Der Motorradrennsport durchlebte in den letzten Jahren schwierige Zeiten. Die Wirtschaftskrise und damit verbundene finanzielle Engpässe der Hersteller zwangen diese zu Sparmaßnahmen und räumten die Felder der großen Serien wie MotoGP oder Superbike-WM regelrecht leer. Ausgaben in Millionenhöhe für den Sport lassen sich bei Massenentlassungen einfach schwer argumentieren. Doch mittlerweile geht es mit der Konjunktur wieder bergauf und die großen Motorradbauer des Planeten finden den Weg zurück in den Rennsport. Zu den zwischenzeitlich nur drei verbliebenen MotoGP-Herstellern Honda, Yamaha und Ducati gesellten sich in dieser Saison mit Suzuki und Aprilia wieder zwei neue Werke hinzu, KTM folgt 2017. Um Kawasaki ranken sich ebenfalls Rückkehrgerüchte, aktuell fühlt sich die Marke in giftgrün aber in ihrer Position als Dominator der WSBK sehr wohl. So hat sich jeder Hersteller eine tragende Rolle auf den großen Bühnen gesichert, mit einer Ausnahme - BMW.

Vor Jahren schon wurde über einen MotoGP-Einstieg der Münchner spekuliert, geworden ist daraus bis heute nichts. BMW weitete sein Engagement in den Eliteserien des Motorradsports in der jüngsten Vergangenheit nicht aus. Ganz im Gegenteil - man zog sich Ende 2013 sogar werksseitig aus der Superbike-Weltmeisterschaft zurück, wo man zuvor fünf Jahre lang alle Kräfte für den Rennsport gebündelt hatte. Somit verschwand der bayrische Hersteller praktisch völlig aus dem Geschäft der Großen. Doch wo liegen die Gründe für den so bescheidenen Renneinsatz von BMW Motorrad, während die vierrädrige Seite des Konzerns seit jeher von DTM bis Formel 1 um Siege und Titel kämpft? Hat man Angst, gegen die Riesen wie Honda oder Yamaha nicht bestehen zu können? Fehlt das Interesse? Oder mangelt es gar an finanziellen Mitteln?

MotoGP - Nichts als heiße Luft?

Ein MotoGP-Engagement? "Das sind nur Gerüchte, die irgendjemand verbreitet hat. Nicht anderes", winkt Danilo Coglianese, Sprecher von BMW Motorrad, auf Nachfrage von Motorsport-Magazin.com ab. Ein Einstieg sei nie geplant gewesen, auch wenn viele Beobachter die Rolle BMWs als Motorenlieferant zu Zeiten der CRTs als einen ersten Schritt sahen. Nach der Entwicklung des Reglements in Richtung einer reinen Herstellerklasse ab der kommenden Saison wäre dieser Weg aber eine Sackgasse gewesen und so ist BMW mittlerweile wieder völlig aus dem Starterfeld der MotoGP verschwunden. Überdeutlich betont Coglianese, dass ein MotoGP-Team für die Marke nicht in Frage kommt: "Es gibt keine Pläne, dort einzusteigen oder sich zu engagieren. Derartige Überlegungen stehen definitiv nicht auf der Agenda unserer Führungsetage."

In der MotoGP ist man bei BMW nur in Sachen Safety Car unterwegs, Foto: Yamaha
In der MotoGP ist man bei BMW nur in Sachen Safety Car unterwegs, Foto: Yamaha

Klar ist aber, dass sich BMW sehr wohl der ausgezeichneten Werbewirkung der MotoGP bewusst ist, ansonsten würde man nicht seit Jahren die Safety-Cars, Medical-Cars und ähnliche Fahrzeuge an die Serie liefern. Der Grund für das ausbleibende Engagement in der MotoGP liegt im Reglement der Königsklasse, das diese ab 2016 wieder zu einer reinen Prototypen-Meisterschaft macht. Keines der Motorräder im Feld wird dann also noch seine Wurzeln im Straßensport haben. "Für uns ist es wichtig, den Kunden ein Produkt zu präsentieren, das sie bei ihrem Händler kaufen können. Das ist in der MotoGP nicht der Fall, also ist diese Meisterschaft für uns auch nicht interessant", stellt Coglianese klar. Finanzielle Überlegungen würden keine Rolle spielen, beteuert man bei BMW.

