Viele Kurven auf den Strecken im MotoGP-Kalender haben Namen - und das schon seit Jahrzehnten. Jeder kennt sie, doch nur selten ist bekannt, warum einige Ecken in Misano & Co. Brutapela oder Lukey Heights heißen. Motorsport-Magazin.com hat sich die Geschichten hinter einigen der legendärsten Kurven angeschaut und ist ihrer Namensgebung auf die Spur gegangen.

Jerez, Kurve 6: Dry Sack

Auf dem Circuito de Jerez sind viele Kurven nach legendären spanischen Fahrern benannt. Jorge Lorenzo, Jorge Martinez Aspar und Angel Nieto sind nur einige Beispiele dafür. Ins Auge sticht aber Kurve sechs, die den Namen 'Dry Sack' trägt. Die Rechtskurve nach der Geraden ist offensichtlich nicht nach einem MotoGP-Piloten benannt, sondern nach einer lokalen Spezialität. Die Gegend um Jerez de la Frontera ist für ihren Sherry bekannt, ein spanischer Weißwein, der ausschließlich in Andalusien produziert wird. Besonders beliebt war er in englischen Adelshäusern, die dem Getränk den Namen 'Sack' verpassten. 'Dry Sack' ist ein spezieller Sherry, der von einem englisch-spanischen Unternehmen in Jerez produziert wird. Um diesem Teil der andalusischen Kultur ein Denkmal zu setzen, trägt Kurve sechs auf dem Circuito de Jerez seinen Namen.

Der Bugatti Circuit ist von Grün umgeben - zumindest auf einer Seite, Foto: Repsol
Der Bugatti Circuit ist von Grün umgeben - zumindest auf einer Seite, Foto: Repsol

Le Mans, Kurve 9 & 10: Chemin aux Boeufs

Die Kurven neun und zehn auf dem Bugatti Circuit in Le Mans tragen den wohlklingenden Namen 'Chemin aux Boeufs'. Benannt sind die beiden S-Kurven nach einer öffentlichen Straße, unmittelbar neben der Strecke. Übersetzt bedeutet es so viel wie 'Weg der Ochsen'. Eine Handvoll Straßen in Frankreich tragen diesen Namen, die bekannteste von ihnen existiert aber bereits nicht mehr. Im Jahr 1860 wurde der 'Chemin aux Boeufs' gebaut, der die Stadt La Chapelle mit Montmatre und Batignolles-Moncau verband. Im Gegensatz zu dieser Straße ist der Weg in Le Mans aber noch bestens in Takt und hat mit den Kurven neun und zehn auf dem Bugatti Circuit auch noch sein eigenes Denkmal bekommen.

Mugello, Kurve 1: San Donato

Auf der Strecke in Mugello hat jede der 14 Kurven einen eigenen Namen und eine eigene Bedeutung. Borgo San Lorenzo und Scarperia sind beispielsweise nach Orten in der Umgebung benannt. Kurve eins auf der Traditionsstrecke trägt allerdings einen Namen anderen Bezugs. 'San Donato' ist, wie der Name schon erahnen lässt, nach dem Heiligen Donatus benannt. Im Laufe der Zeit gab es viele Männer, die diesen Titel trugen. Donatus von Fiesole war allerdings bis 876 Bischof der gleichnamigen Stadt nahe Florenz, die damit in unmittelbarer Nähe zur heutigen Rennstrecke liegt.

Mugello ist eine der schnellsten Strecken im MotoGP-Kalender, Foto: Tobias Linke
Mugello ist eine der schnellsten Strecken im MotoGP-Kalender, Foto: Tobias Linke

Assen, Kurve 1: Haarbocht

Auch in Assen trägt fast jede der 18 Kurven einen eigenen Namen. Doch wo Kurven wie die 'Timmerbocht' nach ehemaligen, niederländischen Motorradrennfahrern benannt sind, hat die erste Kurve mit dem Namen 'Haarbocht' eine andere Geschichte. Benannt ist dieser Teil nach dem nahegelegenen Wald, der hinter der Kurve beginnt. In früheren Jahren befand sich an dieser Stelle eine Heide mit dem Namen 'De Haar', nach der das Waldstück und damit auch die Kurve benannt sind. Mittlerweile umgibt den TT Circuit Assen eine Straße, die denselben Namen trägt und als Zufahrt zum GP genutzt wird. Auch dieser bezieht sich auf die ehemalige Heide-Landschaft hinter der Strecke.

Silverstone, Kurve 2 bis 6: Maggots, Becketts, Chapel

Silverstone ist eine der legendärsten Rennstrecken der Welt. Mit der 'Hangar Straight' wurde an ihr Vorleben als Militärflugplatz erinnert, aber es gibt auch weniger offensichtliche Kurvennamen auf dem Kurs. Der wohl berühmteste Teil der Strecke ist die Kurvenkombination 'Maggots-Becketts-Chapel'. Auch diese drei Namen haben natürlich einen besonderen Ursprung. Der Name 'Maggots' leitet sich nicht vom englischen Wort für 'Made' ab, sondern geht auf das 'Maggot Moor' zurück, das hinter der Strecke beginnt. 'Becketts' verdankt seinen Namen Thomas Becket, der von 1162 bis 1170 der Erzbischof von Canterbury war und nach seinem gewaltsamen Tod heiliggesprochen wurde. Nach ihm wurde die Kapelle 'St. Thomas Becket Chapel' benannt, die bis 1943 auf dem Gebiet der heutigen Rennstrecke stand. Dieser Kapelle verdankt die Kurve 'Chapel' ihren Namen.

Der World Circuit Marco Simoncelli ist ein Favorit der Piloten, Foto: WSBK
Der World Circuit Marco Simoncelli ist ein Favorit der Piloten, Foto: WSBK

Misano, Kurve 9: Brutapela

Um den Tourismus an der italienischen Adria weiter anzukurbeln, wurden die Kurvennamen auf dem heutigen World Circuit Marco Simoncelli im Jahr 1983 nach Städten in der Gegend benannt. Die Strecke selbst blieb unverändert. Beim Publikum stieß dieser tourismusfördernde Gedanke allerdings auf wenig Gegenliebe, sodass die ursprünglichen Namen auch nach der Umbenennung noch immer verwendet wurden. Mit der Zeit hatten die Streckeninhaber ein Einsehen und kehrten zu vielen der ursprünglichen Namen zurück. Ein Beispiel dafür ist Kurve neun, die nun wieder den Namen 'Brutapela' trägt. Erhalten hat die Kurve ihren Namen von einem Bauern, dessen Nachname 'Brutapela' war. Ihm gehörten einige Felder, die es früher um die Strecke herum gab.

Phillip Island, Kurve 9: Lukey Heights

Neben der Gardner Straight, sowieso Stoner und Doohan Corner ist die neunte Kurve mit dem Namen 'Lukey Heights' auf dem Phillip Island Circuit wohl die bekannteste. Doch während sich jeder MotoGP-Fan denken kann, woher die Namen Gardner, Doohan und Stoner kommen, ist die Lage bei 'Lukey Heights' etwas komplizierter. Denn auch Kurve neun ist nach einem Rennfahrer benannt, wenn auch einem weniger erfolgreichen. Len Lukey fuhr Ende der 50er-Jahre selbst Autorennen in Down Under, hatte als Geschäftsmann aber mehr Glück. Unter anderem gehörte ihm einst der Phillip Island Circuit, heute ist ihm zumindest noch die Ehre einer eigenen Kurve geblieben.