Der Wechsel von Jorge Lorenzo zu Ducati scheint bereits beschlossene Sache zu sein. Das erste Mal seit 2008 wäre damit die linke Seite der Yamaha-Box leer. Doch wer könnte den amtierenden Weltmeister gebührend ersetzen? Die Motorrad-Redaktion von Motorsport-Magazin.com hat sich die heißesten Kandidaten angeschaut und ihr Urteil gefällt.

Michaels Wahl: Mut zu einem Rookie!

Michael Höller: Wer Valentino Rossi auf der einen Seite der Box hat, der kann auf der zweiten Seite eigentlich nicht viel falsch machen. Da klar ist, dass der Doc bis mindestens Ende 2018 bei Yamaha bleibt, ist die richtige Zeit gekommen, einen jungen Wilden aus der Moto2 nach oben zu holen! Vielleicht findet man ja den nächsten Marc Marquez? Und wenn nicht, dann hat man zwei Jahre, um den jeweiligen Kronprinzen von Rossi zum König aufbauen zu lassen. In Pole Position sehe ich da Alex Rins, der schon im Vorjahr in der zweithöchsten Klasse überzeugte und 2016 ein gehöriges Wörtchen um den Titel mitreden wird. Das herz sagt natürlich Jonas Folger, aber dazu muss der Bayern endlich Konstanz in seine Leistungen bringen.

Markus' Wahl: Maverick Vinales

Markus Zörweg: Maverick Vinales wäre die beste Wahl für Yamaha. Er ist mit unglaublichem Talent gesegnet und zählt schon auf der Suzuki zu den schnellsten Piloten im gesamten Starterfeld. Dabei ist Vinales gerade einmal 21 Jahre alt und fährt aktuell erst seine zweite Saison in der Königsklasse. Im Gegensatz zu einigen anderen Kandidaten ist der Katalane somit eine langfristige Hoffnung für die Zukunft und nicht bloß eine Überbrückung, bis ein vermeintlich besserer Pilot verfügbar ist. Yamaha würde gut daran tun, einige Jahre vorauszudenken. Denn 2019, wenn Valentino Rossi voraussichtlich seine Karriere beenden wird, braucht man auch einen Ersatz für den Doktor. Dann sollte man bereits einen echten Anwärter auf MotoGP-Weltmeistertitel in den eigenen Reihen haben. Vinales ist prädestiniert dafür.

Andreas Wahl: Dani Pedrosa

Andrea Blendl: Es gibt einen Fahrer, dem ich einen Werksvertrag bei Yamaha von Herzen gönnen würde, und der heißt Dani Pedrosa. Der Katalane ist ein absoluter Siegfahrer und wäre mit seiner ruhigen, überlegten Art der perfekte Gegenpart zum exzentrischen Rossi. Dass er ein Bike entwickeln kann, hat er bei Honda immer wieder bewiesen, nur um durch viel Pech um jede Titelchance gebracht zu werden. Außerdem würde die M1 Pedrosas Fahrstil sogar tendenziell noch besser entgegenkommen als die Honda, die in den letzten Jahren immer mehr der aggressiveren Fahrweise von Marquez angepasst würde. Auch Yamaha könnte durch Pedrosas langjährigen Einblick beim Erzrivalen nur gewinnen, zudem müsste Lin Jarvis kaum offenen Krieg zwischen seinen beiden Fahrern fürchten. In Pedrosa hätte man einen absoluten Sympathieträger im Team. Leider befürchte ich, dass zwei Gründe gegen Pedrosa sprechen, auch wenn ich persönlich finde, dass sie nicht ausschlaggebend sein sollten: Er wird bereits 31 Jahre alt und zählt somit nicht mehr als Nachwuchstalent, außerdem dürfte es für Yamaha schwierig werden, ein Chassis zu entwickeln, das dem Größenunterschied von 24 Zentimetern zwischen Rossi und Pedrosa gerecht wird.

Alles anders: Wie wird das Starterfeld 2017 aussehen?, Foto: Milagro
Alles anders: Wie wird das Starterfeld 2017 aussehen?, Foto: Milagro

Tobias' Wahl: Andrea Dovizioso

Tobias Ebner: Yamaha will einen Top-Piloten neben Valentino Rossi im Team haben. Lorenzo verliert man aller Voraussicht nach an Ducati, und ob einer der beiden Repsol-Honda-Piloten ernsthaft einen Wechsel in Erwägung zieht, bleibt fraglich. Die naheliegendste Wahl wäre daher Andrea Dovizioso. Und den kennt man bei Yamaha gut. 2012 kam der Italiener ins Tech3-Team mit Aussicht auf einen Vertrag im Werksteam 2013. Rossi kam ihm, wie wir alle wissen, in die Quere mit seiner Rückkehr von Ducati. Aber Dovizioso legte 2012 ein bärenstarkes Jahr hin, fuhr sieben Mal mit der Kunden-Yamaha auf das Podium und wurde WM-Vierter. 2011 gar WM-Dritter, noch vor seinem damaligen Teamkollegen Dani Pedrosa. Leider fristet er stets ein Dasein im Schatten der großen Vier. Doch welcher aktuelle Pilot kann, mit Ausnahme von Rossi, Lorenzo, Pedrosa und Marquez, eine ähnlich gute Bilanz wie Dovizioso (zwar nur ein Sieg, aber zwölf zweite und 17 dritte Plätze) aufweisen? Keiner! Außerdem bringt er viel technisches Know-How mit aus seiner Zeit im Honda- und Ducati-Werksteam. Und mit dem richtigen Material lässt Dovizioso sicher weitere Siege folgen.

Sophies Wahl: Andrea Iannone

Sophie Riga: Andrea Iannone hat sich zu einem Fahrer auf Top-Niveau gemausert. Sein Aufstieg von Pramac ins Ducati-Werksteam hat sich im Nachhinein als die richtige Entscheidung herausgestellt. Der 'Maniac' ist schnell und hat 2015 bewiesen, dass er sich in Sachen Konstanz sogar noch vor Teamkollege Andrea Dovizioso lag. Zu Beginn der Saison hat er sich durch die zwei Nuller zwar nicht unbedingt verdient gemacht, aber trotzdem sollten keine Zweifel an Iannones Talent aufkommen. Auf der Ducati konnte der Italiener bisher noch keinen Sieg einfahren, mit der Yamaha hätte Iannone allerdings ein Motorrad, mit dem es möglich wäre. Gibt man Iannone also eine Chance auf eines der ganz großen Werksbikes, steigen seine Leistungen vielleicht noch um ein Vielfaches an und aus den großen Vier werden die großen Fünf. Es ist vielleicht ein Wagnis, aber eines, dass sich lohnen könnte.