Solch ein Fotofinish gab es in der Geschichte der MotoGP nur selten zu sehen. Jorge Lorenzo fing Marc Marquez nach einer epischen letzten Runde noch im Zielsprint ab und holte sich mit der Winzigkeit von 19 Tausendstelsekunden Vorsprung seinen dritten Saisonsieg 2016. Damit lieferten die beiden Superstars zumindest in der Schlussrunde eine Wiederholung der epischen Schlacht von 2014 ab, als sich Marquez noch hauchdünn durchsetzen konnte. Nun hatte als Lorenzo das bessere Ende für sich.

Anfangsphase: Lorenzo flüchtet, Marquez bleibt dran

Dabei war es zunächst Lorenzo, der sich zusammen mit Valentino Rossi im Schlepptau vom Rest des Feldes absetzen konnte. "Die Pace war nicht sehr schnell, aber ich hatte einen guten Start, konnte das Rennen anführen und meinen Rhythmus gehen", berichtete Lorenzo von der Startphase. Doch als Marquez sich in Runde drei an Aleix Espargaro vorbei auf den dritten Rang kämpfte, blies der Repsol-Honda-Pilot zur Aufholjagd. Marquez lag sieben Zehntel hinter Lorenzo, als er erstmals freie Luft nach vorn hatte, insgesamt war der Abstand zwischen Lorenzo und Marquez im Rennen nie größer als acht Zehntel.

Endgültig den Anschluss hatte Marquez in Runde zwölf geschafft, also nur kurze Zeit nach Rossis Motorschaden. In der Folge hing Marquez wie eine Klette an Lorenzos Yamaha - zur großen Verwunderung des Mallorquiners: "Ich habe nicht damit gerechnet, dass er so schnell sein würde. Ich habe versucht zu flüchten und dabei viel Energie verbraucht. Beim Blick auf die freien Trainings hatte ich Iannone und Vinales auf der Rechnung und nicht gedacht, dass Marc so konstant sein würde", rieb sich Lorenzo die Augen.

Schlussphase: Der "alte" Marquez kämpft gegen Lorenzo

Doch es kam anders und somit stand den Fans, die nach Rossis Ausfall noch an der Strecke geblieben sind, ein packendes Duell um Sieg beim Mugello-GP ins Haus. "Ich bin ein großartiges Rennen und großartige letzte Runden gefahren. In der Schlussphase habe ich nicht mehr an die Meisterschaft gedacht, da kam der alte Marc Marquez wieder zum Vorschein. Ich habe einfach attackiert und nicht mehr weiter nachgedacht", so Marquez nach dem Rennen. Überspitzt formuliert heißt das: Marquez' Motto war am Ende "Pokal oder Hospital".

Umso mehr überrascht es, dass Marquez seine erste Attacke erst in der vierten Kurve der allerletzten Runde setzte - und damit allerdings etwas später als geplant, denn beide berührten sich kurz davor am Ende der Geraden bei Topspeed! Offenbar hatte sich Lorenzo beim Herunterschalten leicht verschätzt. "Von hinten war das schon sehr beängstigend. Jorges Bike wurde auf einmal langsamer, ich weiß nicht warum. Ich hatte eine Attacke in der ersten Kurve geplant, aber das hat Konfusion verursacht. Zum Glück sind wir da nicht gecrasht", beschrieb Marquez die Szene aus seiner Sicht.

Die epische Schlussrunde des Mugello-GP zwischen Lorenzo und Marquez

Das Manöver kurz darauf in Turn vier war dann erfolgreich, hier rang Marquez Lorenzo nieder und setzte sich zunächst gleich mal um mehrere Motorradlängen ab. Der Repsol-Honda-Pilot sah damit schon wieder der vermeintliche Sieger aus. Doch Lorenzo kämpfte sich noch einmal heran und probierte ein erstes Manöver in Biondetti. "Ich habe mich daran erinnert, wie ich Alex De Angelis 2005 bei den 250ern hier in der letzten Schikane überholt habe. Es war verrückt, es da wieder zu versuchen, aber ich habe es versucht. Ich habe das Gas weit offen gelassen und bin zu schnell in die Kurve rein, denn Marc hat mich wieder überholt", kommentierte Lorenzo sein gewagtes Manöver.

Marquez konnte allerdings am Ausgang nochmal kontern. Damit bog der Spanier als Führender in die letzte Kurve ein. "Ich dachte schon, das Rennen wäre verloren, denn in der MotoGP ist es normalerweise unmöglich, hier aus dem Windschatten heraus noch zu überholen", sah Lorenzo seine Felle davon schwimmen. Doch sein Gegner fährt eine Honda, und wenn Honda 2016 eine gravierende Schwachstelle hat, dann ist das die Beschleunigung. Dies hat sich im Kampf um den Mugello-Sieg bitter gerächt. "Zum Glück sitzt Marc auf einer Honda, die Probleme beim Beschleunigen hat. Der Sieg kam also noch unerwartet", freute sich Lorenzo.

Auf der anderen Seite war niedergeschlagener Marquez, der den Sieg und die Zielflagge schon vor Augen hatte und im Zielsprint noch abgefangen wurde. So eine bittere Niederlage hatte der Repsol-Honda-Pilot noch nicht erlebt: "Jetzt weiß ich, wie es sich anfühlt, wenn man den Sieg auf den letzten 50 Metern verliert. Das ist mir in meiner Karriere noch nie passiert", so ein zerknirschter Marquez. Immerhin: in der WM ist der Anschluss an Lorenzo weiterhin gegeben, die beiden Spanier trennen nach sechs Rennen nur zehn Punkte. Und mit einer verbesserten Honda sind weitere MotoGP-Schlachten nicht ausgeschlossen.