In den letzten beiden Jahren schaffte kein deutscher Fahrer mehr den Sprung in die Motorrad-Weltmeisterschaft. Philipp Öttl war 2013 der letzte Pilot, der sich in der Moto3 festsetzen konnte. Insgesamt fahren in den drei Klassen Moto3, Moto2 und MotoGP sechs Deutsche. Die Schweiz, welche nur ein Zehntel der Einwohnerzahl der Bundesrepublik vorweisen kann, stellt fünf Piloten. Länder wie Italien, Spanien oder Großbritannien verfügen über teilweise deutlich mehr Fahrer, Spanien bildet mit 22 Sportlern und Sportlerinnen die Spitze.

"Wir stehen im Vergleich zu anderen Nationen wie Großbritannien oder der Schweiz erbärmlich da", ärgerte sich daher Stefan Bradl im Rahmen seines Heimrennens am Sachsenring, dass er verletzungsbedingt nur als Zuseher verfolgen wird. "Man muss sich die Frage stellen, ob im Nachwuchsbereich alles richtig gemacht wird", meinte der einzige Deutsche in der Königsklasse und beantwortete die von ihm aufgeworfene Frage gleich selbst. "Ich sehe in Deutschland aktuell gar keine Förderung. Da muss einfach mal etwas passieren. Es muss gefördert werden. Wie sieht es denn sonst in fünf Jahren mit dem deutschen Nachwuchs aus?"

Bradl ärgert sich vor allem über die Strukturen in der von ADAC und DMSB kontrollierten Nachwuchsarbeit: "Es gab keine Nachwuchsklasse in der IDM, wo richtig junge Fahrer sich auf die Weltmeisterschaft vorbereiten können. Man braucht in Deutschland aber eine Klasse, die genau gleich ist wie die Moto3 in der Motorrad-Weltmeisterschaft. Es darf nicht nur die Superbike in der deutschen Meisterschaft gepusht werden. Da kommen wahrscheinlich keine Nachwuchsfahrer mehr raus, die es bis in die Weltmeisterschaft ganz oben schaffen. Jetzt gibt es zwar wieder eine Moto3-Meisterschaft in Deutschland, aber das wurde total verschlafen."

Erst im Vorjahr wurde wieder eine deutsche Moto3-Meisterschaft ins Leben gerufen, Foto: Superbike*IDM
Erst im Vorjahr wurde wieder eine deutsche Moto3-Meisterschaft ins Leben gerufen, Foto: Superbike*IDM

Der logische Weg an die Weltspitze sei laut Bradl nämlich der von deutschen in die spanische Moto3, von wo aus man über Wildcard-Einsätze den Sprung in die Weltmeisterschaft wagen kann. Der Zahlinger schaffte diesen einst - ohne ADAC, wie er betont. "Das ist ein Verein, der sich vorne hinstellt, aber noch nicht viel getan hat. Ich wurde vom ADAC nie unterstützt und kann über den ADAC nicht viel erzählen, außer dass er mir nicht geholfen hat", fand der Moto2-Weltmeister von 2011 deutliche Worte.

ADAC wehrt sich

Anschuldigungen, die man beim ADAC nicht gelten lässt. "Stefan Bradl hat im vom ADAC und Honda durchgeführten Red Bull Rookies Cup seine professionelle Motorradkarriere begonnen", hält Kay-Oliver Langendorff, Leiter Motorsport-Kommunikation beim ADAC entgegen. "2005 wurde er im gemeinsamen Team von ADAC, Red Bull und KTM Internationaler Deutscher Motorradmeister, insofern hat der ADAC Stefan Bradl gerade zu Beginn seiner Karriere maßgeblich gefördert. Aber vielleicht hat er das alles in seiner Jugend nicht so wahrgenommen oder vergessen", gibt Langendorff gegenüber Motorsport-Magazin.com zu Protokoll.

Bradl vertritt hingegen den Standpunkt, dass dem ADAC hauptsächlich der Automobilsport am Herzen liegt. "Das ist der springende Punkt. Es wird sehr viel im Vierradbereich gefördert. Man muss nur die Zahlen nüchtern betrachten. Wir haben 2014 und 2015 keinen Newcomer mehr in der Moto3 gehabt. Das sagt schon viel aus", so der MotoGP-Pilot.

Auch diese Einschätzung Bradls möchte Langendorff nicht teilen: "Der ADAC fördert den Motorradsport intensiv, insbesondere im Nachwuchsbereich. Neben den Einsteigerserien ADAC Mini Bike Cup und Pocket Bike Cup haben wir erst 2013 den ADAC Junior Cup powered by KTM ins Leben gerufen. Hinzu kommt, dass wir uns in diesem Jahr in der Deutschen Moto3 engagieren und gerade hier am Sachsenring einen Pilot-Lauf für den Moto3 Northern Europe Talent Cup. Hinzu kommen diverse Nachwuchsprojekte im Motocross-Sport, wie beispielsweise die ADAC MX Academy oder das seit Jahren sehr erfolgreiche ADAC MX Masters mit den zwei Junior- und Youngster-Nachwuchsklassen. Wir sind uns sicher, dass es wenige Organisationen gibt, die solch eine umfangreiche Nachwuchsarbeit - und das seit Jahrzehnten - betreiben."

Bradl ist seit Jahren das Aushängeschild des Motorradsports in Deutschland, Foto: Forward Racing
Bradl ist seit Jahren das Aushängeschild des Motorradsports in Deutschland, Foto: Forward Racing

Die Meinungen zwischen ADAC und Bradl gehen also relativ weit auseinander, doch auch die zweite große Kraft in der deutschen Nachwuchsförderung, der DMSB, bekommt vom Forward-Racing-Piloten sein Fett weg. "Beim DMSB sind Gelder in Millionenhöhe verschwunden, die man sehr gut für die Förderung brauchen hätte können", ist er überzeugt.

Sachsenring als Insel der Glückseeligen

Generell zeichnet Bradl ein trauriges Bild des Motorradsports in Deutschland. "In der Gegend hier um den Sachsenring herrscht eine extreme Begeisterung für die MotoGP, aber wenn man eine Stunde Richtung Süden fährt interessiert sich niemand mehr dafür. Bei mir Zuhause hat dieser Sport überhaupt keinen Stellenwert", gibt er zu bedenken. Daher hofft Bradl, dass er Grand Prix möglichst lange am Sachsenring gehalten werden kann. Alles andere käme seiner Meinung nach einem Untergang gleich: "Wenn kein Rennen am Sachsenring mehr stattfindet wird es in Deutschland keinen Grand Prix mehr geben. Sachsenring oder gar nicht. Ich wüsste nicht wo wir sonst hingehen sollen. Am Nürburgring oder in Hockenheim werden nicht so viele Zuseher kommen wie hier. Für Deutschland bleibt nur der Sachsenring."