Nachdem unser einziger Deutscher MotoGP-Fahrer freiwillig in die zweite Liga, die Superbike-WM, wechselt, stehen die in der MotoGP- Szene verbliebenen deutschen Fahrer im nächsten Jahr auf dem Prüfstand. Und zwar so wie noch nie. Denn sie müssen es jetzt richten. Der Welpenschutz ist für Folger, Schrötter, Öttl und für Cortese sowieso endgültig vorbei. Denn Nachfolger in der WM-Szene wird es in den nächsten Jahren erst mal nicht geben. Wo soll der Nachwuchs auch herkommen?

Gefährliche Entwicklung in MotoGP-Deutschland

Die Situation ist gefährlich. Und erinnert fast an die bitteren Jahre, als Alex Hofmann und Steve Jenkner als einzige Deutsche Permanentstarter dem Feld hinterher fuhren. Die vier Deutschen, die jetzt noch auf WM-Level dabei sind, haben damit auch eine Verantwortung. Eine Verantwortung dem Sport gegenüber. Der ist nämlich viel zu spektakulär, um in Deutschland in der Versenkung zu verschwinden. Damit das nicht passiert, müssen Erfolge her. Um damit die Verbände, Sponsoren und Investoren aufzurütteln, um endlich mal mit einem tragfähigen Konzept, etwas für den deutschen Zweirad-Nachwuchs zu tun.

Stefan Bradl dient 2017 nicht mehr als deutsches MotoGP-Zugpferd, Foto: Aprilia
Stefan Bradl dient 2017 nicht mehr als deutsches MotoGP-Zugpferd, Foto: Aprilia

Hoffentlich erkennt auch die Industrie diese Tatsache und rettet die Deutsche Meisterschaft. Das wäre ein Anfang. Aber dann wird es noch lange dauern, bis es Nachfolger unserer momentanen Helden geben könnte. Die Kiefer-Brüder und Intact GP sind im Moment die Einzigen, die in Deutschland etwas für den Nachwuchs tun, was auch wirklich Sinn macht. Die MotoGP boomt weltweit. Nur bei uns nicht. Die Gründe dafür sind zahlreich. Aber um auf den Status Quo zurück zu kommen: Ein deutscher Zweirad-Held würde helfen. Und Talent haben unsere vier Hoffnungsträger.

Öttl und Schrötter müssen liefern

Aber, wie das Beispiel Bradl schmerzhaft verdeutlicht, Talent allein reicht nicht. Manchmal fehlt unseren Jungs der letzte Kick. Oder um Klartext zu reden: Die Geilheit aufs Fahren. Das, was ein Valentino Rossi selbst nach zwanzig Jahren im WM-Zirkus immer noch hat. Gut, Phillip Öttl hat Biss. Sonst hätte er sich nicht in der WM gehalten. Im Gegensatz zu Florian Alt ist Öttl immer noch dabei. Alt hat Öttl einst im Rookies Cup geschlagen. Für die WM hat das dann auf Dauer aber nicht gereicht. Bei Öttl schon. Immer wieder blitzt sein Können auf. Aber auch das reicht auf Dauer nicht. Konkret bedeutet das, dass jetzt der nächste Schritt erfolgen muss. Wenn nicht noch in dieser Saison, dann spätestens im Jahr 2017.

Von Philipp Öttl fordert Eddie Mielke 2017 den Sprung nach ganz vorne, Foto: Schedl GP
Von Philipp Öttl fordert Eddie Mielke 2017 den Sprung nach ganz vorne, Foto: Schedl GP

Was so auch für Marcel Schrötter gilt. Endlich auf Kalex unterwegs, bleiben die Ergebnisse aber trotzdem hinter den Erwartungen zurück. Ein gutes Rennen wie das am Red Bull Ring ist einfach zu wenig. Dass Marcel alles für seinen Sport gibt, ist bekannt. Aber vielleicht muss er an seiner Arbeitsweise etwas ändern. An seiner medialen Arbeit sowieso. Denn das gehört heutzutage auch dazu. Vielleicht würde auch mal eine Medienschulung helfen. Denn das von Natur aus gegebene Talent zum Entertainer wie ein Valentino Rossi, ist nicht jedem in die Wiege gelegt. Damit präsentiert und verkauft man sich aber. Vor den Fans und vor den Sponsoren. Dass Marcel Schrötter gut ist, ist eine Tatsache.

