Wieso nennt sich eine Rennstrecke eigentlich Kathedrale des Motorsports? Und dürfen die das überhaupt? Ja, die Niederländer, die seit 1925 Rennen in Assen veranstalten, dürfen das. Die Dutch TT wurde deshalb zur sogenannten Kathedrale, weil dieses Rennen schon immer etwas Besonderes war und wohl auch bleiben wird. Und das obwohl die Formel 1 dort nie zu Gast war. Wozu auch? Man hat bei den Veranstaltern sehr gut erkannt, dass es besser ist, voll auf die Zweiradsparte zu setzen.

Mit Erfolg. Assen wird auch deshalb Kathedrale des Motorsports genannt, weil es das älteste Rennen im Kalender ist. Assen ist Kult, weil es als einziges Rennen immer zum Kalender der Weltmeisterschaft zählte. Ohne Pause, nur mit kosmetischen Maßnahmen an der Strecke. Assen ist ein Mythos, weil es schmal ist, weil dort der Grip selbst im Nassen gut ist, weil die überhöhten Kurven extremste Schräglagen zulassen. Assen ist das einzige Rennen mit einem Stammdatum. Immer am letzten Samstag im Juni ist Dutch TT Tag. Diese Garantie hat sonst kein Veranstalter.

Und samstags? Warum nicht, die Fans können Sonntags schön auf den Campingplätzen ausschlafen und sind montags wieder bequem zurück am Arbeitsplatz. Der Grund für den Samstag hat übrigens mit den 1925 befahrenen, öffentlichen Strassen zu tun. In einer Nachbargemeinde passierten die damals schon lauten Bikes nämlich direkt die Dorfkirche. Der Pfarrer fühlte sich gestört. Der Kompromiss: Rennen ja, aber nur samstags. Sehr bikerfreundlich, dieser Religionsvertreter. Und auch wenn heute längst eine permanente Vorzeigerennstrecke entstanden ist, den Samstag hat man beibehalten.

Marc Marquez schwamm im Vorjahr zum Sieg, Foto: Milagro
Marc Marquez schwamm im Vorjahr zum Sieg, Foto: Milagro

In Assen hat man von Veranstalterseite schon immer etwas mehr für die Besucher-Qualität getan als anderswo. Das hat sich ausgezahlt. Es gibt viele gute Gründe, warum Assen immer ein Publikumsmagnet war und wohl auch noch lange bleiben wird. Der aktuelle Vertrag läuft bis 2021 (!!!), davon können andere Strecken nur träumen. Und auch die am kommenden Wochenende sicher wieder zahlreichen Fans werden belohnt. Mit günstigen Eintrittspreisen, mit perfekter Organisation und mit einer beispielhaften Gastfreundschaft. Bei der Dutch TT wird kein Biker schräg angeschaut, sondern ist herzlich willkommen.

Ein Mekka für die Fans

Und man tut was für die Fans. So wurde die Lautsprecheranlage noch einmal verbessert, die Videowände vergrößert, die Eintrittspreise hat man aber nicht erhöht. Das Stehplatzticket für den Rennsamstag kostet 43 Euro und bietet trotzdem sehr gute Aussicht auf spektakuläre Passagen der Kultstrecke. Auch die legendäre Party von Assen wird wieder gefeiert. In der Nacht von Freitag auf Samstag verwandelt sich das sonst beschauliche Provinzkaff in eine Partyzone allererster Güte. DJs, Livebands und die berühmte TT Kirmes sorgen dafür, dass die Nacht vor dem Rennen eine sehr kurze wird. Der Rahmen stimmt also schon mal. Aber das wichtigste sind eben doch die Rennen.

Und auch hier hat Assen schon immer mit Spektakel geglänzt. Vielleicht auch oft durch das wechselhafte Wetter begünstigt, aber langweilig war ein Rennen in Assen selten. Ganz besonders auch für die deutschen Fans nicht. Diese kamen durch die leichte Erreichbarkeit für Fans aus dem Norden oder aus Nordrhein-Westfalen auch immer in Scharen. Daran hat sich bis heute nicht viel geändert. Geschätzte 30 Prozent der über 100.000 Zuschauer kommen aus Deutschland. Vielleicht war Assen schon immer auch deshalb für besondere deutsche Momente der geeignete Ort.