WSBK - Neue Strategie

Nachdem ein MotoGP-Einstieg BMWs vom Tisch zu sein scheint, ergibt auch die weitverbreitete Theorie, man habe den werksseitigen Einsatz in der WSBK Ende 2013 für ein Engagement in der Königsklasse geopfert, keinen Sinn mehr. Damals hatte man nach fünf Saisons als Factory-Team der Superbike-WM den Rücken gekehrt. Dabei verlief diese Zeit durchaus erfolgreich für BMW. Nach leichten Anlaufschwierigkeiten in den ersten drei Jahren, in denen es nur zu vereinzelten Podiumsplatzierungen reichte, fuhren Marco Melandri und Chaz Davies in den Jahren 2012 und 2013 zwölf Laufsiege für BMW ein. Melandri beendete die Gesamtwertung in beiden Saisons auf den Rängen drei und vier.

Die sportliche Leistung des Werksteams sei auch nicht ausschlaggebend für den Ausstieg gewesen, erklärt Coglianese: "Unsere Marketing-Strategie hat sich geändert. Schon vor dem werksseitigen Ausstieg haben wir mit Kundenteams gearbeitet, aber jetzt rückt dieser Bereich für uns in den Fokus." 2015 setzte BMW in der Superbike-Weltmeisterschaft im Team Toth und der Truppe von BMW Motorrad Italia drei S-1000-RR-Maschinen ein. Mit den Piloten Imre Toth, Gabor Rizmayer und Sylvain Barrier war man von der Spitze aber meilenweit entfernt.

2013 fuhren Sylvain Barrier und Marco Melandri für das BMW-Werksteam, Foto: BMW AG
2013 fuhren Sylvain Barrier und Marco Melandri für das BMW-Werksteam, Foto: BMW AG

Kann so etwas eine gute Werbung für einen Hersteller sein, wenn Kawasaki, Ducati, Aprilia und Honda in derselben Klasse unterdessen um Siege kämpfen? "Im Moment haben wir nicht die Voraussetzungen, um Rennen zu gewinnen. Da müssen wir ganz realistisch sein", gestand Coglianese im Vorjahr. In den Reihen von BMW sieht man die Schuld für die damals mangelnde Konkurrenzfähigkeit aber weniger bei sich selbst, als vielmehr beim sich zuletzt wenig konstant entwickelnden Reglement der Superbike-WM. Vor der Saison 2013 wurde die neue EVO-Klasse geschaffen, eine Unterkategorie in der WSBK, die den Einsatz von günstigeren Maschinen ermöglichen sollte, wie man es aus der MotoGP von den CRTs oder aus der Open-Klasse kennt. Diese EVO-Klasse wurde als die Zukunft der Superbike-WM angepriesen, weshalb man bei BMW alle Ressourcen für ein Projekt in diesem Bereich bündelte.

Doch 2015 sah alles wieder anders aus, das Reglement für die gesamte Klasse wurde mehr in Richtung Serie getrimmt, wodurch die EVO-Bemühungen der Bayern quasi obsolet wurden. "Die Regeländerungen waren ziemlich hart für uns", hieß es bei BMW, wo man die Unterkategorie als ideale Chance gesehen hatte, Kundenteams einen günstigen Einsatz in der Superbike-WM zu ermöglichen und so das Feld zu füllen.

