Jorge Lorenzo schlitterte auf nasser Strecke in Brünn in sein nächstes Debakel. Nach inferioren ersten Runden und zwei Boxenstopps kam der amtierende Weltmeister als gedemütigter Letzter mit einer Runde Rückstand ins Ziel. Mit null Punkten Ausbeute fiel er in der Gesamtwertung damit hinter Valentino Rossi auf Rang drei zurück. Die Titelverteidigung? In weiter Ferne.

Doch was war in Brünn passiert? Als einer von nur fünf Fahrern (Rossi, Crutchlow, Baz und Rabat) entschied sich Lorenzo am Start für den härteren der beiden Regen-Hinterreifen. Am Start zog er damit kurz zwar an die Spitze, fiel aber - wie alle Fahrer auf dem harten Pneu - in den ersten Runden zurück. Zehnter nach einer Runde, 13. nach zwei und 16. nach vier Umläufen - niemand verlor zu Beginn auf nasser Strecke so viele Positionen wie Lorenzo.

Lorenzo sieht sich von Michelin um Podest betrogen

Der Schuldige war rasch gefunden: Michelin. "Im Regen sind wir mit diesen Reifen von Michelin einfach nicht gut genug", ärgerte sich Lorenzo. Von den Franzosen sah er sich in einer Wutrede nach dem Rennen sogar um einen Podestplatz betrogen: Denn - wie auch bei den Ducati-Fahrern - löste sich sein Vorderreifen auf. Das gab Lorenzo auch als Grund für die beiden Boxenstopps an.

"Meine Crew hat das Loch im Reifen bei meinem Stopp nicht gesehen, weil es unglücklicherweise auf dem Teil war, der gerade unten auf dem Asphalt auflag", erklärte Lorenzo die Gründe für das Wortgefecht, das er sich bei seinem Stopp mit seiner Crew lieferte. "Ich ging also auf Slicks wieder raus, doch das war unfahrbar. Also kam ich nach nur einer Runde wieder rein."

Wieso aber sprach Lorenzo von einem Podestplatz? Denn der amtierende Weltmeister tätigte doch nach dem Rennen tatsächlich folgende Aussage: "Ich hätte in jedem Fall Dritter werden können, wenn nicht sogar Zweiter." Denn Lorenzo mokierte, dass just in dem Moment, als er auf Rossi aufgeholt hätte, sich sein Vorderreifen verabschiedete.

Die Fahrer mit dem harten Hinterreifen kamen ab ca. Runde vier auf Tempo und ab der neunten Lap einen zeitlich klar ersichtlichen Vorteil gegenüber den Rivalen auf dem weicheren Hinterreifen. Das war letztlich auch der Grund, wieso Sieger Crutchlow, der Zweitplatzierte Rossi und der Viertplatzierte Baz in der zweiten Rennhälfte durch das halbe Feld pflügten.

Verhinderte Aufholjad

Das Potenzial für eine derartige Aufholjagd hätte also auch bei Lorenzo bestanden. Aber hätte er dadurch ein Podest einfahren können oder gar Rossi gefährden? Dem Fakten-Check halten Lorenzos Aussagen allerdings nur bedingt stand, wenn man einen Blick auf die Rundenzeiten wirft.

In den Runden 4 bis 14 war Lorenzo nur zweimal schneller als Rossi - jeweils nur um eine halbe Sekunde. Das war etwa in seiner letzten fliegenden Runde vor dem Boxenstopp der Fall. Zu diesem Zeitpunkt lag Lorenzo allerdings bereits sechs Sekunden und drei Plätze hinter Rossi. Selbst Loris Baz, der spätere Vierte und wie Lorenzo auf hartem Hinterreifen, lag bei Lorenzos Boxenstopp 1,3 Sekunden vor ihm. Der Weltmeister hätte für Rang zwei also in den letzten acht Runden 0,75 Sekunden pro Umlauf aufholen müssen und zudem Pedrosa, Petrucci, Barbera, Iannone, Marquez sowie Baz und Rossi selbst überholen müssen, um Zweiter zu werden.

In den letzten vier Runden war Lorenzo zwar deutlich schneller als Rossi, hatte zu diesem Zeitpunkt aber auch neue Reifen drauf, die er im Zuge des zweiten Stopps bekommen hatte. An Crutchlows schnellste Rennrunde kam er dennoch nicht heran. Umso gewagter war Lorenzos Ansage nach dem Rennen: "Cal und Rossi waren heute die stärksten, aber ich hatte das Gefühl, dass ich noch schneller als die beiden sein hätte können. Im Trockenen hätten wir um den Sieg gekämpft und auch bei diesen Bedingungen hätte ich Zweiter werden können." Stattdessen blieb Lorenzo aber nur der letzte Platz. Und Crutchlow und Rossi sah er nur, als diese ihn nach seinem zweiten Stopp überrundet hatten.