Ein Elektro-Schock fuhr in Valencia durch das MotoGP-Paddock. "Mit der neuen Elektronik hat sich meine Honda angefühlt wie ein komplett anderes Bike. Das ist ein klarer Schritt zurück", lautete Dani Pedrosas erschütterndes Fazit nach der ersten Ausfahrt mit der neuen Einheitselektronik von Magneti-Marelli. Weltmeister Jorge Lorenzo war sich schon nach wenigen Runden mit der neuen Software sicher: "Es wird für alle hart, mit dieser Elektronik das richtige Gefühl für das Motorrad aufzubauen."

Testtag eins in Valencia bedeutete nicht nur das Ende der Bridgestone-Ära und den gleichzeitigen Beginn des Michelin-Zeitalters, sondern auch den Abschied der Hersteller von ihrer eigenen ECU-Software. Künftig werden alle Motorräder in der Startaufstellung vom gleichen Computerprogramm gesteuert - egal ob Ducati, Suzuki, Honda, Aprilia oder Yamaha.

Viel Arbeit für alle Teams

Das sorgt vor allem bei den beiden siegfähigen Herstellern - deren Software deutliche leistungsfähiger war als jene der Konkurrenten - für Unmut. "Es wird schwierig, das gleiche Level zu erreichen, das wir gewohnt waren", sagte Marc Marquez nach dem ersten Test. "Wir müssen in diesen Bereich viel Zeit investieren, denn es sieht so aus als wäre es ein Schritt zurück."

Nicht umsonst hatte sich vor allem Honda lange gegen die Einführung der Einheits-ECU (Electronic Control Unit) gewehrt. Doch a die Software-Entwicklung sich in den vergangenen Jahren zum Millionengrab entwickelte, mussten FIM und Dorna reagieren, um durch die Einführung der neuen Software neue Hersteller anzuziehen. Der Erfolg gibt den Verantwortlichen Recht, denn sowohl Suzuki, als auch Aprilia und KTM nannten die Standard-ECU als einen der Hauptgründe für den Wiedereinstieg.

Nun haben die einzelnen Teams allerdings einen langen Weg vor sich. Gewohnte Standards wird man so schnell wohl nicht mehr erreichen. "Die neue Elektronik wirft uns zurück. Nicht nur ein bisschen, sondern eigentlich um viele Jahre", ist sich Pedrosa sicher. "Das Elektronik-Setup war dermaßen schlecht, dass ich nicht einmal den neuen Motor, den ich eingesetzt habe, richtig beurteilen konnte."

Sicherheitsrisiko für die Fahrer?

Könnte sich die neue Software sogar als Sicherheitsrisiko für die Fahrer herausstellen? Immerhin sah man am ersten Testtag gleich 15 Stürze, was freilich auch den neuen Michelin-Reifen geschuldet war, wie einige Piloten zu Protokoll gaben. Pedrosa warnt: "Es gibt gewisse Aspekte der neuen Elektronik, die wir verbessern müssen, um unsere Sicherheit zu erhöhen. Da müssen alle Hersteller zusammenarbeiten."

Essenzielle Dinge wie Anti-Wheelie oder Traktionskontrolle werden bei den aktuellen MotoGP-Bikes über die Software gesteuert. Was passiert, wenn diese ausfällt, sah man im vergangenen Jahr in Aragon bei Pedrosa: Als ihm Marquez ein Sensorkabel abfuhr, kam der Katalane keine zwei Kurven weit, bevor er per Highsider abflog.

Jack Miller - auf einer Open-Honda schon die ganze Saison auf der nun für alle verpflichtenden Software unterwegs - sah sich als ungehörter Prophet: "Ich höre, dass die anderen Jungs Probleme damit haben. Aber wir mussten uns das ganze Jahr mit diesem Scheiß abquälen. Niemand hat mir oder Nicky geglaubt, als wir gesagt haben, dass diese Elektronik nicht funktioniert." Doch das ist nun die neue, harte Realität in der MotoGP.