Dass Valentino Rossi und Marc Marquez nach dem Manöver beim Malaysia-GP bei der Rennleitung anzutreten hatten, war keine Frage. Doch auch schon auf dem Weg zur Unterhaltung bei der Rennleitung schien sich Rossi keiner Schuld bewusst zu sein. Während Marquez bereits im Büro der Rennleitung wartete, kam der Italiener dazu und begrüßte den Gestürzten mit einem lockeren "Tolles Rennen, oder? War doch schön!". Unverständnis auf Seiten des noch amtierenden Weltmeisters. Mit "Ja, super Fußballspiel von dir." fiel Marquez' Antwort erwartungsgemäß eisig aus.

Doch wie hat der Streit zwischen Altmeister Rossi und Überflieger Marquez eigentlich begonnen? Von der ersten, kleinen Stichelei bis hin zur endgültigen Eskalation beim Grand Prix von Malaysia ist einiges passiert. Motorsport-Magazin.com hat für euch nochmal alle Seitenhiebe zusammengefasst.

Die Situation zwischen Rossi und Marquez eskalierte auf dem Sepang International Circuit, Foto: Repsol
Die Situation zwischen Rossi und Marquez eskalierte auf dem Sepang International Circuit, Foto: Repsol

VR vs. MM: Eine Chronologie

Sonntag, 17.10.2015, Phillip Island

Wer dem Streit zwischen Rossi und Marquez auf den Grund gehen will, muss bis auf das vergangene Wochenende zurücksehen. Nach dem Rennen auf Phillip Island lässt Rossi erstmals verlauten, dass er eine spanische Verschwörung gegen ihn für möglich hält. Lorenzo wird in Down Under Zweiter, Rossi landet nur auf dem vierten Platz. Schuld daran ist laut dem Doktor Marquez, der sich ohne für ihn ersichtlichen Grund in den Titelkampf der beiden Yamaha-Piloten einmischt.

Eine Theorie, die die meisten für Humbug halten, einschließlich dem vermeintlich Schuldigen Marquez. Zwar wechselte die Pace des Spaniers während des Rennens auf Phillip Island deutlich, jedoch erklärt der MotoGP-Champ, dies sei notwendig gewesen, um seine Reifen nicht zu überhitzen. "Ja, das wird es gewesen sein", antwortet Rossi darauf nur sarkastisch. Für ihn steht fest, dass Marquez ihn beim Kampf um den dritten Platz und drei zusätzliche Punkte auf Lorenzo behindert hat. Und auch, wenn Marquez Rossi zu Rennende noch einen Gefallen getan hat, indem er Lorenzo den Sieg in letzter Sekunde wegschnappte, fand Rossi keine freundlichen Worte für seinen Konkurrenten.

Der Kampf zwischen Rossi und Marquez endete nach nur sieben Runden, Foto: Yamaha
Der Kampf zwischen Rossi und Marquez endete nach nur sieben Runden, Foto: Yamaha

Donnerstag, 22.10.2015, Sepang

Nachdem man diese Äußerungen Rossis zum Auftakt des Malaysia-GPs schon mehr oder weniger ad acta gelegt hatte, legte der Altmeister am Donnerstag in Sepang jedoch nach. "Es war klar zu sehen, dass Marc mit uns gespielt hat. Er hatte das Potenzial, sich abzusetzen. Dann hätte es ein anderes Rennen werden können", beklagte sich der Doktor. "Sein Ziel war es bestimmt, nicht nur das Rennen zu gewinnen, sondern auch Jorge dabei zu helfen, mir Punkte abzunehmen. Es ist ganz klar, dass Jorge jetzt mit Marc einen neuen Unterstützter hat."

