Foto: Repsol Honda
Beim Herausbeschleunigen aus Kurven helfen die Flügel, Foto: Repsol Honda

Bessere Wheelie-Kontrolle: Gerade am Kurvenausgang macht sich der zusätzlich Abtrieb, den die Flügel erzeugen, bemerkbar. Der Anpressdruck hält die Front des Bikes beim Herausbeschleunigen am Boden, sodass die Piloten früher und härter ans Gas gehen können. "Es ist immer gut, wenn wir etwas Downforce produzieren können, um am Kurvenausgang ein bisschen mehr Power verwenden zu können", erklärte Aprilia-Pilot Aleix Espargaro während der Testfahrten auf Phillip Island. Damals rückte Aprilia erstmals mit seiner Winglet-Verkleidung aus.

Renndistanz ist leichter zu bewältigen: Der zusätzliche Abtrieb macht es den Piloten aber auch über die Renndistanz gesehen einfacher beim Kampf mit ihrer Maschine. Dadurch liegt das Bike nämlich ruhiger auf die Straße, wodurch der physische Stress beim Fahren eines MotoGP-Motorrads nicht ganz so hoch ist. Gerade deshalb führte man bei Ducati die Winglets vor gut zwei Jahren ein. "Das Bike ist immer noch zu schwierig zu fahren bei einer vollen Renndistanz. Wir können zwar schnell sein, aber es ist schwer, mit der ganzen Bewegung im Bike zurechtzukommen", führte Andrea Dovizioso beim Katar-Test aus.

Neue Wingletverkleidungen in der MotoGP: Die Nachteile

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Mehr Luftwiderstand: Im Gegenzug gibt es auch Nachteile der Flügelchen. Der offensichtlichste: Mehr Luftwiderstand und ergo weniger Top-Speed. Gerade bei einer radikalen Lösung wie an der Ducati ist der Verlust groß. Beim Katar-Test soll man damit zehn km/h eingebüßt haben, somit hätte die größte Trumpfkarte der Desmosedici der Vergangenheit angehört. Denn in der Top-Speed-Liste vom Katar-GP wären Jorge Lorenzo und Andrea Dovizioso mit zehn km/h weniger Höchstgeschwindigkeit nicht auf den Plätzen zwei und drei, sondern 20 und 21 gelandet.

Top-Speed-Vergleich zwischen den MotoGP-Werken in Katar:

WerkFP1FP2FP3WUPRennenFahrer
Ducati343,8349,6348,7344,6347,2Bautista
Yamaha339,6344,8342,6337,9338,3Zarco
Aprilia332,2339,9344,8336,5336,9A. Espargaro
Honda337,7343,2344,0337,9339,9Pedrosa
KTM334,8342,7340,1335,5333,3P. Espargaro
Suzuki334,9341,7341,3334,3336,1Rins

Erschwerte Richtungswechsel: Der zweite Nachteil der Wingletverkleidungen besteht darin, dass es die Fahrer bei Richtungswechseln schwerer haben. Der Anpressdruck presst die Front des Motorrads stärker auf den Boden, weshalb beim Umlegen mehr Kraft aufgewendet werden muss. Gerade auf einer Strecke wie Phillip Island wirkt sich das negativ aus, ist Aleix Espargaro aufgefallen: "Das Gefühl war ein bisschen komisch, weil die Strecke sehr speziell ist. Sie hat viele Richtungswechsel bei hoher Geschwindigkeit, was das Bike etwas anstrengender macht."

Fazit: Negative Aspekte überwiegen noch

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Das Rennwochenende in Katar hat gezeigt, dass die Neuentwicklungen der MotoGP-Werke größtenteils noch in den Kinderschuhen stecken und daher die Nachteile die Vorteile überwiegen. Gerade auf dem Losail International Circuit wiegen der geringere Top-Speed wegen der langen Start-Ziel-Geraden und das schwierigere Handling wegen der kurvigen Sektoren drei und vier besonders schwer. Lediglich Suzuki hat die Neuerung beim ersten Rennen eingesetzt.

Doch hinter den Kulissen schreitet die Entwicklung weiter voran. Die Werke haben noch etwas von ihrem privaten Testkontingent übrig, zudem ist ja ein Verkleidungsupdate pro Saison erlaubt. Ducati testet beispielsweise bis Donnerstag mit Lorenzo, Dovizioso und Michele Pirro in Jerez und kann so weitere Daten mit der Hammerhai-Front sammeln. Früher oder später werden also wohl alle Hersteller die Wingletverkleidungen bringen.