"Ich bin nicht Superman", stellte Andrea Iannone am Sonntag nach seiner Kollision mit Jorge Lorenzo in Barcelona fest. Gut erkannt! Tatsächlich erinnert Iannone eher an eine andere fiktive Figur, respektive zwei Figuren. Der gute Dr. Jekyll und der böse Mr. Hyde fallen einem unweigerlich ein, wenn man Iannone im MotoGP-Paddock so beobachtet.

Da ist einerseits der gutmütige und warmherzige Andrea. Stets freundlich und lustig, trotz nicht gerade perfekter Englischkenntnisse immer gesprächsbereit und auch nach schlechten Rennen und anschließenden Fragen nie ungeduldig - so durften der Verfasser dieser Zeilen und andere Journalistenkollegen Iannone im persönlichen Umgang kennenlernen. Ähnlich sympathisch verhält er sich gegenüber Teammitgliedern, Fans und allen anderen Personen im Fahrerlager.

Der manische Andrea

Ein anderes Gesicht Iannones zeigt sich aber, sobald er auf seiner Ducati platznimmt. Der nette Andrea wird zu 'The Maniac'. Zugegeben, auch diese Seite Iannones hat uns schon viel Freude bereitet. Gerne denken wir etwa an sein tolles Duell im letztjährigen Frankreich-Grand-Prix mit Marc Marquez oder sein sensationelles Doppel-Überholmanöver gegen Rossi und Marquez auf Phillip Island zurück. In dieser Saison waren es aber meist nur unfassbare Aussetzer, mit denen Iannone für Aufsehen sorgte.

In Barcelona schoss Iannone Lorenzo brutal ab, Foto: Milagro
In Barcelona schoss Iannone Lorenzo brutal ab, Foto: Milagro

Schon beim Auftakt in Katar kegelte er sich selbst ins Aus - ein Fehler der passieren kann. Völlig unnötig und übermotiviert versuchte er dann aber in Argentinien seinen Ducati-Teamkollegen Andrea Dovizioso im Kampf um Platz zwei nur Meter vor der Ziellinie zu überholen und beförderte so beide ins aus. Auch sein Manöver am Sonntag gegen Lorenzo war völlig unnötig und kaum zu entschuldigen. Iannone beharrt darauf, dass Lorenzo deutlich früher gebremst hätte als er, was auch stimmen mag. Dass er dem Weltmeister nicht auf wundersame Weise in wenigen Runden zuvor fast vier Sekunden abgenommen hatte, sondern dieser Unterschied irgendwie zustande gekommen sein musste, hätte Iannone aber einleuchten können.

Iannone blockiert sich selbst

Insgesamt zeichnet er somit ein Image von sich, das ihm nachhaltig schaden kann, oder es vielleicht schon getan hat. Denn ginge es nur nach dem reinen Speed, wäre es wohl Iannone und nicht Dovizioso gewesen, der im nächsten Jahr neben Lorenzo bei Ducati fahren darf. So ist Iannone immerhin bei Suzuki untergekommen. Alles andere als eine schlechte Lösung für ihn. Es könnte aber seine letzte Chance in der MotoGP sein. Denn seine Schonfrist ist nach dann bereits vier Jahren in der Königsklasse definitiv abgelaufen und Iannone könnte schneller weg vom Fenster sein, als ihm das lieb ist. Was schade wäre, weil der Mann mit dem treuherzigen Dackelblick aufgrund seines Charakters und seines herausragenden fahrerischen Talents alle Voraussetzungen hätte, um zu einem der ganzen großen Stars dieses Sports zu werden. Bislang steht ihm aber 'The Maniac' im Weg.