Damit hielt man die Angelegenheit erneut für beendet, doch Rossi hatte immer noch nicht genug. Im Anschluss an die Pressekonferenz machte er bei den italienischen Medien weiter. "Marc will, dass Jorge gewinnt, weil er sauer auf mich ist. Das ist eine persönliche Angelegenheit seit Argentinien. Marc hat das nie offen zugegeben, aber er denkt, dass ich ihn mit Absicht zu Sturz gebracht habe. Dann kam auch noch Assen", rechtfertigt Rossi sein Denken. "Seiner Meinung nach wollte ich damals nur verhindern, dass er gewinnt. Seitdem steckt das in seinem Kopf und er denkt wie ein Kind: 'Ich werde zwar nicht Weltmeister, aber du sollst es auch nicht werden.' Jorge ist für ihn also das geringere Übel", so der Rekord-Weltmeister.

"Marc war im Rennen eine Stufe über allen anderen, aber anstatt sich mit Jorge um den Sieg zu duellieren, hat er gegen mich und Andrea gekämpft. So hat er eine Lücke zu Jorge entstehen lassen. Sein Pech war, dass Jorge dieses Mal nicht so stark war, sonst wäre das Rennen ohnehin schon gelaufen gewesen. Dann hat er einfach darauf geachtet, in Schlagdistanz zu Jorge zu sein, um ihn am Ende noch schlagen zu können. Gleichzeitig hat er versucht, andere Fahrer zwischen Jorge und mich zu bringen. Das ist ihm am Ende ja auch gelungen." Am Ende zweifelte Rossi sogar noch daran, dass er Marquez' Idol aus Kindertagen sei und verglich ihn noch mit seinem Erzrivalen aus früheren Tagen, Max Biaggi. Marquez' Antwort darauf fiel am Donnerstag noch kontrolliert aus: "Wenn ich Jorge helfen hätte wollen, dann wäre ich sicher nicht in der letzten Runde an ihm vorbeigegangen."

In der Pressekonferenz von Sepang wetterte Rossi erneut gegen Marquez, Foto: Milagro
In der Pressekonferenz von Sepang wetterte Rossi erneut gegen Marquez, Foto: Milagro

Freitag, 23.10.2015, Sepang

Nach Rossis Hass-Tirade auf Marquez am Donnerstag blieb der 22-Jährige gelassen und verlor kein einziges böses Wort über sein ehemaliges Idol. Am Freitag war sogar das Gegenteil der Fall. Marquez beteuerte, dass er Rossis Situation bis zu einem gewissen Punkt nachvollziehen könne. "Ich kann mich in seine Situation hineinfühlen. Auch wenn du Valentino Rossi, Jorge Lorenzo, Dani Pedrosa oder Marc Marquez heißt, spürst du in so einem Titelkampf extremen Druck", erklärte der zweifache MotoGP-Champion.

Den Grund für Rossis plötzliche Vorwürfe gegen ihn kann Marquez jedoch auch nicht nachvollziehen. "Ich war wirklich überrascht und bin es immer noch, so wie alle anderen wohl auch. Wütend bin ich aber nicht. Ich habe auch meinen Respekt für ihn nicht verloren. Es scheint eine neue Strategie von ihm zu sein. Ich verstehe es nicht und weiß auch nicht, was Valentino damit bezweckt", wunderte sich Marquez. "Ich möchte Valentino und Jorge die Bühne überlassen und einen großartigen Kampf zwischen ihnen sehen. Ich will nicht in diesen Zweikampf eingreifen. Er muss Jorge schlagen, nicht mich", erinnert der Spanier Rossi zum Abschluss.

Samstag, 24.10.2015, Sepang

Nachdem Marquez betont ruhig auf Rossis verbale Attacken eingegangen war, legte er am Samstag im dritten Freien Training nach. Marquez folgte Rossi auf der Strecke, was dem Italiener offensichtliches Unbehagen bereitete. Im letzten Freien Training ordnete sich Marquez auf dem Weg aus der Boxengasse genau hinter Rossi ein, sodass dieser seine Runde entnervt abbrach. Für den Italiener eine erneute Bestätigung für Marquez' "dreckiges Spiel", für den Spanier sicher ein spaßiger Seitenhieb.

