2013 hat Ducati den Tiefpunkt erreicht. Sechs Jahre nach dem Titel-Triple in Team-, Konstrukteurs- und Fahrerwertung mit Casey Stoner beendet man die Saison ohne eine einzige Podiumsplatzierung. Und das, obwohl neben Ducati gerade einmal zwei Hersteller vertreten sind. Doch die beiden japanischen Giganten Honda und Yamaha sind den Italienern in den letzten Jahren völlig enteilt. Zwar ist das V4-Triebwerk von Ducati immer noch das stärkste im Feld, doch hat die Desmosedici im Vergleich mit den anderen Maschinen gravierende Schwächen. Das ist einerseits das Fahrwerk, viel mehr aber noch die mittlerweile über Sieg und Niederlage mitentscheidende Elektronik.

In den folgenden beiden Saisons 2014 und 2015 geht es bei Ducati langsam bergauf. Die Fahrwerksprobleme kriegt man unter der Regentschaft von Gigi Dall'Igna in den Griff. Die im Vergleich mit Honda und Yamaha deutlich weniger ausgereifte Elektronik hängt aber wie ein Klotz am Bein der Ducatisti. Doch was sie damals bremste, macht die Edelschmiede aus Bologna nun so stark.

Andrea Iannone kann mit seiner GP16 schon voll am Gas drehen, Foto: Ducati
Andrea Iannone kann mit seiner GP16 schon voll am Gas drehen, Foto: Ducati

Ducati-Erfahrung mit Magneti Marelli

Seit Jahren nämlich arbeitet Ducati bei der Entwicklung seiner Elektronik bereits intensiv mit Magneti Marelli zusammen, das 2016 ja auch erstmals die Einheitssoftware für alle Hersteller liefert. Während Honda oder Yamaha nun also erst daran arbeiten, die im Vergleich zu ihren eigenen Programmen teilweise völlig unterschiedlichen Lösungsansätze der Magneti-Marelli-Elektronik zu verstehen, weiß Ducati schon genau, was zu tun ist. "Uns fehlt noch das Verständnis, um die Elektronik richtig zum Arbeiten zu bekommen", attestierte Marc Marquez etwa nach den Sepang-Tests. Probleme, die man bei Ducati nicht mehr kennt.

Diese Abstimmungsarbeiten hat man nämlich bereits in den letzten beiden Saisons vorgenommen. 2014 wechselte Ducati ja überraschend in die neu geschaffene Open-Klasse, um nach dem Horrorjahr 2013 von den Zugeständnissen zu profitieren, die dadurch verpflichtende Einheitselektronik nahm man billigend in Kauf. Mit zunächst vier und im Vorjahr sogar schon sechs eingesetzten Maschinen, die allesamt mit Magneti-Marelli-Software liefen, konnte man jede Menge Daten sammeln.

Das macht sich nun bezahlt. Vor allem beim Herausbeschleunigen aus engen Kurven haben die Ducatis derzeit die Nase vorne, liegen in diesem Bereich sogar vor den Werks-Yamahas, die mit Valentino Rossi und Jorge Lorenzo die Sepang-Tests dominierten. "Ich bin hinter einigen Ducati-Piloten nachgefahren. Der Unterschied zwischen ihrem Bike und unserem ist massiv", musste Honda-Pilot Marquez nach den drei Tagen in Malaysia feststellen. Sein Markenkollege Cal Crutchlow schiebt Ducati sogar die Favoritenrolle für den Saisonauftakt zu. "Ich wäre sehr überrascht, wenn sie in Katar nicht gewinnen", sorgte Crutchlow mit seiner Einschätzung für einige verdutzte Gesichter. "Sie haben einen großen Vorteil mit der Elektronik. Yamaha ist hier zwar auch stark, aber bei weitem nicht auf dem Niveau wie Ducati."

Lorenzos Fabelzeiten in Sepang waren nicht der Elektronik geschuldet, Foto: Milagro
Lorenzos Fabelzeiten in Sepang waren nicht der Elektronik geschuldet, Foto: Milagro

Wie lange hält der Ducati-Vorteil?

Wenn Andrea Dovizioso oder Andrea Iannone in Katar tatsächlich um den Sieg kämpfen, wäre es zumindest keine Überraschung. Bereits im Vorjahr standen beide Ducatisti auf dem Podium, Dovizioso verpasste nach seiner Pole Position am Samstag den Sieg nur um 0,174 Sekunden. Im Laufe der Saison ging es für Ducati aber wieder bergab, am Saisonende hatte man gegen Honda und Yamaha kaum etwas zu melden. Ein Trend, der sich 2016 wiederholen könnte. Die Gründe liegen auf der Hand. Auch die Konkurrenz wird die Elektronik früher oder später in den Griff bekommen und so die Lücke zu Ducati verkleinern, vielleicht sogar völlig schließen. Die große Frage ist nur, wann das der Fall sein wird.

Bei Ducati gefällt man sich jedenfalls in der neuen Situation. Große Sprüche werden nicht geklopft, die Piloten, allen voran Andrea Iannone, sind aber vorsichtig optimistisch. "Die Elektronik ist in diesem Jahr ein Rückschritt, aber ich habe nun sogar mehr Spaß", grinste er in Sepang. Auch Rennchef Paolo Ciabatti stapelte tief: "Der erste Eindruck der Elektronik ist positiv. Wir haben in diesem Bereich aber schon in Valencia und Jerez im Vorjahr gesehen, dass wir auf einem guten Weg sind." Am 20. März wird sich in Losail zeigen, ob Cal Crutchlow mit seinem Loblied oder die Ducati-Fraktion mit dem Understatement Recht hatte.