Was ist nur in der Moto2 los? Auf einmal kann Tom Lüthi noch Weltmeister werden. Zwar ein sehr hypothetisches Szenario, aber anscheinend ist in der mittleren Kategorie im Moment nichts unmöglich!

Was auch an dem seltsamen Saisonverlauf der zukünftigen MotoGP-Fahrer liegt. Nach seinem Horror-Abflug im Training von Brünn hätte Tom Lüthi sicherlich nicht daran gedacht, dass er zwei Rennen vor Schluss auf einmal Zweiter in der Weltmeisterschaft ist. Was hauptsächlich daran liegt, dass wir trotz der Verletzung aus Tschechien im Moment den wohl besten Tom Lüthi seiner Moto2-Karriere sehen.

Aber es liegt eben auch an den Achterbahnfahrten seiner Rivalen. Hauptsächlich jene Herrschaften, die nächstes Jahr mit mehr als doppelt so viel Leistung in der Königsklasse klar kommen müssen, geben von den Resultaten her echte Rätsel auf. Macht die MotoGP sie jetzt schon nervös? Reichen die gezeigten Leistungen von Joans Folger, Alex Rins, Sam Lowes und Johann Zarco tatsächlich aus, um in Zukunft eine gute Rolle in der MotoGP zu spielen?

Seit der Unterschrift läuft etwas schief

Es kommen gerade Zweifel an diesem Plan auf. Bei Jonas Folger ist es nach starkem Saisonbeginn eigentlich schon seit dem Moment der Vertragsunterschrift bei Tech3 (am Donnerstag von Le Mans) ein merkwürdiges Auf und Ab. Nur noch wenn es nass ist, kann er seine Klasse zeigen und wirkt tatsächlich wie ein zukünftiger MotoGP-Fahrer mit Perspektive.

Schon in Le Mans, also direkt nach der Unterschrift für seinen Lebenstraum, folgte ein Sturzfestival in den Trainings. Im Rennen ebenso. Seitdem gab es Platz zwei am Sachsenring und den Sieg in Brünn. Beide Male war es nass. Im Trockenen dagegen die Plätze 15, 7, 10, 26, 5, 8, 10 und 6. Plus ein Sturz in Motegi. Da läuft gewaltig was schief!

Denn mit einer halbwegs normalen Performance müsste Folger nicht nur auf WM-Platz sieben stehen, sondern mit Lüthi und Zarco um den Titel kämpfen. Es liegt also, wie fast immer beim deutschen Supertalent, an der Konstanz. Aber dafür muss es Gründe geben. Also bitte nicht einfach zur MotoGP-Tagesordnung übergehen, sondern versuchen zu ergründen, warum 2016 wesentlich mehr hätte drin sein müssen, als am Ende raus kam.

Nicht wenige im Fahrerlager sind der Meinung, dass ein weiteres Moto2-Jahr dem Bayern gut getan hätte. Mit 23 Jahren bestand eigentlich auch kein Grund zur Eile beim Wechsel. Fakt ist, dass Jonas Folger nach zwei Podestplätzen in den ersten vier Rennen auch Glück hatte, dass Herve Poncharal schnell einen neuen MotoGP-Fahrer brauchte. Fraglich, ob diese Beförderung mit dem Wissen um die weitere Leistungskurve 2016 ebenfalls stattgefunden hätte.

In Brünn holte Folger seinen einzigen Saisonsieg, Foto: Dynavolt Intact GP
In Brünn holte Folger seinen einzigen Saisonsieg, Foto: Dynavolt Intact GP

Auch Zarco aktuell nicht weltmeisterlich

In der MotoGP weht ein anderer Wind. Vor allem als Rookie in einem französischem Team mit einem französischen Weltmeister als Teamkollegen. Denn Weltmeister sollte Johann Zarco zum zweiten Mal werden. 22 Punkte Vorsprung sollten doch wohl reichen. Aber sag niemals nie: Auch Zarcos zweite Saisonhälfte ist weit von weltmeisterlicher Konstanz entfernt. Seit seinem Sieg am Red Bull Ring gab es die Plätze 11, 22, 4, 8, 2 und zuletzt einen merkwürdigen Auftritt mit Platz 12 auf Phillip Island. Sehr merkwürdig, gerade für Johann Zarco. Denn eigentlich war der Franzose Mitte der Saison schon durch.