Cortese mit Glück 2017 nochmal bei Intact GP

Aber ich glaube, er könnte noch viel besser sein. Und auch bei ihm ist 2017 so etwas wie die letzte Chance. Bestes Material, deutsches Top Team. Besser geht es nicht. Bedeutet konkret: alles andere als konstante Podestplatzierungen wären eine Enttäuschung. Schrötter wäre jemand, der mit seinem jahrelangen Kampf gegen Windmühlen als Leitfigur den potenziellen Nachwuchs anstacheln und motivieren könnte. Ganz nach dem Motto: Seht her, geht doch. Dass es für seinen Teamkollegen Sandro Cortese auch 2017 nochmal bei Intact GP gehen darf, ist für viele eine Riesenüberraschung.

Mangels Top-Piloten: Cortese bleibt 2017 bei Dynavolt Intact GP, Foto: Dynavolt Intact GP
Mangels Top-Piloten: Cortese bleibt 2017 bei Dynavolt Intact GP, Foto: Dynavolt Intact GP

Jeder hätte es verstanden, wenn Intact GP einen anderen Fahrer verpflichtet hätte. Aber wen? Wenn man nach den Moto2-Abgängen von Zarco, Rins, Lowes und Folger die Starterliste mal durchgeht, kommt man schnell zu dem Ergebnis, dass Top-Moto2-Fahrer Mangelware sind. Und nachdem es schon mit dem ersten Sieg des Teams aus Memmingen viel zu lange gedauert hat, ist klar, dass man einmal Weltmeister werden will. Und zwar nicht erst in vier Jahren. Bedeutet auch für Sandro Cortese, dass alles auf den Prüfstand muss. Mehr Biss, mehr Arbeit auf Trainingsbikes, eine andere Einstellung zu diesem Traumjob.

Die Infrastruktur für Erfolge steht parat. Es liegt bei Marcel Schrötter und Sandro Cortese in 2017 nur an ihnen selbst. Klar war für alle deutschen Fans Jonas Folger in Brünn der Mann des Tages. Aber Sandro Cortese fuhr bis zum Sturz ebenfalls ein klasse Rennen. Endlich mal mit Aggressivität im Zweikampf, endlich mal ohne Zögern bei Überholmanövern. In diesem Stil muss es jetzt weitergehen. Denn ohne Grund ist Cortese nicht Weltmeister geworden. Das lange Zittern um die Karriere-Zukunft hat Sandro Cortese hoffentlich wach gerüttelt. 2017 wird seine letzte Chance. Und die muss er Nutzen.

Folger: In der MotoGP fängt die Arbeit erst richtig an

In der MotoGP muss Jonas Folger konstant schnell unterwegs sein, Foto: Dynavolt Intact GP
In der MotoGP muss Jonas Folger konstant schnell unterwegs sein, Foto: Dynavolt Intact GP

Am besten fängt er schon jetzt damit an. Um Selbstvertrauen für das nächste Jahr aufzubauen und um dann richtig auf zu trumpfen. In sieben noch ausstehenden Rennen kann man noch viel erreichen. Was auch für Jonas Folger gilt. Sein größtes Problem ist die Konstanz. Die wird er aber bei Tech 3 in der MotoGP gegen seinen bärenstarken Teamkollegen Johan Zarco brauchen. Und zwar bei allen Bedingungen. Denn Fakt ist: Hätte es in Brünn nicht gerechnet, hätte er dort nicht gewonnen. Auch Folger ist wie alle Deutschen noch jung genug, um seine Arbeitsweise zu überdenken. Ein Management hat er ja jetzt, wie man hört.

Übrigens eine Company, die von einigen Fahrern wie Crutchlow, Smith oder Hayden gerade wieder unzufrieden verlassen worden ist. Jonas Folger muss klar sein, dass sein Traum MotoGP gleichzeitig auch die härteste Aufgabe seiner Karriere sein wird. Wenn er sie meistert, dürfen wir uns alle freuen. Denn dann hätten wir einen Helden mit Potential. Eine Inspiration für die am Computer versauernde Jugend, es vielleicht doch einmal mit Motorradsport zu versuchen. Denn so etwas braucht MotoGP-Deutschland.

Jungs, es liegt an euch. Gebt Gas! Ihr könnt das. Und dann wird vielleicht alles gut! Vielleicht schon ab Freitag in Silverstone. Da standen nämlich schon mal drei Deutsche gemeinsam auf dem Podest. Und zwar 1985. Mang, Roth und Herweh waren damals Helden. Warum sollten unsere Jungs im Jahr 2016 so etwas nicht auch schaffen können? Noch ist es ein Traum. Es liegt an Öttl, Schrötter, Cortese und Folger, dass es keiner bleibt.