Wassertropfen und Wind peitschen gegen das Visier. Irgendwo links hängt jemand das Pitboard über die Boxenmauer. Man riskiert bei Tempo 320 einen kurzen Blick, erkennt aber nichts. Nur einen Sekundenbruchteil war die Nachricht sichtbar, ehe sich links schon wieder ein Gegner vorbeidrückte und man Kurve eins hart anbremsen muss. Die Pfütze im letzten Sektor wurde zuletzt kleiner. Sollte man schon Slicks riskieren? Oder lieber auf dem Wet bleiben? Oder gar ein Gamble mit Intermediates? Und was sollte die Crew einem auf dem Pitboard genau sagen?

Derartige Szenarien gehören 2016 zum Alltag der MotoGP, denn das Wetter meinte es mit der Motorrad-WM in den vergangenen Monaten nicht gut. Drei der letzten vier Rennen gingen auf nasser Strecke oder bei Regen über die Bühne. In Assen, am Sachsenring und zuletzt in Brünn wurden den Fans sehr unkonventionelle Rennverläufe geboten. Die teils chaotischen Bedingungen fachten Diskussionen an, ob in der MotoGP künftig mehr Konversation zwischen Fahrer und Teamführung stattfinden soll.

Die Einführung eines Funksystems scheint vorerst vom Tisch, denn der Großteil der Fahrer will beim nur wenige Sekunden dauernden Bremsvorgang von 350 auf 100 km/h oder bei Schräglagen von über 60 Grad nicht vom "Mann im Ohr" abgelenkt werden. Erst recht nicht bei schwierigen Wetterverhältnissen. Daher wird aktuell die Möglichkeit geprüft, den Fahrern Nachrichten auf das Dashboard (das kleine Display über dem Lenker) zu schicken.

Crutchlow dagegen, Rossi dafür

Cal Crutchlow - einer der großen Gewinner der Wetterlotterien der vergangenen Wochen - lehnt jegliche Hilfsmittel ab. Den Dashboard-Nachrichten kann er wegen des nicht vorhandenen Rückkanals nichts abgewinnen: "Wie soll man seiner Box auf eine Nachricht antworte? Die Jungs sitzen ja nicht selbst auf dem Motorrad, aber man kann nur dort die Verhältnisse genau einschätzen." Crutchlow geht aber davon aus, dass dieses System eingeführt wird: "Wir brauchen so etwas nicht. Aber einige Fahrer wollen es unbedingt haben und am Ende werden die ihren Willen bekommen. Sobald es erlaubt wird, muss es dann natürlich auch jeder einsetzen."

Zu den großen Befürwortern gehört Valentino Rossi, der am Sachsenring mit der eigenen Einschätzung der Streckenverhältnisse gehörig daneben lag und dadurch einen möglichen Sieg verspielte. "Ich würde mir sogar den Funk wünschen", gibt Rossi offen zu. "Gerade während Flag-to-Flag-Rennen kann uns das helfen und würde die Sicherheit erhöhen. Ein Sturz in den Kurven vor einem, gelbe Flaggen oder auslaufendes Öl bei einem Vordermann - all das könnte man anzeigen." Das Sicherheitsargument ist auch für Andrea Dovizioso schlagend: "Einige Nachrichten wären wirklich wichtig für die Sicherheit. Allerdings darf man nicht zu viel anzeigen, denn sonst hat der Fahrer irgendwann keinen Durchblick mehr."

Zusätzliche Fehlerquelle

Dass Dashboard-Nachrichten aber auch zusätzliche Verwirrung stiften können, bewies Aprilia am Red Bull Ring. Als das italienische Team seinen Fahrern Stefan Bradl und Alvaro Bautista eine Durchfahrtsstrafe am Dashboard anzeigen wollte, kam es bei der Übertragung zu einem Fehler. Bradl und Bautista hielten die Anzeige für eine Warnmeldung des Motors und wollten ihre Motorräder an der Box abstellen anstatt die Durchfahrtsstrafe regelkonform durchzuführen.

Das Fahrerlager ist daher gespalten und hat einige prominente Gegner der erweiterten Dashboard-Anzeigen. "Zu viel darf man auf keinen Fall erlauben", sagt Aleix Espargaro. "Im Hinblick auf Sicherheit - ok. Aber alles was darüber hinaus geht - bitte nicht." Teamkollege Maverick Vinales pflichtet ihm bei: "Einfache Mitteilungen würde ich in Ordnung finden, aber zu kompliziert darf es nicht werden." Größter Gegner von künstlichen Hilfsmitteln ist aber Marc Marquez. "Für mich ist es eine der schönsten Sachen an unserem Sport, dass wir draußen auf der Strecke auf uns alleine gestellt sind. Das ist auch eines dieser Dinge, die ich an der Formel 1 nicht mag. Meistens entscheiden dort die Teams das Rennen und nicht der Fahrer."