Jorge Lorenzos möglicher Wechsel zu Ducati beschäftigt die MotoGP seit Tagen. Aktuell ist das Werksteam der Roten mit Andrea Dovizioso und Andrea Iannone voll besetzt. Sollte Lorenzo kommen, bedeutet es das Aus für einen der beiden. Motorsport-Magazin.com hat sich die beiden Andreas genau angesehen und analysiert. Für wen stehen die Chancen auf einen Verbleib am besten?

Punkt eins: Speed

Andrea Dovizioso: In Sachen Speed ist es schwer, mit der Ducati Desmosedici keinen Vorteil zu haben. Trotzdem tat sich Dovizioso in den bisherigen drei Saisonläufen, wie auch im vergangenen Jahr, in Sachen Speed hervor. Zu Saisonbeginn stand der Italiener gleich auf dem Podium und knüpfte damit an die Leistungen vom Vorjahr an. 2015 wurde er in Katar, Austin und Argentinien dreimal in Folge Zweiter. Zwei weitere Podiumsplatzierungen folgten in Le Mans und Silverstone. Doch nicht nur in Katar war Dovizioso dieses Jahr schnell. Auch in Argentinien war er auf dem besten Weg zum Podium, bis ihn Kollege Iannone abräumte. Die starke Startphase in Austin beweist ebenfalls: Dovizioso ist schnell, 2015 und 2016.

Andrea Iannone: Iannone ist nicht weniger schnell als sein Teamkollege Dovizioso. Den nötigen Speed und auch den nötigen Mut für gute Ergebnisse bringt der 'Maniac' durchaus mit sich. Leider gelang es Iannone vor allem in dieser Saison nicht, seinen Übermut unter Kontrolle zu halten. Sowohl in Katar, als auch Argentinien sammelte der Italiener keine Punkte und konnte damit bisher seinen theoretischen Speed nicht ausnutzen.

Der Gewinner: Den nötigen Speed haben beide Fahrer, nicht zuletzt auch durch das ihnen zu Verfügung stehende Material. Trotzdem nutzte Dovizioso in der Vergangenheit das Potenzial der Ducati besser, landete er 2015 mehrfach auf dem zweiten Podiumsrang und konnte auch in dieser Saison mehr aus dem Bike herausholen. Der erste Punkt geht also an Dovizioso.

Andrea Dovizioso und Andrea Iannone sind seit 2015 Teamkollegen, Foto: Ducati
Andrea Dovizioso und Andrea Iannone sind seit 2015 Teamkollegen, Foto: Ducati

Punkt zwei: Konstanz

Andrea Dovizioso: Für Andrea Dovizioso begann die Saison 2016 im ersten Rennen erfolgreich, wenn auch wenig konstant. In Katar landete er bereits auf dem zweiten Platz und auch in Argentinien war Desmo Dovi auf Podiumskurs, hätte ihm der Teamkollege nicht dazwischengefunkt. Konstanz sieht anders aus. Auch im Vorjahr glänzte Dovizioso eher durch Einzelergebnisse, als durch konstant gute Leistungen. Nur sieben Mal fuhr er in die Top-5, fünf Mal davon aber aufs Podium.

Andrea Iannone: Von Konstanz kann 2016 auch für Iannone keine Rede sein. Zwei Nuller in Katar und Argentinien kassierte er bisher, in Südamerika noch dazu der Zwischenfall mit dem eigenen Teamkollegen. Zwar revanchierte sich Iannone in Austin mit dem ersten Podium der Saison, doch Dovizioso konnte schon in Katar mit einem besseren Ergebnis aufwarten. Zieht man bei Ducati das Vorjahr ebenfalls zur Referenz heran, dann steht Iannone allerdings besser da. 2015 fuhr er wesentlich konstanter als Dovizioso, dafür aber weniger erfolgreich. Insgesamt zwölf Mal erreichte der 'Maniac' die Top-5, fuhr aber nur dreimal aufs Podium.

Der Gewinner: Was die Konstanz angeht, steht Iannone besser da als Dovizioso, wenn man die Ergebnisse aus dem Vorjahr mit einrechnet. Dovizioso wartete mit punktiert besseren Ergebnissen auf, Iannone zeigte aber durch die Saison hinweg die konstanteren Leistungen. Um Ducati langfristig auf ein Niveau mit Honda und Yamaha zu bringen, ist eine beständige Saison sicher hilfreicher, als vereinzelte gute Platzierungen. Schließlich sollen Podiumsplätze für die Roten in Zukunft die Regel und nicht die Ausnahme sein. Der Punkt geht also an den 2015 konstanteren Iannone.

Punkt drei: Charakter

Andrea Dovizioso: Mit markigen Sprüchen, wilden Feiern oder einem eigenwilligem Charakter kann Dovizioso nicht auftrumpfen. Der Italiener gehört eher zu einem ruhigeren Menschenschlag, hat als einer der wenigen Fahrer in der derzeitigen Startaufstellung schon ein Kind. Dementsprechend wenig polarisiert Desmo Dovi also. Wenn, dann macht er mit guten oder schlechten Leistungen auf der Strecke auf sich aufmerksam. In Sachen Star-Faktor kann Dovizioso also nur wenig punkten.

Andrea Iannone: Im krassen Gegensatz dazu steht Teamkollege Iannone. Nicht nur auf der Strecke macht er mit halsbrecherischen bis fragwürdigen Manövern a la Argentinien auf sich aufmerksam, auch abseits der Strecke polarisiert der 'Maniac' mehr als sein Teamkollege. Nicht nur durch zahlreiche Tätowierungen, auch durch charmant überspielte, weniger gute Englischkenntnisse und einen extravaganten Kleidungsstil punktet Iannone. Ein weiteres, großes Plus: Das Möwen-Helmdesign bei den Phillip Island-Testfahrten, in Gedenken an die mitgenommene Möwe aus dem Vorjahr.

Der Gewinner: Die letzte Kategorie entscheidet Iannone wieder ganz klar für sich. Überall verlangt es das Publikum nach Typen im Motorsport. Iannone ist der Inbegriff dieses Wunsches, nicht umsonst verpasste er sich selbst den Spitznamen 'Maniac'. Schwierig wird es nur, wenn mit Lorenzo ein zweiter Platzhirsch in der Ducati-Garage sein sollte. Dem Nummer-Eins-Anspruch des amtierenden Weltmeisters würde Dovizioso sicher weniger entgegenkommen.

Das Fazit:

Es steht zwei zu eins für Iannone. In puncto Speed liegt Dovizioso zwar vorn, aber die Kategorien Konstanz und Charakter entschied die Nummer 29 dann doch für sich. Theoretisch wäre Iannone damit Kandidat für den Verbleib neben Jorge Lorenzo im Ducati-Werksteam, während sich Dovizioso nach einer Alternative umsehen müsste. Mit zwei Charakterköpfen wie Iannone und Lorenzo in einem Team könnte es jedoch zu Reibereien kommen. Das beste Beispiel dafür ist die Yamaha-Box, seit nunmehr sieben Jahren.