Die Nachwehen des dramatischen MotoGP-Saisonfinales 2015 sind immer noch zu spüren, besonders stark bei Yamaha. Auch wenn es zwischen Valentino Rossi und Jorge Lorenzo im gesamten Jahr keine kontroverse Auseinandersetzung gab, herrscht im Weltmeisterteam dicke Luft. Rossi fühlte sich von der spanischen Allianz mit Jorge Lorenzo und Marc Marquez um den Titel gebracht, Lorenzo hingegen sieht sich aufgrund von mehr Siegen, Pole Positions und Führungsrunden ohnehin als verdienter Champion.

Die Folge: Seit dem letzten Rennwochenende in Valencia, wo Rossi trotz einer Aufholjagd vom Ende des Feldes auf Platz vier den Titel verlor, haben die beiden Stallgefährten kein Wort mehr gewechselt. Auch bei gemeinsamen Auftritten wie auf der Motorradmesse EICMA in Mailand hatten sie sich nichts zu sagen, eine Party von Yamaha wurde aufgrund der angespannten Atmosphäre sogar abgesagt. "Bisher habe ich seit dem Finale nicht mit Valentino gesprochen", bestätigt Lorenzo. "Aber dafür wird sicher noch Zeit sein."

Teamerfolg wichtiger als Machtspiele

Eine völlige Eskalation des teaminternen Kampfes zwischen ihm und Rossi, so wie in ihrer ersten gemeinsamen Yamaha-Ära von 2008 bis 2010, befürchtet Lorenzo nicht: "Wir werden uns auf jeden Fall weiterhin respektieren. Das ist das Wichtigste. An unserem Verhältnis wird sich also nichts ändern. Es wird aber sicher auch weiterhin Momente geben, in denen es zu Spannungen kommt." Wichtig sei laut Lorenzo aber, diese Spannungen nicht die Arbeit im Team beeinträchtigen zu lassen. Diese hatte in den vergangenen drei Saisons zwischen Rossi und ihm ausgezeichnet funktioniert, weshalb Yamaha in diesem Jahr auch wieder die Vormachtstellung von Honda zurückerobern konnte. "MotoGP ist ein Einzelsport, aber wir kämpfen in denselben Farben. Wir alle denken jetzt schon an 2016 und wie wir dann eine gute Atmosphäre im Team schaffen können. Ich konzentriere mich jedenfalls auf die Zukunft", stellte Lorenzo klar.

Auf der Strecke ging es 2015 zwischen Lorenzo und Rossi immer fair zu, Foto: Yamaha
Auf der Strecke ging es 2015 zwischen Lorenzo und Rossi immer fair zu, Foto: Yamaha

Die Forderung des amtierenden Weltmeisters nach Einheit im Team kommt nicht von ungefähr. Die abgelaufene Saison mit dem sportlichen Abstieg Hondas hat eindrucksvoll gezeigt, wie schnell sich das Blatt in der MotoGP wenden kann. Umso mehr gilt das für das nächste Jahr, wo die Einheitselektronik und die neuen Michelin-Reifen für alle Hersteller einen Neubeginn darstellen. "An die vereinfachte Elektronik müssen wir uns noch gewöhnen", gibt Lorenzo zu. "Ein paar andere Teams wie Suzuki haben das schon besser geschafft. Sie haben aktuell einen Vorteil. Außerdem sind die Michelin-Reifen völlig anders als die Bridgestones, was das Kräfteverhältnis wohl auch leicht verändern wird. Am Ende werden aber wohl wieder die talentiertesten und erfahrensten Fahrer ganz vorne sein."

Wer sind diese Fahrer für Lorenzo? "Marc und Dani werden sicher nächstes Jahr um den Titel kämpfen, aber auch Valentino und ich sollten ohne größere Probleme um Siege fahren können", glaubt Lorenzo, warnt aber gleichzeitig vor den in dieser Saison noch deutlich geschlagenen Herstellern. "Suzuki war bei den Testfahrten auch wirklich stark und sie könnten ein Wörtchen an der Spitze mitreden, ebenso wie Ducati. Sie waren schon in diesem Jahr sehr gut und werden sich wohl noch einmal steigern."