Es wird langsam zur unendlichen Geschichte der MotoGP. Gemeint sind natürlich die ewigen Diskussionen um die Winglet-Entwicklung. Eigentlich dachte man ja, mit den neuen Regeln hätte das Problem aus der Welt geschafft. Tatsächlich hat sich die Thematik allerdings nur verlagert. Nicht mehr erlaubt sind zwar Teile, die aus der Verkleidung herausragen. Doch im Inneren der Verkleidung genießen die Hersteller weiterhin Entwicklungsfreiheit.

Das führte fast zwangsläufig dazu, dass sich alle Hersteller - mit Ausnahme von Neueinsteiger KTM - Verkleidungslösungen mit innenliegenden Winglets ausdachten. Mit deutlichem Abstand am radikalsten setzte diese Vorgaben erwartungsgemäß Ducati um. Und zog mit seiner Hammerhai-Verkleidung nicht nur gespannte Blicke auf sich, sondern sich auch den Unmut der Konkurrenz zu.

Aprilia-Boss sauer: Ducati-Lösung nicht im Sinne des Reglements

Aprilia präsentierte in Australien eine konventionelle Lösung, Foto: Aprilia
Aprilia präsentierte in Australien eine konventionelle Lösung, Foto: Aprilia

"Wenn solche Dinge wie die Ducati im Rahmen des Erlaubten liegen, dann gut. Dann wissen wir, dass wir so weit oder vielleicht sogar noch weiter gehen können", giftete Aprilias Rennleiter Romano Albesiano im Gespräch mit Crash.net. Der Italiener fühlt sich durch Ducatis Auslegung der neuen Winglet-Regeln offenbar hinters Licht geführt - denn im Gegensatz zu Ducati entspricht die Aprilia-Lösung auch dem vielzitierten Geist des Reglements.

"Ehrlich gesagt, wollten wir die fairste Regelauslegung bringen. Gedacht war es, eine 'Standard-Verkleidung' zu haben, und innerhalb dieser 'Standard-Verkleidung' können wir etwas machen, um mehr Abtrieb zu generieren", erläutert Albesiano. Damit steht der Aprilia-Boss jedoch nicht allein da, denn auch die Lösungen von Yamaha, Suzuki und Honda wirken allesamt relativ konventionell. Neuling KTM verzichtet vorerst darauf, eine entsprechende Verkleidung zu bringen.

Entwicklungsrennen verschlingt Millionen

Eine Entwicklung, die wieder dafür prädestiniert scheint, um Millionen an Entwicklungskosten zu verschlingen. Hersteller suchen ja bekanntlich immer nach Schlupflöchern im Reglement, um durch sündhaft teure Neuentwicklungen ihren eigenen Vorteil zu maximieren. So war es auch schon auf dem Feld "Elektronik und Software", bis 2016 eine neue Einheits-ECU eingeführt wurde. Doch Albesiano glaubt nicht, dass die außenliegenden Winglets aus Kostengründen verbannt wurden.

Selber hätte man sogar einen eigenen Lösungsvorschlag für die Winglet-Diskussion unterbreitet - ohne Ergebnis: "Der springende Punkt war ja die Sicherheit. Aber man hätte auch anders an die Sache rangehen können, zum Beispiel über Form-Vorgaben für die Winglets. Das wäre doch wesentlich einfacher gewesen. Wir haben diesen Vorschlag gebracht, aber nein. Jetzt haben wir diese lustige Situation, und das wird teuer werden."

Das Winglet-Rennen im Rückspiegel

Ducati fuhr schon 2010 mal mit Winglets, Foto: Bridgestone
Ducati fuhr schon 2010 mal mit Winglets, Foto: Bridgestone

Teuer, aber keinesfalls neu ist die Entwicklung von Flügeln an Motorrädern. Die älteren Fans mögen sich erinnern: Schon zu Zweitakt-Zeiten schraubten Hersteller kleine Flügel an ihre Motorräder, um den Abtrieb zu erhöhen. 1999 montierte Yamaha an die YZR 500 von Max Biaggi und Carlos Checa kleine Auswüchse, die als Flügel dienten. Ducati griff die Entwicklung 2010/2011 auf und experimtierte ebenfalls mit Flügen. Richtig Fahrt nahm die Winglet-Entwicklung aber erst 2015 auf.

Damals entwickelte Gigi Dall'Igna für die Ducati verschiedene Winglet-Konfigurationen. Die kleinen Flügelchen wurden so zu einem elementaren Bestandteil der roten Göttin. Bald erkannte die Konkurrenz das Potenzial der ausgeklügelten Flügelprofile. Bis zum Europa-Start 2016 in Jerez zogen Yamaha, Honda, Suzuki und Aprilia nach - ein teures Entwicklungsrennen begann. Ein Entwicklungsrennen, das die Organisatoren durch die neuen Regeln dem Garaus machen wollten - doch weit gefehlt.