Stefan, für dich beginnt an diesem Wochenende deine vorerst letzte MotoGP-Saisonhälfte. Eine kleine Ära geht also zu Ende. Was ist es für ein Gefühl, auf so einer Abschiedstournee zu sein?
Stefan Bradl: Ich komm ehrlich gesagt gar nicht wirklich dazu, daran zu denken. Für mich ist nach wie vor an so einem Rennwochenende Tag für Tag von Donnerstag bis Sonntag durchgeplant. Da hab ich keine Zeit, mir Gedanken zu machen, dass ich jetzt vielleicht das letzte Mal hier bin. Ich will da nicht wehmütig werden, sondern lebe im Hier und Jetzt. Ich empfinde das also nicht so als Abschiedstournee. Erst beim letzten Rennen in Valencia wird es wohl nicht einfach werden. Das ist dann sicher ein komisches Gefühl. Jetzt will ich aber am Sonntag ein gutes Rennen fahren, auch wenn es nicht leicht wird.

Eine Rennfahrerkarriere gliedert sich aber natürlich doch in unterschiedliche Zeitabschnitte. Du hattest deine Zeit bei den 125ern, dann in der Moto2, jetzt in der MotoGP. Welche Ära würdest du bisher als deine schönste bezeichnen?
Stefan Bradl: Das stimmt natürlich, aber ich will da keine Epoche rauspicken, die ich als die schönste bezeichne. Die 125er-Zeit war zum Beispiel sehr hart, aber auch wahnsinnig schön. Moto2 war klarerweise schon ein Highlight. Wenn man um den Titel fährt und den dann auch noch gewinnt, ist das schon großartig. Meine MotoGP-Zeit mit LCR Honda und jetzt auch mit Aprilia genieße ich aber ebenso. Von daher hat eigentlich jede Zeit was für sich.

Als Rennfahrer spielt sich dein Leben ständig im Bereich von Minuten, Sekunden oder Tausendsteln ab. Welche Bedeutung findet Zeit da generell bei dir?
Stefan Bradl: Eine wahnsinnig große. Ich als Deutscher bin generell immer sehr pünktlich. Deshalb brauche ich auch immer eine Uhr am Handgelenk um nachzusehen, wie lange ich noch bis zu meinem nächsten Termin Zeit habe. So kann ich alles genau planen. Wenn mir das fehlt, bin ich immer ein bisschen nervös.

Auch in deiner Freizeit?
Stefan Bradl: Ja. Es gibt keinen Tag, an dem ich keine Uhr am Handgelenk habe. Ich nehme meine Uhr eigentlich nur ab, wenn ich die Lederkombi anziehe. Sogar nachts beim Schlafen trage ich sie. Ohne Uhr fühle ich mich ziemlich leer. Das ist bei mir auch schon seit sehr langer Zeit so. Zu meinem vierten Geburtstag habe ich meine erste Uhr bekommen und war damals extrem stolz, endlich eine tragen zu dürfen. Dabei war die Uhr größer als meine gesamte Hand. (lacht) Für mich hatte das aber eine riesige Bedeutung. Ich sammle auch schon lange Uhren und habe jetzt auch das Glück, mit Tissot einen Uhrensponsor zu haben.

Das trifft sich natürlich gut.
Stefan Bradl: Ja, weil ich echt ein Uhrenfanatiker bin. Als sie mir vor ein paar Jahren gesagt haben, dass sie eine eigene Stefan-Bradl-Edition machen wollen, war das etwas ganz Besonderes für mich. Außerdem ist Tissot in der MotoGP ja auch als offizieller Zeitnehmer ziemlich prominent vertreten und ich bin ziemlich stolz drauf, die Marke auch als Botschafter repräsentieren zu können. So komme ich auch immer wieder mit den Leuten von Tissot ins Gespräch, was für mich sehr interessant ist, um mehr über die Uhren und die Marke zu erfahren.

Es sind ja auch noch andere MotoGP-Fahrer Tissot-Botschafter, zum Beispiel Jorge Lorenzo. Gibt es da so eine Art Tissot-Familie?
Stefan Bradl: Ja, das kann man schon so sagen. Vor allem beim Saisonfinale in Valencia kommen wir eigentlich immer alle im Rahmen eines Events zusammen.

Die Gegenwart heißt aber Spielberg. Für euch ist die Strecke nicht unbedingt ideal, aber wie gefällt dir das Event insgesamt?
Stefan Bradl: Ich finde, dass es eine Wahnsinnsveranstaltung ist. Das ist echt eine super Anlage, die Red Bull hier hingestellt hat. Alles ist bestens geplant und vorbereitet. Es ist auf jeden Fall einer der besten Grands Prix im ganzen Jahr. Was das Streckenlayout betrifft, ist es sehr speziell hier. Spielberg ist eine absolute Vollgasstrecke, hat aber dennoch seine Reize. Der Ring ist extrem anspruchsvoll für Mensch und Motorrad, aber ich fühle mich sehr wohl hier. Es ist für mich fast mehr ein Heim-Grand-Prix als der Sachsenring, allein schon weil die Leute und der Dialekt ähnlicher sind als in Bayern. Da fühle ich mich ehrlich gesagt ein bisschen wohler.