Die Vogelseuche hat sich nun endgültig auf das gesamte MotoGP-Paddock ausgebreitet. Ducati war im Vorjahr der Vorreiter in Sachen "geflügelte Revolution" in der MotoGP, Yamaha und Honda schlossen sich als einzige Hersteller dem Trend an - bis zu diesem Wochenende. Denn im zweiten freien Training zum Spanien-GP in Jerez zogen nun auch Suzuki und Aprilia nach und präsentierten Motorräder mit Winglets an der vorderen Verkleidung. Motorsport-Magazin.com skizziert den aktuellen Entwicklungsstand.

Suzuki

Ursprünglich wollte man bei Suzuki erst am Montag nach dem Rennen einen Test einlegen und da die Winglets erst mal in der Praxis ausprobieren. Umso überraschender fiel just vor Beginn des zweiten freien Trainings der Blick auf die GSX-RR von Aleix Espargaro aus. Die Suzuki des Spaniers war mit Winglets ausgerüstet - und zwar gleich drei pro Seite! "Ich habe letzte Nacht die Techniker dazu gedrängt sie heute schon drauf zu packen. Denn wenn sie glauben, dass das eine Verbesserung ist, warum sollten wir dann noch ein Rennen darauf warten?", erklärte Espargaro seinen Schachzug.

Das schien den Spanier im wahrsten Sinne des Wortes beflügelt zu haben, nicht umsonst schaffte Espargaro die drittschnellsten Zeit am Nachmittag. "Wir haben die Winglets getestet, und man kann den Unterschied in den schnellen Kurven schon ein bisschen spüren", betont Espargaro, dass sich die Winglets ausschließlich auf das Fahrverhalten in schnellen Kurven auswirken. "Die Front ist etwas stabiler, vor allem am Kurvenausgang. Dort können wir etwas mehr Gas geben, ohne Wheelies zu haben", strich Espargaro die Vorteile der Neuerungen an seiner Suzuki noch etwas detaillierter heraus.

Aprilia

Auch die Aprilia RS-GP wartete im zweiten freien Training erstmals mit Winglets auf. Ähnlich wie bei den Kollegen von Suzuki war aber am Freitag nur ein Werkspilot mit den neuen Teilen unterwegs - in diesem Fall Stefan Bradl. Auch der Deutsche erkannte die Vorteile der Winglets an, auch wenn sein erstes Urteil noch zurückhaltend ausfällt: "Sie halten das Vorderrad ein bisschen besser am Boden, man merkt dass ein bisschen Abtrieb da ist und das ist ganz positiv. Wir sind jetzt nicht allzu viele Runden gefahren. Das ist das erste Gefühl, das ist ganz gut und positiv. In der Kurvenmitte fühlt es sich ganz gut an am Vorderrad", meinte Bradl.

Den größten Effekt erzielen die Winglets für Bradl, ähnlich wie für Espargaro, in den rar gesäten Highspeed-Sektionen des Circuito de Jerez. Also dann, wenn durch die hohen Geschwindigkeiten die Front mit viel Abtrieb auf den Boden gepresst wird. "Beim Beschleunigen auf die Gegengerade merke ich, dass der Druck am Vorderrad da ist, dass das Vorderrad am Boden bleibt und wir das Gas offen halten könnnen, das war das Positivste", bestätigt Bradl die Eindrücke Espargaros. Deshalb spricht sich Bradl auch dafür aus, mit den Neuerung weiter zu testen: "Ich denke schon, dass wir weitermachen mit den Winglets. Also wir fahren auf jeden Fall noch mindestens ein, zwei Trainings damit."

