Es war kein langweiliger Rennsonntag, aber eben auch kein Krimi, wie einst Barcelona 2009. Am Überraschendsten vielleicht die Tatsache, dass es tatsächlich eine Premiere für Valentino Rossi war. Bei seinem 334. Rennen gelang es Ihm zum ersten Mal in seiner Karriere, von der Pole Position einen Start-Ziel-Sieg heraus zu fahren. Und das bei Sieg Nummer 113. Eine echte Weltklassedemonstration. Einer, der an solchen Leistungen einen ganz fetten Anteil hat, stand mit auf dem Podest. Genau, der Chef im Ring bei Yamaha: Lin Jarvis.

Das lange Gesicht von Jorge Lorenzo am Sonntag auf dem Podium in Andalusien ist schon anderweitig diskutiert worden. Auch die Stimmung bei dieser Siegerehrung, die manche als peinlich bezeichnen, wurde schon thematisiert. Dabei war es gar nicht so schlimm. Kaum Pfiffe, alle erforderlichen Bilder wurden gemacht. Standard also. Nicht ganz. Denn wenn man genau hingeschaut hat, hat man gesehen, dass die Cava-Dusche der beiden Yamaha-Doppelsieger nicht in Richtung der gut aussehenden Hostessen ging. Das erste Opfer war der noch gemeinsame Chef. Und das ist auch ein klares Statement von Vale und Jorge. Auf gewisse Art und Weise ein Zeichen der Dankbarkeit für eine lange und erfolgreiche Zusammenarbeit. Die am Ende der Saison von Jorge Lorenzo aufgekündigt wird. Aber nur weil der Yamaha-Teamchef, auch auf dem Podest, sehr deeskalierend gewirkt haben dürfte, ist er noch nicht der Mann des Wochenendes.

Lorenzo versuchte in den ersten Runden, an Rossi vorbeizugehen, Foto: Milagro
Lorenzo versuchte in den ersten Runden, an Rossi vorbeizugehen, Foto: Milagro

Nein, Lin Jarvis holte seinen Sieg schon am Donnerstag auf der offiziellen Pressekonferenz. Dort lieferte er sein Masterpiece ab. Ein Vorzeigeauftritt eines Managers in einer schwierigen Situation. Die Art und Weise, wie Jarvis, zwischen den MotoGP Stars sitzend, die letzten schwierigen Wochen in Sachen Transfermarkt erklärte, war schlicht Weltklasse. Ein erneutes Beispiel seiner Cool- und Cleverness. Und auch seiner Fairness. Wie schon im Finale der Saison 2015. Da war es auch schon eine Wohltat, bei all der Polemik dem Yamaha-Teamchef zuzuhören. Allein dafür müsste Yamaha Lin Jarvis eigentlich ein Denkmal setzen. Dem Briten ist es gelungen, aus der hochexplosiven Alphatier-Mischung Lorenzo/Rossi eine funktionierende Mannschaft zu formen. Die beiden Hauptdarsteller haben zwar nicht geheiratet, aber sie haben im Sinne des Herstellers geliefert. Und wie. Die Siege und Titel der Ära Rossi/Lorenzo werden in die MotoGP-Geschichte eingehen. Und in solch einer Anzahl vielleicht nie wieder geschafft.

Lin Jarvis - die Gelassenheit in Person

Ganz klar ein Verdienst des Gin-Tonic-Liebhabers aus England. Der immer ruhig und entspannt auftritt. Der immer die richtigen Worte findet. Ganz egal ob sich seine beiden 'Top Dogs' grad am liebsten an die Gurgel gehen möchten oder nicht. Und dabei hat Lin Jarvis auch noch den Vorteil, dass er nicht, wie die meisten anderen, leere Worthülsen absondert, sondern alles mit Sinn und Verstand analysiert und erklärt. Und das muss man erst mal schaffen. Ich weiß nicht, ob Lin Jarvis jemals einen Diplomatie-Kurs besucht hat. Fakt ist, er könnte solche Seminare leiten.

Auch die noch letzte Woche von mir formulierte Skepsis über die Yamaha-Zukunft sehe ich nach dem Jerez Wochenende etwas anders. Wenn einer in der Lage ist, einen Nachfolger für Jorge Lorenzo zu finden, dann ist das Lin Jarvis. Und egal ob der Vinales, Rins, Espargaro oder vielleicht Folger heißt. Im Paket mit Valentino Rossi wird auch das eine Erfolgsstory werden. Bei viel Konkurrenz. Mit viel aufkommender Polemik. Mit vielen Versuchen, die Gegner zu besiegen, indem auch unfaire Mittel eingesetzt werden. Und dann ist es gut, dass es Lin Jarvis gibt. Im Stile eines 'Elder Statesman' wird er die Dinge erklären und seinen Akteuren das Maß an Fairness einprägen, das sie vielleicht auf der Strecke vergessen haben. So wie in all den Jahren mit Jorge und Vale. So wie im letzten Jahr nach Malaysia.

Jarvis holte Rossi und Lorenzo zu Yamaha, Foto: Yamaha
Jarvis holte Rossi und Lorenzo zu Yamaha, Foto: Yamaha

Auf Lin Jarvis wird Verlass sein. Und das ist eine Wohltat. In der harten Welt der MotoGP, in der es um Millionen und um Härte dem Gegner gegenüber geht, gibt es einen Fels in der Brandung. Einen der die Grenzen kennt, aber nie überschreitet. Der Top-Manager der MotoGP. Ein Musterbeispiel dafür, dass auch mit Fairness und Stil Erfolge geholt werden können. Die MotoGP und der Motorsport generell könnten mehr solche Charaktere gebrauchen. Gut, dass wir wenigsten einen so professionell tätigen Teamchef haben. Und die Saison ist ja noch nicht zu Ende. Man darf davon ausgehen, dass wir die Fähigkeiten des Yamaha-Bosses noch brauchen werden, um 2016 sauber, fair und spannend über die Bühne zu bekommen. Aber keine Angst. Er wird da sein. Und sich nicht verbiegen lassen. Und dafür 'Danke' an Lin Jarvis.