Markus Reiterberger startet mit Althea BMW zum ersten Mal in der Superbike-WM, Foto: Althea Racing
Markus Reiterberger startet mit Althea BMW zum ersten Mal in der Superbike-WM, Foto: Althea Racing

Trotz aller Schwierigkeiten fühlte man sich im gegangenen Weg bestätigt: "Wir sind mit unserer Strategie bisher sehr zufrieden. Die Zahl der Kunden, die bei uns um technische Unterstützung anfragen, wird ständig größer. Unser Ziel ist es, näher an diesen Kunden dran zu sein und das haben wir erreicht." Dass die großen Schlagzeilen Kawasaki, Ducati oder Aprilia schrieben, empfindet man bei BMW nicht als schlimm, schenkt man den Ausführungen Coglianeses Glauben: "Wenn andere Hersteller ein werksseitiges Engagement bevorzugen, dann ist das schön für sie. Wir haben das in den nächsten Jahren aber auf keinen Fall vor. Das kann ich mit absoluter Sicherheit sagen."

Diese absolute Sicherheit hat sich 2016 aber schon wieder erledigt. Zur aktuellen Saison gehen mit Markus Reiterberger und Jordi Torres zwei Piloten für das BMW-Werksteam Althea Racing an den Start. Des weiteren hat man noch ein zweites Team im Einsatz, dass jedoch keine direkte Werksunterstützung erhält. Karel Abraham und Josh Brookes starten 2016 für das Milwaukee BMW-Team. Alle vier Piloten fahren mit der BMW S1000RR, die seit 2009 in der Superbike-WM im Einsatz ist.

Warum es nun doch zu einem werksseitigen Einsatz von BMW gekommen ist, lässt das Unternehmen nicht durchblicken. Fest steht allerdings, dass man mit Althea Racing einen starken Partner mit viel Erfahrung an seiner Seite hat. Mit Carlos Checa konnte man 2011 immerhin den Fahrertitel in der Superbike-WM holen, auch, wenn man zu diesem Zeitpunkt noch mit Ducati unterwegs war. Mit der gesammelten Erfahrung kann das Team BMW trotzdem optimal bei einem erneuten Einsatz unterstützen. Mit Markus Reiterberger und Jordi Torres hat man einen Rookie und einen erfahrenen Piloten im Team. Diese Kombination trug zuletzt in der MotoGP beim Suzuki-Team mit Maverick Vinales und Aleix Espargaro Früchte. Im ersten Saison-Rennen fuhr Reiterberger im zweiten Rennen und Torres im ersten Rennen auf einen guten achten Platz.

Kundensport - Von der Isle of Man bis Brasilien

Auf absehbare Zeit scheint die Strategie im Hause BMW also klar - lieber viele Kundenteams in unterschiedlichsten Serie weltweit zu unterstützen, als eine Menge Geld in ein oder zwei Werksteams in MotoGP und WSBK zu verbrauchen, wie es andere Hersteller machen. Eine durchaus verständliche Entscheidung, sind Kundenteams doch oft eng mit Händlern und Importeuren in den jeweiligen Ländern verbandelt, die schlussendlich dafür sorgen, dass BMW-Motorräder auf der ganzen Welt zum Straßenbild gehören.

2011 fuhr BMW mit Rhen Cullen und Steve Heneghan die Isle of Man-TT, Foto: Toni Börner
2011 fuhr BMW mit Rhen Cullen und Steve Heneghan die Isle of Man-TT, Foto: Toni Börner

Tatsächlich ist man mit den beiden Modellen S 1000 RR und HP4 im Kundensport überaus aktiv. Am meisten Beachtung findet hier zu Lande wohl das Engagement in der Superbike-Klasse der IDM, wo man im Vorjahr mit den VanZon-Remeha-Piloten Markus Reiterberger und Bastien Makels sowie Stefan Nebel auf einer HP4 im Team von Wilbers Racing drei Fahrer unter die Top-Five der Gesamtwertung brachte. Noch deutlich erfolgreicher verliefen die Aktivitäten der BMW-Kundenteams im Straßenrennsport abseits des europäischen Festlandes, allen voran auf der Isle of Man. Michael Dunlop konnte gleich drei Klassen auf BMW-Maschinen für sich entscheiden, darunter die prestigeträchtige Senior TT.