Auch den Grid Girls gefällt es in Assen, Foto: Milagro
Auch den Grid Girls gefällt es in Assen, Foto: Milagro

Zum Beispiel 1953, als Werner Haas auf NSU zwei Rennen an einem Tag gewann: 125cc und 250 cc. Auch in der Neuzeit war Assen sehr häufig ein Fest für die deutschen Anhänger: Egal ob Dieter Braun, Toni Mang oder Reinhold Roth. Deutsche Siege gehörten für die deutschen Fans in Assen zum Programm. Was war das für ein Spektakel als Ralf Waldmann 1991 bei den 125ern gewann. Logisch, Waldmann kommt aus Ennepetal. Fahrtzeit nach Assen: drei Stunden. Oder 1993: Dirk Raudies war auf seinem Siegeszug zum WM-Titel auch in den Niederlanden nicht zu stoppen. Unvergessen 1995 und 1996: 1995 ein deutscher Doppelsieg bei den 125cc-Maschinen durch Dirk Raudies vor Peter Öttl. Was war das für ein Fest!

Deutsche Erfolge

Zumal etwas später Waldi in der mittleren Kategorie nur von Max Biaggi geschlagen wurde und als zweiter ins Ziel kam. Ein Jahr später war dann endgültig Weihnachten für die deutschen Anhänger: Doppelsieg für das Team des unvergessenen Dieter Stappert. Platz eins und zwei für die beiden von Sepp Schlögl vorbereiteten HB Hondas, Waldi vor Fuchsie. Der Autor dieser Zeilen bekommt jetzt noch eine amtliche Gänsehaut, wenn er daran denkt. Der damals nicht sonderlich beliebte Superstar Max Biaggi hatte 20,1 Sekunden Rückstand auf Ralf Waldmann. Sagenhaft!

Auch Steve Jenkners überlegener Sieg bei strömendem Regen 2003 war ein ganz besonderer Moment. Es sollte nämlich Jenkners einziger Sieg bleiben und leider auch der bis heute letzte deutsche Sieg in Assen. Eigentlich komisch, aber unsere beiden Weltmeister Bradl und Cortese hatten in Assen oft Pech. So wurde es nichts mit einer Fortführung der deutschen Erfolge auf der Kultstrecke. Platz zwei aus dem Jahr 2012 von Sandro Cortese ist da eine Ausnahme und er einzige Podestplatz für einen deutschen Fahrer in den letzten Jahren.

Rossi feierte in Assen schon viele umjubelte Siege, Foto: Ozan Kutay
Rossi feierte in Assen schon viele umjubelte Siege, Foto: Ozan Kutay

Es würde also wieder einmal Zeit. Denn In Assen wissen nicht nur die deutschen Fans Leistungen besonders zu würdigen. Und das lieben die Fahrer. Wie zum Beispiel Valentino Rossi: Der hat in Assen schon achtmal gewonnen und als Ihm 2013 nach längerer Siegespause wieder der Sprung nach ganz oben gelang, war das einer dieser ganz besonderen Assen-Momente. 100.000 erzeugten eine Stimmung wie in einem Fußballstadion. An dem Tag wurde aber nicht nur Vale 46 gefeiert, sondern auch Jorge Lorenzo. Sturz im Training, Flug nach Barcelona, Blitz-OP, zurück nach Assen um samstags mit frisch operiertem Schlüsselbein unfassbarer Fünfter zu werden. Assen war schon immer gut dafür, Legenden zu produzieren. Auch letztes Jahr: Die Bilder vom Schwimmbewegungen nachmachenden Sieger Marc Marquez gingen um die Welt.

Genügend Anreize also einfach mal hin zu fahren. Assen ist näher als man denkt. Es gibt eine neue Autobahn, eine eigene Autobahnabfahrt. Pommes mit Majo und Frikandel sowieso. Aber vor allen Dingen hat man in Assen die günstige Gelegenheit, die Besten der Welt auf zwei Rädern bei der Arbeit zu sehen. Ich verlasse mich auf Ihr Kommen. Die MotoGP-Messe in der Kathedrale des Motorsports startet am Samstag um 8.30 mit den Warm Ups. Und eine bessere Motorsport-Unterhaltung gibt es am kommenden Wochenende garantiert nirgendwo sonst. Drei tolle Tage: Donnerstag, Freitag und Samstag. Die Kathedrale des Motorsports ist geöffnet.