Die Beziehung von Jorge Lorenzo zum TT Circuit Assen ist schon immer eine schwierige gewesen. In nunmehr acht Jahren MotoGP-Karriere konnte der amtierende Weltmeister hier nur dreimal aufs Podium fahren, einmal stand er ganz oben auf dem Treppchen. Der schwere Highsider mit anschließende Operation und Höllenfahrt im Jahr 2013 haben der brüchigen Beziehung den Rest gegeben. "Wir versuchen jedes Jahr etwas anderes, um schnell zu sein, aber es hat bisher nie funktioniert", gibt Lorenzo zu. Auch am Trainings-Freitag 2016 kam der Yamaha-Pilot über einen fünften Rang nicht hinaus. Das größte Problem: sein Fahrstil. "Mit meiner natürlichen Linie bin ich hier noch nicht schnell genug."

Demensprechend nüchtern fällt auch die Tages-Einschätzung des WM-Zweiten aus. "Heute Nachmittag war ich nicht der schnellste Fahrer oder hatte das beste Bike", erklärt Lorenzo. Aus den Problemen mit der Linienwahl resultiert natürlich auch eine langsamere Pace. Etwa drei bis vier Zehntel fehlen dem Spanier laut Eigendiagnose auf die Führungsspitze, ein bis zwei Zehntel lässt er dabei in der letzten Schikane im vierten Sektor liegen. "Als Fahrer verstehe ich noch immer nicht, welche Linien am besten sind und wie ich schneller sein kann", klagt Lorenzo.

Um den Schwierigkeiten am Qualifying-Tag entgegenzuwirken, versucht das Yamaha-Team um Lorenzo jetzt, das letzte Bisschen mit einem neuen Setting auszuprobieren - und eventuell mit einem neuen Chassis. Am Freitag war der Spanier, wie auch schon in Barcelona, mit dem neuen Modell unterwegs. Einen richtigen Vergleichswert zu den letzten Vorjahren hat Lorenzo aber noch nicht sammeln können, denn mit dem neuen Chassis kam auch ein komplett neues Setup auf Lorenzo zu. Doch damit nicht genug. "Morgen werden wir ein komplett anderes Setting ausprobieren, um zu sehen, wie ich mich fühle", so Lorenzo. Danach entscheiden Fahrer und Team über Chassis- und Setup-Wahl für den ersten Rennsonntag in Assen.

Vor allem Sektor vier bereitet dem amtierenden Weltmeister Kopfschmerzen, für den Rest der Strecke ist er guter Hoffnung. "Ich denke, dass wir das Bike für die anderen Sektoren hier und da noch verbessern können. Wir müssen um den Sieg kämpfen", gibt sich Lorenzo kämpferisch. Verständlich, fehlen ihm in der WM-Wertung nur zehn Punkte auf den WM-Führenden Marc Marquez. Gleichzeitig bleibt der Routinier aber realistisch. "Alle zwei oder drei Zehntel, die mir in diesem Sektor fehlen, hole ich sicher nicht auf, aber wenn ich die Hälfte aufholen kann, wäre das in Ordnung."

Der Faktor Iannone

Um den Anschluss an die WM-Spitze nicht zu verlieren, ist ein gutes Ergebnis für Lorenzo nach dem unverschuldeten Nuller in Barcelona essenziell. Crasher Andrea Iannone kassierte dafür eine Strafversetzung ans Ende des Grids. Das beruhigt Lorenzo aber nur zum Teil. "Wenn er die Pace von heute am Sonntag halten kann und ich mich nicht verbessere, dann kann er vielleicht aufholen und mich wieder überholen", überlegt der Weltmeister. Der Zwischenfall in Barcelona spielt dabei aber keine Rolle mehr. "Sonntagabend in Montmelo kam Andrea in mein Motorhome und wir haben uns über den Crash unterhalten können", erklärt Lorenzo. Damit dürften die Spekulationen um böses Blut zwischen Lorenzo und Iannone vom Tisch sein.