Vielleicht ist das Beste an der Schule der Moto2, dass diese Saison mit der unglaublichen Leistungsdichte extrem gut zeigt, dass Schwächen sofort bestraft werden. In der MotoGP noch deutlich härter. Dass Zarco allerdings verdient in die MotoGP aufrückt, steht außer Zweifel. Diese bestehen allerdings an Suzukis Entscheidung, zunächst Zarco unter Vertrag zu nehmen, ihn dann aber finanziell zu entschädigen um Iannone und Rins zu verpflichten. Womit wir beim nächsten Sorgenkind wären.

Denn auch Alex Rins zeigt extrem seltsame Form- und Performance-Schwankungen. Und zwar ähnlich wie bei Jonas Folger seit Vertragsunterschrift für die Königsklasse. Statt einen amtlichen Angriff auf den Franzosen zu starten, hat er zuletzt sogar Platz zwei in der WM an Tom Lüthi verloren. Die Plätze 7, 2, 6, 20 und ein Sturz sind seine letzten Resultate. Weit davon entfernt, so zu glänzen wie sein Vorgänger bei Pons Racing und bei Suzuki.

Maverick Vinales ist mit Konstanz und Speed durch die Moto2 gerast. Und zeigt ja bekanntlich nun, was in der MotoGP möglich ist, wenn man in der Moto2 in der Lage war zu glänzen. Von solch einem Level ist aber auch der vierte der nächstjährigen Aufsteiger weit entfernt: Sam Lowes. Der Brite und die Anziehungskraft der Rennpisten - das war schon immer eine besondere Geschichte. Daran hat sich in dieser Saison nichts geändert.

Sorgenkind Sam Lowes

Fünf Nuller stehen allein seit dem Sachsenring auf dem Konto des Briten. Trainingsstürze kommen da noch hinzu. Aber eben auch Siege, wie zuletzt in Aragon, als er Kreise um die Konkurrenz fuhr. Dann aber wieder zwei Rennstürze in Japan und Australien. Statt Titelduell, extrem hohe Materialkosten und Glück, sich dabei nicht zu verletzen. Hoffentlich ändert der Brite schnell seinen Stil, denn nicht wenige haben Angst um ihn bei dem Gedanken, wie sich solch eine Sturzhäufigkeit auf einem MotoGP-Bike auswirken könnte.

Trotzdem wünschen wir natürlich allen vier Aufsteigern viel Glück in der MotoGP. Auch wenn diesmal kein Überflieger wie Vinales, bei dem klar war, dass er in der MotoGP bestehen wird, dabei ist. Auch wenn es nicht im Detail ergründbar ist, merkwürdig sind die Leistungsdellen der vier zukünftigen MotoGP-Rookies auf jeden Fall. Und wer weiß, was noch alles passiert. Denn jetzt kommt mit Sepang eine von Tom Lüthis Lieblingsstrecken. Nicht dass am Ende noch einer Moto2-Weltmeister wird, den in der MotoGP aus Altersgründen keiner haben wollte.

Und vielleicht sollte man den MotoGP-Jugendwahn mal überdenken. Wenn Tom Lüthi weiter so grandios fährt wie zuletzt, hätte er es durchaus auch verdient, MotoGP fahren zu dürfen. Aber sag niemals nie. Nicht in der Moto2 2016. Malaysia wird Antworten bringen. Vor ausverkauftem Haus und vollen Tribünen. Und dass das mal passiert, hätte vor einigen Jahren auch keiner geglaubt.