Es hätte wohl niemand gedacht, dass der Zwischenfall beim Malaysia-Grand-Prix zwischen Valentino Rossi und Marc Marquez so große Nachwirkungen haben würde. Die Gemüter spaltet dieser Zwist, der abseits der Strecke begann und am vergangenen Sonntag auf der Strecke eskalierte, wie kein Zweiter. Motorsport-Magazin.com hat die Antworten auf die wichtigsten Fragen im Fall Rossi/Marquez nochmal zusammengetragen.

Was ist in Malaysia passiert?

Begonnen haben die Anfeindungen zwischen Rossi und Marquez bereits nach dem Australien-GP, nach dem Rossi äußerte, dass Marquez sich aktiv in den Titelkampf zwischen ihm und Jorge Lorenzo einmischen würde. Marquez wies diese Anschuldigungen zunächst ruhig zurück, doch am Sonntag in Malaysia eskalierte die Auseinandersetzung. Rossi und Marquez lieferten sich sieben Runden lang ein hartes, aber faires Duell. In Kurve 14 lag Rossi vorn, ging weit und bremste den von außen kommenden Marquez fast vollständig aus. Der Spanier stürzte Augenblicke später, nachdem Rossi ihm zwei lange Blicke zuwarf. Ob dieser Sturz durch einen Tritt des Doktors verursacht wurde, ist noch immer ungeklärt.

Da der Bremshebel an Marquez' Honda durch den Sturz abgebrochen war, konnte der noch amtierende Weltmeister sein Rennen nicht fortsetzen. Rossi fuhr sein Rennen zu Ende und landete hinter Sieger Dani Pedrosa und Jorge Lorenzo als Dritter im Parc Ferme. Nach dem Rennen wurden die beiden Widersacher zur Rennleitung zitiert, um ihre jeweiligen Seiten des Zwischenfalls darzulegen und über eine Strafe zu entscheiden.

Der Kampf zwischen Valentino Rossi und Marc Marquez eskalierte in Malaysia, Foto: Milagro
Der Kampf zwischen Valentino Rossi und Marc Marquez eskalierte in Malaysia, Foto: Milagro

Wie wurde Rossi bestraft?

Die Entscheidung der Rennleitung fiel einseitig aus. Marquez blieb ohne Strafe, obwohl beispielsweise Eurosport-Kommentator Alex Hofmann schon im Rennen anmerkte, dass der 22-Jährige Rossi immens einbremste. Dieser hingegen erhielt für gefährliches Fahren drei Strafpunkte. Allerdings hat Il Dottore bereits einen Strafpunkt in Misano erhalten, nachdem er Lorenzo beim Qualifying im Weg stand. Mit insgesamt vier Strafpunkten auf dem Konto ist jeder Fahrer gezwungen, beim folgendem GP aus der letzten Startreihe ins Rennen zu gehen.

Wie begründete die Rennleitung die Strafe?

Für Rennleiter Mike Webb steht fest, dass Rossi Marquez bewusst von der Strecke oder wenigstens weit nach außen gedrängt hat. Dies falle im Regelwerk der MotoGP unter "unverantwortliches Fahren", auch wenn die Rennleitung davon ausgeht, dass Rossi nicht die Absicht hatte, Marquez zu Fall zu bringen. In diesem Fall hätte man den Altmeister für das Rennen in Valencia komplett gesperrt.

Seitens Marquez hat sich die Rennleitung dafür entschieden, keine Strafe auszusprechen. Der zweifache MotoGP-Champ habe im Gespräch erklärt, dass er sein normales Rennen gefahren und sich um seine eigenen Angelegenheiten gekümmert habe. Auch wenn die Rennleitung diesen Aussagen Marquez' nicht ganz traut, ist das Verlangsamen der Pace eines Gegners jedoch kein Bruch mit dem Regelwerk, kann also nicht bestraft werden.

Während Marquez stürzte, kassierte Rossi 16 Punkte, Foto: Milagro
Während Marquez stürzte, kassierte Rossi 16 Punkte, Foto: Milagro

Was sagen Rossi & Marquez?

Die Ansichten über die Gerechtigkeit dieser Entscheidung könnten bei den beiden Kontrahenten natürlich nicht weiter auseinandergehen. Rossi beteuert, er wollte Marquez nicht zum Sturz bringen und unterstrich seine Äußerung mit detaillierten Erklärungen. Damit sei seine Strafe also hinfällig. Jedoch wurde der Doktor gar nicht für den vermeidlichen Tritt bestraft, sondern für sein unverantwortliches Manöver.