BMW-Motorräder werden auch auf allen anderen Kontinenten eingesetzt, etwa in Japan, Südafrika, Neuseeland oder Brasilien, wo man mit Ex-MotoGP-Star Alex Barros in der Moto1000GP sogar einen echten Spitzenpiloten an Bord hat. Über 150 Teams weltweit setzen die Bikes Made in Germany ein. Hierzu hat man bei BMW ein gewaltiges Netzwerk an Experten aufgebaut, die den Kunden beim Einsatz der S 1000 RR oder der HP4 behilflich sind, sollte das nötig sein.

Um den Einsatz von BMW-Motorrädern für die Teams noch attraktiver zu machen, wurde sogar eigens die sogenannte BMW Motorrad Race Trophy ins Leben gerufen, an der alle Piloten der kleineren nationalen oder lokalen Meisterschaften teilnehmen. Anhand ihrer jeweiligen Resultate werden Punkte in der Race Trophy vergeben, am Ende werden die besten 15 Fahrer weltweit belohnt und können sich über finanzielle Unterstützung freuen.

Magere Vergangenheit

Das aktuell geringe Interesse BMWs an Siegen und Titeln in den beiden großen Serien MotoGP und Superbike-WM ist für das Unternehmen hingegen nicht neu. Gemessen an der großen Tradition kann die bayrische Marke auf höchst überschaubare Erfolge zurückblicken. Gelangen in der WSBK in den fünf Jahren des Werksengagements zumindest noch zwölf Rennsiege, sieht die Bilanz in der MotoGP beziehungsweise der Vorgängerklasse bis 500ccm noch deutlich schlechter aus.

Auch mit Federico Sandi testete BMW in der MotoGP, Foto: Milagro
Auch mit Federico Sandi testete BMW in der MotoGP, Foto: Milagro

Seine Glanzzeiten erlebte BMW dort in der zweiten Hälfte der 1950er Jahre. Walter Zeller war damals der herausragende Pilot und holte fünf Podiumsplatzierungen, darunter drei Mal Rang zwei. Ein Sieg blieb ihm aber ebenso verwehrt wie ein WM-Titel. In seiner besten Saison 1956 musste er sich dem legendären John Surtees geschlagen geben und wurde Vizeweltmeister. Dickie Dale 1958 beim Grand Prix von Schweden und Hans-Günter Jäger 1961 ließen jeweils mit Position drei die bislang letzten beiden Podiumsplatzierungen für BMW in der Königsklasse folgen. 86 Weltmeisterschaftspunkte und sieben Podestplätze, aber kein einziger Sieg stehen aktuell in der Erfolgsliste der Münchner. Seit 44 Jahren konnte man keinen Zähler mehr einfahren.

Im Jahr 2012 versuchte sich BMW in der MotoGP in einer neuen Rolle - der des Motorenlieferanten. Durch die neu geschaffene CRT-Klasse wurde es möglich, getunte Superbike-Motoren einzusetzen und diese in Chassis kleinerer Schmieden zu verbauen. Bei Forward Racing und IodaRacing wurden BMW-Triebwerke in Suter-Chassis verbaut, Colin Edwards und Danilo Petrucci holten so immerhin 45 Zähler. In der Folgesaison verlor man Forward Racing als Kunden, nachdem der italienische Rennstall von nun an auf Kawasaki-Motoren setzte. Dafür stockte IodaRacing auf zwei Maschinen auf und brachte neben Petrucci auch noch Lukas Pesek an den Start. Für Punkte sorgte aber nur der Italiener, 26 waren es an der Zahl.

Mit der Umstellung von CRTs auf das Open-Reglement mit Saisonbeginn 2014 verschwanden die Suter-Chassis aus der MotoGP und mit ihnen die BMW-Motoren, da das Projekt stets von Eskil Suter vorangetrieben wurde und BMW sich mehr oder weniger nur als Unterstützer sah. Damit schloss sich das Kapitel MotoGP bei BMW wohl für eine längere Zeit.