Eigentlich sollte der WM-Kampf zwischen Valentino Rossi und Jorge Lorenzo ausgetragen werden, Foto: Yamaha
Eigentlich sollte der WM-Kampf zwischen Valentino Rossi und Jorge Lorenzo ausgetragen werden, Foto: Yamaha

Sonntag, 25.10.2015, Sepang

Doch bei den frechen Seitenhieben blieb es am Rennsonntag nicht. Marquez und Rossi kämpften sieben Runden lang hart aber fair gegeneinander, bevor es zur absoluten Eskalation kam. In Kurve 14 verzögerte der nach mehrfachem Hin und Her führende Rossi extrem, sodass der außen fahrende Marquez keine Chance hatte, sein Motorrad aufzurichten. Der Helm des Spaniers berührte kurzzeitig Rossis Knieschoner, während der Italiener sein Knie nach außer drückte und Marquez damit stürzte. Rossi beendete das Rennen auf dem dritten Rang.

"Weltskandal!", wetterten die italienischen Medien daraufhin und auch in den übrigen Teilen der Welt kommt der gefeierte Held der MotoGP nicht besser weg. Die beiden Streithähne wurden nach dem Rennen zur Rennleitung zitiert, vor der Rossi den oben genannten Spruch losgelassen hat. Das schlussendliche Ergebnis: Drei Strafpunkte für den WM-Führenden. Zusammen mit dem Strafpunkt, den der Doktor seit Misano auf dem Konto hat, bedeutet das in Valencia einen Start aus der letzten Reihe. Daraufhin war Rossi so wütend, dass er Dani Pedrosa und Lorenzo bei der Pressekonferenz allein sitzen ließ. Später stand er den Medien jedoch noch Rede und Antwort.

Die Meinungen über das von Rossi begangene Manöver könnten natürlich nicht unterschiedlicher sein. Während der Initiator beteuerte, dass er nicht für Marquez' Sturz verantwortlich ist, ist dieser nur geschockt, während Lorenzo sogar eine noch härtere Strafe für Rossi forderte.

Fein raus: Marc Marquez erhielt von der Rennleitung keine Strafe, Foto: Repsol Media
Fein raus: Marc Marquez erhielt von der Rennleitung keine Strafe, Foto: Repsol Media

Rossi selbst zeigt sich über die Entscheidung der Rennleitung enttäuscht, lässt aber nicht davon ab, weiter gegen Marquez Stunk zu machen. "Marquez ist der Einzige, der unmögliche Bremsmanöver versucht, dich von der Strecke fährt, aber dann sauer wird. Wie es in Zukunft aussieht, weiß ich nicht. Es ist nicht die Zeit, jetzt darüber zu reden. Im Moment wird er wohl glücklich sein, weil er sein Ziel erreicht hat. Er hat die Meisterschaft entschieden, ich habe den Titel verloren."

Auf spanischer Seite werden hingegen sogar eventuelle Fehler eingeräumt. "Natürlich habe ich Valentino gestört, aber er mich ja auch", so Marquez über den Kampf der beiden. Nach dem Rennen jedoch wirkt der Spanier fast verzweifelt. " Ich verstehe die Sichtweise von Valentino und seinem Team nicht. Dieser Kampf kann jetzt nicht mehr weiter gehen. Ein Fahrer hat den anderen zu Sturz gebracht, indem er ihn mit dem Fuß getreten hat. Mehr geht nicht. Meine Meinung über ihn hat sich geändert. Vielleicht verstehen wir uns in der Zukunft wieder besser, aber aktuell will ich das nicht."

Das Nachbeben

Zu weiteren Äußerungen der beiden Fahrer ist es dem "Eklat von Sepang" nicht mehr gekommen. Das Yamaha-Team hat Einspruch gegen die Strafe für Rossi eingelegt, der jedoch bereits zurückgewiesen wurde. Die beiden Beteiligten werden sich erst zum Saisonfinale in Valencia über den Weg laufen, mit so viel Abstand wie nur irgend möglich. In der Presse wird Rossi jedoch sogar von seinen Landsmännern zerrissen. Doch auch Marquez bekommt sein Fett weg, dafür, dass er Rossi behindert haben soll. Wie der Kampf Rossi/Marquez ausgeht, wird sich erst in Valencia entscheiden.