Ja, es gibt auch MotoGP-Fahrer, die nach dem Sachsenring tatsächlich Urlaub von der anstrengenden ersten Saisonhälfte machen konnten. Marc Marquez postet munter Swimmingpool-Selfies, Aleix Espargaro ist häufig an Bord einer Yacht zu sehen, Valentino Rossi trainiert weiterhin so viel wie nie zuvor und fährt Driftrennen mit seinen italienischen Nachwuchskumpels auf seiner Trainingsranch. Selbstgewählter Aktivurlaub auf dem Weg zu Titel zehn? Nur drei Beispiele der freien Urlaubswahl. So gut hat es längst nicht jeder Aktive aus der Motorradweltmeisterschaft. Fragen Sie doch mal bei den Gegenbeispielen nach!

Zum Beispiel bei Ricky Cardus. Der Teamkollege von Marcel Schrötter bei Tech 3 musste nämlich die Kündigung hinnehmen. Schwer zu verstehen, zumal Cardus nicht nur einen guten Sponsor mitgebracht hat, sondern leistungsmäßig gar nicht so viel schlechter als sein talentierter Kollege aus Bayern da stand. Alles egal, Cardus ist entsorgt, damit ein gewisser Xavi Vierge jetzt WM-Erfahrung sammeln kann. Der 18-Jährige ist aktuell zweiter in der spanischen Meisterschaft. Und fährt dort ebenfalls das technische Moto2-Problem namens Mistral 610 aus dem Hause Tech 3. Klingt jetzt nicht gerade nach einer Garantie für eine sofortige Resultatsverbesserung. Siehe auch die Leistungen von Jesko Raffin und Florian Alt. Die beiden haben letztes Jahr die Moto2 auf der iberischen Halbinsel dominiert und fahren in der WM hinter her.

Ende einer WM-Karriere?

Cardus war zu Beginn der Saison 2014 als Notnagel ins Tech3-Team gekommen, nachdem sich der eigentlich geplante Testfahrer Alex Marinelarena schwer verletzt hatte. Cardus schaffte immerhin schon mal einen siebten Platz. Jetzt hat er seine Schuldigkeit getan. Rausschmiss im Sommerurlaub, mit Sicherheit ohne dass vom französischen Team irgendjemand "Merci" gesagt hat. Nicht die einzige kuriose Meldung um das Tech3-Team rund um die Sommerpause. So fährt Marcel Schrötter mit einer vier Jahre alten Feder am hinteren Stoßdämpfer herum, weil diese seit Assen auf Befehl des Teams eingesetzten Kayaba Federelemente nur einen einzigen Vorteil bringen: Sie kosten nix. Armer Ricky Cardus, armer Marcel Schrötter.

Noch krasser erging es Isaac Vinales: Der ist zwar bei WM-Halbzeit guter Achter in der Moto3. Aber das reichte nicht für den 21-jährigen Cousin von MotoGP-Fahrer Maverick. Rausschmiss beim Husqvarna Factory LaGlisse Team statt Urlaub und Entspannung. Nachfolger Lorenzo Dalle Porta - jede Wette - wird nicht an die Resultate seines Vorgängers heran kommen. Vinales, WM-Siebenter von 2014, wird trotzdem in Indy antreten. Und zwar im Team von Aleix Espargaro als Ersatz für die verletzte Ana Carrasco. Es sollte keinen überraschen, wenn Isaac Vinales in Indy und vielleicht auch in Brünn um Podestplatzierungen mitkämpfen kann. Das Niveau dazu hat er auf jeden Fall. Trotzdem eine nicht gerade entspannte Ferienzeit.

Bei LCR trafen versprochene Sponsorgelder nicht ein, Foto: Honda
Bei LCR trafen versprochene Sponsorgelder nicht ein, Foto: Honda

Entspannung gibt es bei Lucio Cecchinellos LCR Honda Team schon länger nicht mehr. Da ging das Chaos schon lange vor der Sommerpause los, als nämlich klar wurde, dass mindestens 2.5 Millionen Euro des Hauptsponsors CWM das LCR-Team niemals erreichen werden. Neben dem Besuch der englischen Polizei in den CWM-Büros in London, wurden dann auch noch Vorwürfe sexueller Belästigungen von drei Mitarbeiterinnen an Firmenchef Anthony Constantinou bekannt. Unglaublich, was sich so alles im Fahrerlager präsentieren darf. Dass es mit der LCR-Mannschaft von Lucio Cecchinello ausgerechnet einen der fairsten und wohl am härtesten arbeitenden Teamchefs trifft, ist fast schon tragisch. Selbst mit unermüdlichem, Tag und Nacht präsentiertem Einsatz des Teamchefs wird LCR mitten in der Saison dieses 2,5-Millionen-Euro-Loch nicht schließen können.

Hektische Wochen für Bradl

Im negativen Sinne den Vogel abgeschossen hat aber die Sommerpause des deutschen Moto2-Weltmeisters Stefan Bradl. Ohnehin schon verletzt, war die entspannte Reha - mit dem Ziel eines Comebacks in Indianapolis am kommenden Wochenende - schnell ausgeträumt. Statt sich nur auf sich zu konzentrieren, um in der zweiten Saisonhälfte ausgeruht angreifen zu können, stand Bradl auf einmal ohne Team da. Teambesitzer Giovanni Cuzari wurde in der Schweiz verhaftet, Cuzari-Partner Mario Rezzi sitzt aktuell ebenso hinter schwedischen Gardinen. Ein Schock für die beiden Moto2-Fahrer des Teams, ein Desaster für Loris Baz und Stefan Bradl aus der Moto GP, ein Debakel für alle Forward-Mitarbeite ,zu denen auch die zwei Deutschen Dirk Debus und Tex Geissler gehören. Unfassbar, was der gesamten Forward-Truppe da von ihrem Chef zugemutet wurde. Wie soll ein Fahrer unter solchen Voraussetzungen Topleistungen bringen? Aber Stefan Bradl hätte es ahnen können. Die Gerüchte über Zahlungsschwierigkeiten von Forward gab es im Fahrerlager schon länger.

Im Gegensatz zu seinen Mechanikern hat Stefan Bradl schnell einen neuen Arbeitgeber gefunden. Aprilia nahm den Bayern mit Handkuss. Das ist natürlich eine Sommerpause, die trotz des Aprilia-Happy-Ends , alles andere als optimal war. Für die anderen Forward-Mitarbeiter ist es dagegen noch schlimmer. Sie sind nämlich erstmal arbeitslos. Und das ist tragisch, denn auch ein Tex Geissler hat eine Familie, die er ernähren muss. Was für eine Verrohung der Sitten in der Weltmeisterschaft.

Zum Glück wird ab kommenden Freitag wieder Rennsport gezeigt. Zum Glück gibt es auch noch funktionierende Teams und nicht nur mutmaßliche Verbrecher als Teamchefs. Und ganz ehrlich: Auch wenn für mich die MotoGP-Pause, wie für die meisten Fans, immer langweilig ist. Auf solch eine Silly Season, wie im Jahr 2015, würde ich in Zukunft gerne verzichten. Eine Sommerpause, die so dem Sport letztendlich nur schadet. Von daher bleibt der größte Wunsch für die zweite Sasionhälfte klar: Wie immer keine Verletzten. Und bitte keine Skandale mehr. Davon haben wir jetzt schon für eine ganze Saison genug gehabt.