Wer in irgendeiner Form Zweifel hegt, dass die Performance von Jorge Lorenzo in Aragon weltmeisterlich war, der muss blind sein. Es war, wie von Motorsport-Magazin.com prognostiziert, der Return in einem Duell zweier Ausnahmekönner. Wir wollen ja nicht vergessen, dass die beiden übrig gebliebenen WM-Kandidaten über identisches Material verfügen. Was ausreichend gut ist, um Marc Marquez, den Überflieger der letzten zwei Jahre, erneut in einen Sturz zu hetzen. Von der ersten Trainingssitzung bis zur letzten Runde im Rennen war es eine unfassbare Vorstellung von Jorge Lorenzo. An Konstanz und Präzision nicht zu überbieten.

Experten war am Samstag schon klar, dass die Reaktion des wilden Marc Marquez höchstens für eine schnelle Qualirunde gut ist, aber niemals über 45 Minuten Renndistanz funktionieren kann. Dass auch noch ein sehr guter Dani Pedrosa im harten Kampf VR46 wichtige Zähler klaut, sollte man ebenfalls nicht vergessen. Und auch nicht, dass Dani Pedrosa heiß auf seinen ersten Saisonsieg ist. Was wiederum bei den verbleibenden vier Rennen eine Rolle spielen dürfte.

Wow. 14 Punkte Unterschied bei zu vergebenden 100 Zählern. Das verspricht ein Knüller zu werden, wie ihn die MotoGP-Fangemeinde so noch nie gesehen hat. Und ähnlich sind auch die Reaktionen auf die beiden Alphatiere aus dem Team Yamaha. Was mir ehrlich gesagt nicht so gut gefällt. Schon in Misano war es nicht so schön zu beobachten, wie sich 90.000 Gelbkappen in den Armen lagen, nur weil Lorenzo gestürzt war. Klar freut man sich als Fan, aber über einen Sturz des Gegners zu jubeln, ohne zu wissen ob er sich vielleicht verletzt hat? Ich weiß nicht ob das sein muss. Jetzt schon wieder. Lorenzo hat alles in Grund und Boden gefahren und dementsprechend auch Emotionen rausgelassen. Und was urteilen die deutschen Fans in der Mehrzahl? Dass Lorenzo ein Arschloch ist und unangemessen gejubelt habe. Naja, in Deutschland ist halt alles Schwarz oder Weiß. Dazwischen gibt es nichts.

Bradl teilt Lorenzos Schicksal

Das weiß auch ein Stefan Bradl. Der ist eben kein Entertainer wie Valentino Rossi. Aber ist er deswegen ein schlechter Motorrad Rennfahrer? Oder gar wie Ihm in Deutschland oft unterstellt wird ein Unsympath? Nein, ganz und gar nicht. Ich kann Ihnen versichern, dass Stefan Bradl ein überaus liebenswerter, junger Mann ist. Mit einem bayerischen Dickschädel, ja. Aber, na und? Was hätten die so allwissenden Fans denn gerne? Nur Rossi-Klone? Der hat eine Ausnahmestellung, weil er auch ein Ausnahmecharakter ist. Was aber nicht heißen darf, dass andere geringgeschätzt werden weil sie nicht so oft lachen. Klar war der Herr Lorenzo in der Anfangszeit seiner Karriere sehr oft ein echter Kotzbrocken. Aber das war einmal. Klar macht Vale die beste Show und hat die meisten Fans. Aber klar ist auch, dass die anderen deshalb noch lange keine Nasenbohrer sind. Kein Lorenzo, kein Pedrosa und auch kein Bradl.

Auch Lorenzo hat ein Recht auf Siegesfeiern, Foto: Yamaha
Auch Lorenzo hat ein Recht auf Siegesfeiern, Foto: Yamaha

Noch ein Beispiel aus Misano zum Zeitpunkt des Sturzes von Lorenzo: Ex-Moto2-Fahrer Mattia Pasini, auf der Serviceroad stehend. Der Jubel war so groß, als wenn sein Kumpel Vale in dem Moment den Titel Nummer zehn dingfest gemacht hätte. Wenn Pasini vorher im Moto2-Rennen so viel Energie aufgebracht hätte, wie beim Jubel über den Sturz der 99, wäre er wahrscheinlich ganz vorne mitgefahren. Als stiller Beobachter dieser Szene kann ich nur sagen: Was für eine Unfaire Geste! Gerade als Fahrerkollege. Und das ist es, was mich stört. Für mich fahren in der MotoGP nur Ausnahmekönner. In der Moto2 und Moto3 auch. Klar, es gibt Ausnahmen. Klar, auch in der Motorrad-Weltmeisterschaft gibt es Payrider. Aber Helden sind das für mich alle. Und größtenteils auch klasse Typen.

Simeon macht es vor

Wie zum Beispiel Xavier Simeon. Der schießt zwar mit einem blöden Fehler den Domifighter ins Krankenhaus, hat aber auch einen Arsch in der Hose und sitzt eine Stunde später an Aegerters Krankenbett, um sich zu entschuldigen. Und genau so muss es sein. Harte Duelle, ja. Aber unfaire Polemik und unfaire Gesten, nein.

Im Übrigen ist auch der von mir sehr verehrte Herr Rossi kein Kind von Traurigkeit, was beiliegendes Video aus dem Warm Up beweist. Die 46 versteht sich schon auch auf Psychospielchen. Siehe den Penalty in Misano, siehe den Block in der Boxengasse von Aragon. Also bitte, liebe MotoGP-Gemeinde. Nicht immer gleich alles verteufeln. Der, der dieses Jahr Weltmeister wird, wird völlig verdient Weltmeister. Und in vier Rennen wissen wir Bescheid. Es wäre schön, wenn dann auch neidlos anerkannt werden kann, dass dieses verdient ist. Ich bin sicher, die beiden Protagonisten, um die es geht, sind dazu in der Lage. Also bitte die Fans auch. Das wäre dann verdient. Respekt für diese großartige Saison. Jubel über die tollen Rennen. Begeisterung über den besten Motorsport der Welt. Aber bitte keine Polemik und Missgunst mehr. Das gibt es in anderen Sportarten schon genug.