Alle reden in der MotoGP-affinen Welt über Valentino Rossi, Jorge Lorenzo und Marc Marquez. Logisch. Vielleicht noch über Dani Pedrosas Verletzung und darüber, wann er zurückkommt. Über die beiden kleinen Klassen wird im Moment wenig gesprochen und wenn, dann höchstens noch über den gerade 16 Jahre alt gewordenen Überflieger Fabio Quartararo. Über deutsche Fahrer redet kaum jemand. Dabei könnte das letzte Rennen in Jerez das Finale einer jahrelangen Warteschleife eines potentiellen deutschen Helden gewesen sein! Von einem Bayern wie er im Buche steht ist hier die Rede: Jonas Folger.

1993 in Mühldorf am Inn geboren, also auch erst 21 Jahre alt und für deutsche Verhältnisse ja fast noch ein Nachwuchsfahrer. Beim Herrn mit der 94 auf der Verkleidung stehen aber schon 105 Rennen in der Vita - und das in dem Alter. Vier Rennen hat er gewonnen. Viele Kritiker werden sagen, nur vier! Denn Talent wird ihm seit Beginn seiner Karriere stets im Überfluss bescheinigt. Mit 13 Jahren jüngster Sieger eines IDM-Laufes der Geschichte. 2008 - vier Tage nach seinem 15. Geburtstag jüngster deutscher WM Starter aller Zeiten. 2009 in Le Mans dann auf einer Zweitakt-125er jüngster Deutscher der Historie auf einem WM-Podest. Talent bestätigt, ja klar. Aber auch der Anfang einer dem Können gar nicht entsprechenden Karriere Berg-und Talfahrt. Die Warteschleife begann.

Le Mans 2009: Folger zum ersten Mal am Podest, Foto: Milagro
Le Mans 2009: Folger zum ersten Mal am Podest, Foto: Milagro

immer wieder dem Können angemessene Highlights, aber eben auch immer wieder Tiefschläge. Allen Experten war 2009 eigentlich klar, dass da ein ganz Großer heranwachsen kann. Aber nicht unbedingt muss. Vielleicht ging der gute Jonas Folger zu unbedarft an das Abenteuer Weltmeisterschaft heran. Kein Wunder - mit 15 Jahren kann das schon einmal passieren. Wie in Le Mans 2009, als er genervt war, weil er trotz Platz drei nicht mit Champagner spritzen durfte. Wenige Monate später holte er das mit dem Champagner in Brünn nach. Nicht weil er auf dem Podest stand, sondern weil Sport1 ihm eine Flasche zum 16. Geburtstag schenkte!

Typisch Folger: Gar nicht erst auf Kühlung des Getränks zu warten, sondern direkt von der brühwarmen Flasche zu kosten. Dabei schmeckt warmer Champagner ja mal so gar nicht. Mal wieder nicht nachgedacht, sondern einfach dem Instinkt gefolgt. So etwas Unbedarftes dürfte dem Jonas Folger des Jahres 2015 nicht mehr passieren. Die vielen Nackenschläge haben Ihn erwachsen werden lassen. Heute schüttelt er den Kopf über selbst verschuldete Tiefschläge. Wie das Startverbot, das ihm von den Rennärzten verschrieben wurde, als er in Brünn auf der Pre-Race-Party lange um die Häuser zog und am nächsten Tag dann bei einem Spaziergang über die Strecke kollabierte.

Viele Rückschläge

Schlechte Blutwerte, Pfeiffersches Drüsenfieber, Verletzungen - Jonas Folger hat schon viel erlebt. Trotz unbestrittener Fähigkeiten auch schon fast das eigene Aus in der WM - nach der Saison 2011. MZ als letzter Strohhalm war pleite und nach einem Winter voller Ungewissheit war Ioda Racing die letzte Ausfahrt. Dabei war Folger im Sommer zuvor in Silverstone jüngster deutscher Grand-Prix-Sieger geworden! Aber ohne Effekt, denn zu oft hatte er seine Fähigkeiten nicht ausreichend bewiesen und kaum jemand wollte ihn noch. Solche Erfahrungen härten ab. Auf der nur im Stand als Rennmaschine zu erkennenden fahrenden Schikane aus dem Hause Ioda lernte Folger dann aber das Kämpfen. Und bekam die Einsicht ,dass sich etwas ändern muss.

Gemeinsam mit den Eltern und seinem ehemaligen Mechaniker aus dem Rookies Cup, Christian Lavero, wurde fortan mehr auf das eigene Training geachtet. Und auf Disziplin. Nicht ohne Effekt. Jorge Martinez erlöste Folger mitten in der Saison und gab Ihm eine seiner Kalex-KTM-Maschinen. Folger dankte es ihm sofort: Podestplätze und der zweite Sieg in seiner so wechselhaften jungen Karriere. Talent war nun gepaart mit Professionalität.

Folger anno 2006: Bei der Siegerehrung mit Tito Rabat und Scott Redding, Foto: Jonas Folger
Folger anno 2006: Bei der Siegerehrung mit Tito Rabat und Scott Redding, Foto: Jonas Folger

2015 ist Jonas Folger endgültig erwachsen geworden. Nicht nur weil er kein spindeldürrer Hering mehr ist, die Stimme männliche Tiefen angenommen hat oder er mittlerweile selbst Vater geworden ist. Nein, Jonas Folger ist erwachsen geworden, weil er erkannt hat, dass Talent alleine nicht ausreicht um in die MotoGP-Klasse zu kommen. Denn das ist seit jeher sein Ziel. Endlich raus aus der Warteschleife, endlich konstant vorne mitfahren. Der Umzug nach Spanien, um besser trainieren zu können, sein Wandel vom Hallodri mit Talent zum Profi mit Willenskraft und das Training mit WG-Kumpel Marcel Schrötter im Mutterland der MotoGP zeigte schnell Ergebnisse. Als Moto2-Rookie landete er 2014 gleich zweimal auf dem Podest. Da haben Weltmeister schon länger gebraucht.

Der beste Folger, den es je gab

Und 2015? Vier Rennen, zwei Siege, derzeit WM-Zweiter. Gut, der erste Erfolg in Katar war glücklich, weil der Franzose Zarco von der Technik eingebremst wurde und es gab unerklärliche Formschwankungen in Texas und Argentinien. Das typische Auf und Ab seiner Karriere und wieder Zweifel. Der endgültige Verbleib in der Warteschleife? Nein. Denn "Jonas Folger 2015" ist der beste Folger, den es je gab. Er ist in Jerez aufgestanden und hat sich gewehrt. Mit einem Rennen, dass einer Demonstration gleich kommt. Mit einem Fahrgefühl, dass Talente suchende MotoGP-Teamchefs mit der Zunge schnalzen lässt. Im Zweikampf gegen den Weltmeister Tito Rabat hat sich der Bayer durchgesetzt. Folger war am Rennsonntag von niemandem zu schlagen. Wer solch ein Rennen abliefert, kann noch mehr, viel mehr!

Das Ziel muss nun lauten: Weiter Konstanz rein zu bekommen, Rennsiege zu feiern und um den Titel zu kämpfen. Jonas Folger kann das, denn er hat das Talent und endlich auch den Willen. Wie 2009, als ihm in Le Mans sein erstes Podest gelang. Genau da geht die nächste MotoGP-Reise am Wochenende hin. Für Jonas Folger vielleicht die finale Ausfahrt - raus aus der Warteschleife.