Die Startaufstellung zum Tschechien GP der MotoGP versprach große Spannung, doch wer sich einen Kampf der Giganten erhofft hatte, wurde bitter enttäuscht: Das Rennen war überraschend actionarm. Valentino Rossi fiel sofort beim Start aus dem Kampf um den Sieg heraus und Marc Marquez konnte Jorge Lorenzo nur sieben Runden lang folgen. Der Mallorquiner fuhr einen makellosen Start-Ziel-Sieg ein. Gut für seine WM-Führung, schlecht für die Fans, die auf einen Kampf der drei Giganten gehofft hatten.

Der Kampf zwischen den beiden spanischen Superstars dauerte nicht einmal ein halbes Rennen: Sieben Runden lang belauerte Marquez seinen Yamaha-Rivalen und fuhr dabei in 1:56.048 Minuten sogar die schnellste Runde des Rennens. Die Situation veränderte sich jedoch abrupt in Runde acht: Ab hier riss die Lücke urplötzlich auf. Das Diagramm zeigt, dass Marquez‘ Hinterreifen hier bereits in eine Drop-Phase fiel, während Lorenzo zunächst weiter seine Zeiten fahren konnte. In Runde 12 hatte Lorenzo mutmaßlich durch einen Fahrfehler einen Ausreißer, weshalb diese Zeit hier nicht aufgeführt ist. Sie belief sich auf 1:57.046 Minuten. Erst später wurden auch seine Zeiten langsamer.

Hier zeigt sich der schonende Umgang der Yamaha mit ihren Reifen. Marquez‘ harter Reifen baute wesentlich früher ab. Das ist ein Indikator dafür, dass er in den ersten Runden bereits am absoluten Limit war, während sich Lorenzo sein Material einteilen konnte. "Ich bin in den ersten Runden enormes Risiko gegangen", bestätigte der amtierende Weltmeister nach dem Rennen. Auf dem Masaryk Ring zählt ein schnörkelloser, sauberer Fahrstil, was Lorenzo entgegenkommt. Zudem gilt die Yamaha als sehr sanft, während Marquez mit der Honda einen härteren Fahrstil bevorzugt, der auf die langgezogenen Kurven in Brünn nicht wirklich passt. So war das Rennen noch vor Halbzeit entschieden.

Rossis Probleme: Reifen oder Rhythmus?

Valentino Rossi hingegen enttäuschte auf ganzer Linie. Schon beim Start war die gute Ausgangsposition hinüber und das Rennen begann wie üblich: Erst verschiedene Gegner (in diesem Fall Smith und Dovizioso) überholen und dann Jagd auf die enteilte Spitze machen. Zur allgemeinen Überraschung aber konnte Rossi nichts nach vorne ausrichten, im Gegenteil. Der Abstand zeigt, dass Rossi gerade in der ersten Hälfte des Rennens viel an Boden verlor.

Es zeigt sich, dass Rossi, nachdem Marquez erst einmal gegenüber Lorenzo abreißen lassen musste, das Tempo des Honda-Piloten durchaus gehen konnte. Marquez sagte dazu in der Pressekonferenz, dass er den Abstand kontrolliert habe. Gegen Jorge Lorenzo hingegen sah Rossi das ganze Rennen über kein Land. Selbst den Zeitverlust am Start herausgerechnet, verlor er bei freier Fahrt siebeneinhalb Sekunden bis zur vorletzten Runde. Das lässt Spielraum für zwei Interpretationen.

Hypothese A: Falsche Reifenwahl

Valentino Rossi wählte vorne wie hinten harte Reifen. "Auf denen habe ich mich bislang am wohlsten gefühlt", begründete er. Das Verhalten der Reifen in der MotoGP ist nicht zu vergleichen mit dem in der Formel 1. Ein härterer Reifen ist nicht immer langsamer, hält aber auch nicht unbedingt länger (s. Marquez). Allerdings könnte die harte Variante hier tatsächlich die verkehrte Wahl gewesen sein: Selbst in den letzten Runden war Lorenzo noch schneller als Rossi. Weil es keine direkte Sonneneinstrahlung wie am Freitag gab, war die Strecke 15 Grad kühler, was dem Medium-Reifen, den Lorenzo vorne wie hinten verwendete, mehr geholfen haben wird.

Ohne jede Chance: Rossi brauchte sogar mehrere Runden, um Dovizioso endgültig abzuschütteln, Foto: Milagro
Ohne jede Chance: Rossi brauchte sogar mehrere Runden, um Dovizioso endgültig abzuschütteln, Foto: Milagro

Hypothese B: Zerstörter Rhythmus durch Zweikampf

Rossi selbst sagte allerdings nach dem Rennen, dass es nicht an den Reifen gelegen habe. Er sah den Grund woanders: "Ich hatte keinen Rhythmus und konnte die Pace vom Samstag nicht gehen." Das ist nicht abwegig: Rossi hatte in den ersten beiden Runden ein hartes Duell mit Andrea Dovizioso. Während Lorenzo und Marquez ungestört ihren jeweiligen Rhythmus schnell fanden, musste Rossi unkonventionelle Linien fahren, um die wegen ihrer Motorleistung nur schwer überholbare Ducati hinter sich zu lassen. Danach braucht es erst ein paar Runden, bis man seinen Rhythmus findet.

Am wahrscheinlichsten ist ein Zusammenspiel beider Faktoren: Dass der harte Reifen langsamer war, steht außer Frage, schließlich konnte Rossi nie das Tempo von Lorenzo gehen. Allerdings zeigt sich auch, dass der Abstand in der ersten Rennhälfte deutlich stärker anwuchs als hinten raus - ein Indiz dafür, dass Rossi nach dem Kampf mit Dovizioso erst einmal eine komfortable Gangart finden musste. Seine Zeit verlor er überwiegend in den Sektoren 1 und 4, während er in den langsameren Sektoren zwei und drei mit Lorenzo mithalten konnte. Das bedeutet, dass das Problem eher beim Herausbeschleunigen auf Geraden lag als bei der Kurvenfahrt direkt.