Yamaha

Bei Yamaha scheint nun auch Valentino Rossi endgültig auf den Geschmack gekommen zu sein. Lange Zeit sträubte sich der Doktor dagegen, doch nun scheinen auch für ihn die Vorteile der Winglets zu überwiegen: "Derzeit sieht es so aus, als würde ich den Rest des Wochenendes mit fahren, denn es hilft uns schon ein wenig", räumte Rossi nach den Trainings ein. Die Flügel scheinen Rossi genau die Stabilität an der Front zu bringen, die er benötigt, um in Jerez schnell zu sein: "Wenn du das Gas aufmachst, bleibt das Vorderrad etwas besser auf dem Asphalt. Es hilft hier zum Beispiel in den letzten Kurven, wo du deinen Vorderreifen möglichst unten haben willst." Jedoch fuhr Rossi in Jerez bisher mit einer anderen Flügel-Konfiguration als Teamkollege Jorge Lorenzo.

Lorenzo, schon seit der Einführung der Winglets an der M1 eher ein Flügel-Befürworter als Rossi, sieht die Entwicklung dagegen wieder etwas kritischer: "So einen großen Unterschied machen sie nicht aus. Man hat nur etwas weniger Wheelie am Kurvenausgang. Aber negativ wirken sie sich beim Top-Speed aus und wenn etwas stärkerer Wind weht, dann kann das Bike auch etwas nervös und in den Kurven instabil werden", mahnt Lorenzo an. "Man muss also in jeder Situation analysieren, ob man mit oder ohne ihnen fahren kann." Trotzdem hält auch der Weltmeister weiterhin an den Winglets fest, auch für ihn überwiegen die Vorteile.

Jorge Lorenzo fuhr in Jerez mit riesigen Winglets vorne, Foto: Yamaha
Jorge Lorenzo fuhr in Jerez mit riesigen Winglets vorne, Foto: Yamaha

Honda

Ähnlich wie bei Yamaha fuhren auch bei Repsol-Honda am Jerez-Freitag beide Werksfahrer mit unterschiedlichen Flügel-Konfigurationen. Marc Marquez probierte neue, größere Flügel aus, die vom Profil her jenen von Yamaha aus dem Vorjahr ähneln. "In den Daten können wir keine deutliche Verbesserung sehen und auch beim Fahren ist es schwierig", lautete Marquez' erstes Fazit. Er ließ die großen Flügel aber drauf, um herauszufinden, wieso die anderen Hersteller mit großen Winglets experimentieren: "Im FP2 habe ich mich dann entschieden, sie am Motorrad zu behalten, damit ich sie besser verstehen kann. Die anderen benutzen sie ja auch, dass war der Hauptgrund für mich, sie weiter zu benutzen."

Erstmals mit Flügel dagegen war Dani Pedrosa unterwegs. Pedrosa war noch mit den kleinen Flügelchen unterwegs, wie sie Marquez in den ersten Rennen benutzt hatte. Obwohl ihm durch seine Statur die Winglets entgegenkommen sollten, war Pedrosa danach eher irritiert: "Als ich sie heute ausprobiert habe, hatte ich wirklich etwas weniger Wheelie. Aber es gibt zu einem gewissen Grad auch negative Aspekte. Ich denke nicht, dass sie supergut sind. In der Kurvenmitte vermitteln sie ein komisches Gefühl, wenn man ans Gas geht. Aber ich bin nur einen Run damit gefahren und muss noch vieles über die Winglets lernen, da ich sie vorher noch nie benutzt habe."

Auch an der Repsol-Honda von Marc Marquez wuchsen die Flügel an, Foto: Tobias Linke
Auch an der Repsol-Honda von Marc Marquez wuchsen die Flügel an, Foto: Tobias Linke

Entwicklung für die Katz? Winglets könnten bald Vergangenheit sein

Doch schon bald könnte all das Makulatur sein. Wie Motorsport-Magazin.com erfahren hat, ist für Sonntag Morgen ein Treffen anberaumt, in welchem über die Winglets diskutiert wird. Rossi jedenfalls spricht sich dafür aus, die Winglets zu verbieten: "Alle Hersteller diskutieren aktuell darüber, ob man die Winglets behalten oder verbieten sollte. Ich bin für jede Lösung offen. Persönlich halte ich es aber für besser, wenn wir sie beseitigen." Sollte nach diesem Meeting tatsächlich ein Wingletverbot verhängt werden, dann ist die Vogelseuche der MotoGP bald auskuriert.