Enttäuscht ist Rossi vor allem über die drei Strafpunkte, da der Italiener sich sonst als fairen Fahrer sieht, der auf der Strecke nie Probleme machen würde. Gerade für Rossi, der im Titelkampf nur sieben Zähler vor Konkurrent Lorenzo liegt, ist der Start aus der letzten Reihe ein kaum überwindbares Hindernis. Deshalb legte die Nummer 46 am Samstag beim Internationalen Sportgericht (CAS) Einspruch gegen die Entscheidung der Rennleitung ein.

Marquez hingegen hält an der Geschichte des vermeintlichen Trittes von Rossi fest. Der 36-Jährige habe schlicht die Kontrolle verloren und ihn dann mit einem Tritt vom Motorrad gestoßen. Vor allem prangerte der Spanier an, dass dies ein neuer Tiefpunkt für den Sport wäre und dass es so weit gar nicht hätte kommen dürfen. Marquez betonte weiterhin, dass er sich nie in den Titelkampf hatte einmischen wollen und Rossis ungerechtfertigte Vorwürfe noch immer nicht verstehe. Zu Rossis Strafe äußerte sich Marquez nur kurz. Rossi habe Punkte sammeln können, er selbst nicht.

Nach seiner Strafversetzung an das Ende vom Grid wird es schwer für Rossi, sich gegen Lorenzo durchzusetzen, Foto: Milagro
Nach seiner Strafversetzung an das Ende vom Grid wird es schwer für Rossi, sich gegen Lorenzo durchzusetzen, Foto: Milagro

Wie sehen die Reaktionen der Motorsportwelt aus?

Die Meinungen von Fans, Experten und Fahrern sind ebenfalls zwiespältig. Marquez als Beteiligter wehrte sich nicht gegen Rossis Strafe. Der Sieger des Malaysia-Rennens, Dani Pedrosa, forderte klarere Regeln, um die Grauzonen der Bestrafungen in Zukunft zu vermeiden. Lorenzo forderte gar eine härtere Strafe für seinen Teamkollegen. Ex-MotoGP-Fahrer Casey Stoner machte deutlich, dass seiner Meinung nach nur Rossis Prestige ihn von einer Disqualifizierung schütze. Viele Medien, vor allem aber die italienische Presse, zerriss ihren Helden geradezu. Die "Gazzetto dello Sport" sprach vom "Weltskandal" und auch englische und spanische Medien ließen kein gutes Haar an dem Rekord-Weltmeister.

Aber es fanden sich auch Fürsprecher für Rossis Aktion. Neben Tausenden von Rossi-Fans auf der ganzen Welt, die eine Petition für die Annullierung seiner Strafpunkte erstellten, findet der Doktor aber auch prominente Sympathisanten. Allen voran Ferrari-Pilot Sebastian Vettel, der vor dem Mexiko-GP klare Worte für das Manöver findet. Der Vierfach-Champion hält den vermeintlichen Fußtritt für absolut gerechtfertigt und auch Ex-MotoGP-Pilot Alex Hofmann gibt zu, dass er das Manöver Rossis nachvollziehen kann.

Zuerst wurde der Zwist zwischen Rossi und Marquez nur in der Pressekonferenz ausgetragen, Foto: Milagro
Zuerst wurde der Zwist zwischen Rossi und Marquez nur in der Pressekonferenz ausgetragen, Foto: Milagro

Welche Chance hat Rossis Einspruch?

Nur wenige Tage nach der Entscheidung der Rennleitung legte Rossi Einspruch beim Internationalen Sportgericht ein. Der Italiener forderte die Reduzierung oder gar Aufhebung der Strafpunkte aus Malaysia. Ob Rossi mit diesen Forderungen durchkommt, ist fraglich. Das Internationale Sportgericht besteht aus objektiven Dritten, die nicht nur über Fälle innerhalb der Motorrad-Weltmeisterschaft entscheiden, sondern auch in anderen Sportarten. Zwar hat das Gericht wesentlich mehr Zeit, den Fall zu bearbeiten und über ein Urteil zu entscheiden als Mike Webb und Co, dennoch wird es Rossi bei einem objektiv entscheidenden Gericht schwer haben. Das endgültige Urteil wird am 06. November veröffentlicht.

Wie wurde Marquez von Journalisten verletzt?

Am Samstag kam es dann noch härter für Marc Marquez. Als der amtierende Weltmeister nach den Übersee-Runden nach Cervera zurückgekehrt war, brachen zwei Reporter des italienischen Satire-Magazins "El Iene" in die Garage des Spaniers ein, um ihn einen Pokal zu überreichen, der seine "Leistungen" im Malaysia-Rennen feiern sollte. Nachdem Marquez die beiden zunächst höflich bat, das Privatgelände zu verlassen, kam es zu einer Auseinandersetzung, bei der sich der Spanier Abschürfungen am Hals zuzog, bevor sein Vater und Bruder die Polizei riefen. Gegen die beiden Reporter wird nun Anzeige erstattet.