Es war die wohl geschichtsträchtigste Pressekonferenz in der Geschichte der MotoGP. Kaum jemand ahnte an diesem 22. Oktober in Sepang, was sich in den kommenden Minuten abspielen würde, als Valentino Rossi und Marc Marquez gut gelaunt nebeneinander Platz nahmen. Die Pressekonferenz begann mit unverfänglichen Worthülsen und auch die Frage, wie oft denn die Protagonisten des Vierkampfes von Phillip Island, also Rossi, Marquez, Jorge Lorenzo und Andrea Iannone, das Rennen noch angesehen hätten, sollte im Normalfall kein mediales Erdbeben auslösen.

Doch dann folgte die Antwort Rossis, die den ganzen MotoGP-Zirkus auf den Kopf stellen sollte. Er bezichtigte seinen früheren Kumpel Marquez, im Australien-GP mit ihm gespielt zu haben, da er Lorenzo helfen wolle, den Weltmeistertitel zu holen. Rossi sprach mit dem für ihn so typischen Lausbubengrinsen auf den Lippen, ein gewisser Ernst war aber doch zu erkennen. Endgültig Schluss mit lustig war dann im Anschluss an die Pressekonferenz, als Rossi vor die italienische Presse trat und dort eine Wutrede gegen Marquez hielt, die sich gewaschen hatte. Der Altmeister ließ kein gutes Haar an seinem jüngeren Herausforderer.

Die Zeit der Freundschaft zwischen Rossi und Marquez ist vorbei, Foto: Milagro
Die Zeit der Freundschaft zwischen Rossi und Marquez ist vorbei, Foto: Milagro

Nakamoto erinnert an Rossis frühere Rivalen

Die MotoGP-Welt war fassungslos. So etwas hatte man noch nicht erlebt und nach der bisherigen Beziehung zwischen Rossi und Marquez war so eine Attacke des einen auf den anderen auch nicht absehbar, zumindest für die meisten Beobachter. HRC-Vizepräsident Shuhei Nakamoto hatte hingegen eine Vorahnung. "Valentino hat seine Rivalen in der Vergangenheit auch schon angegriffen, zum Beispiel Gibernau oder Stoner", gibt er im Gespräch mit der 'Marca' zu bedenken. "Dieses Mal war eben Marc dran." Rossi nütze sein unglaubliches Standing unter dem MotoGP-Publikum dabei eiskalt aus: "50 Prozent der MotoGP-Fans sind auch Fans von Valentino und glauben daher, was er sagt. Daran kann Honda nichts ändern."

Ändern kann Honda in Person von Nakamoto zwar nichts, aber seinen Standpunkt zu der endgültigen Eskalation durch die Kollision von Sepang dennoch klar festlegen. "Dieser Vorfall war meiner Meinung nach absolut inakzeptabel", so Nakamoto gegenüber 'As'. "Valentino hat dafür aber seine Strafe bekommen, also ist die Sache für mich erledigt." In der kommenden Saison hofft Nakamoto deshalb wieder auf mehr echtes Racing und weniger Polemik: "Es ist gut, dass Valentino und Marc jetzt etwas zur Ruhe kommen und Weihnachten genießen konnten. Ich hoffe, dass sie nun etwas entspannter in die neue Saison starten und faire Kämpfe auf der Strecke zeigen, anstatt sich in den Pressekonferenzen oder im Fahrerlager zu bekriegen. Diese Dinge will ich nie mehr sehen."

In der Vergangenheit zeigten Rossi und Marquez genialen Rennsport, Foto: Milagro
In der Vergangenheit zeigten Rossi und Marquez genialen Rennsport, Foto: Milagro

Telemetriedaten vorerst unter Verschluss

Einen entscheidenden Anteil daran, dass die Situation nicht weiter eskalierte, hatte Honda, als man in Valencia nicht wie angekündigt die Telemetriedaten von Marquez' Bike veröffentlichte, welche Licht ins Dunkel der Kollision bringen hätten und Rossi als Übeltäter überführen hätten sollen. Das sorgte aber natürlich wieder für Spekulationen, die Daten würden nicht das von Honda gewünschte Ergebnis bringen, weshalb man nun einen Rückzieher mache. Mutmaßungen, die Nakamoto vehement abwehrt: "Die Dorna hat uns gebeten, sie nicht zu veröffentlichen und wir akzeptieren diese Entscheidung. Vielleicht ändert sich ja in der Zukunft etwas daran. Es liegt an der Dorna ob wir sie zeigen oder nicht. Wir haben die Daten jedenfalls. Wenn Honda so etwas behauptet, dann stimmt es auch."